Andreas Wolff sackte am Torpfosten zusammen, bei Renars Uscins flossen die Tränen, viele Teamkollegen rangen nach den passenden Worten. Dass die deutschen Spieler im dramatischen WM-Viertelfinale gegen Portugal nicht alles gegeben hätten und voller Emotionen bei der Sache gewesen wären, lässt sich sicherlich nicht behaupten.
Dieses Aus kommt mit Ansage
Doch obwohl das Spiel in der zweiten Halbzeit durchaus auf die deutsche Seite hätte kippen können, beim Stand von 22:20 nach 50 Minuten vielleicht sogar hätte müssen, ist das recht frühe Ausscheiden bei der Handball-WM in gewisser Weise folgerichtig.

Aus gegen Underdog, der längst keiner mehr ist
Falsch wäre es, von einer Blamage oder Ähnlichem gegen den vermeintlichen Underdog zu sprechen, der längst keiner mehr ist. Dafür waren die Auftritte der Iberer gegen Norwegen, Schweden und Spanien viel zu beeindruckend. Immer noch ist das Team um ihre Anführer, die Brüder Francisco und Martim Costa, bei der aktuellen Weltmeisterschaft unbesiegt.
Dass dies kein Zufall ist, stellte es auch gegen Deutschland unter Beweis. Im Vorhinein wurde von einem 50:50-Spiel gesprochen, zu diesem wurde es auch.
Zu hohe Fehlerquote, Angriff statisch und ideenlos
Trainer Alfred Gislason stellte klar, dass der hohe Pausenrückstand „allein auf unser Konto“ gehe. Zu hoch war wieder einmal die Fehlerquote, zu statisch und ideenlos war das Angriffsspiel in den ersten Minuten.
Während die Portugiesen befreit, kreativ und motiviert aufspielten, wirkte bei Deutschland vieles gequält und verkrampft.
Dass es mit der Einwechslung des nicht topfitten Juri Knorr nach zehn Minuten etwas besser wurde, ist angesichts dessen herausragenden Qualitäten keine bahnbrechende Erkenntnis. Knorr steht jedoch auch sinnbildlich für all die Probleme, denen sich das Team in den vergangenen Wochen ausgesetzt sah.
Johannes Golla und Julian Köster, der Vorzeige-Mittelblock von Olympia, schleppten sich mit Verletzungen durch den Herbst und reisten ohne gemeinsame Spielminuten zur WM. Von einem Köster, der „wirklich schwer angeschlagen war Ende Dezember“, sprach Gislason.
Auch wenn sich die deutsche Defensive im Laufe des Turniers etwas steigerte, ist die Bewertung des Isländers, die Abwehr sei gegen Portugal „die ganze Zeit sehr gut“ gewesen, sicherlich diskutabel. 21 Paraden des überragenden Wolff kaschieren vieles.

Hoffnungsträger Uscins allein gelassen
Der große Hoffnungsträger Renars Uscins durchlebte eine schwierige Weltmeisterschaft mit einigen Hochs und vielen Tiefs. Im rechten Rückraum war er völlig auf sich alleine gestellt.
Mit der Rückkehr von Franz Semper schien die dringend benötigte Alternative gefunden, doch die alte Verletzung brach wieder auf und die WM des Leipzigers war bereits nach einem Spiel schon wieder vorbei.
Dass Uscins gegen Portugal (4/12 Treffer) nicht an sein eigentliches Niveau herankam und mit sich haderte, war offensichtlich - und hatte seine Gründe. Die Krankheitswelle im DHB-Tross, die insbesondere Knorr heftig erwischte, tat ihr Übriges.
Die portugiesische Liga – große Teile des deutschen Gegners stehen bei Sporting Lissabon und dem FC Porto unter Vertrag - absolvierte ihren letzten Spieltag vor der WM am 18. Dezember, die HBL neun Tage später. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, der die deutsche Regenerations- und Vorbereitungszeit verkürzte.
Das war für Deutschland zu viel des Guten
Kombiniert mit der Tatsache, dass sich Deutschland nach erfolgreichen Turnieren (Platz 4 bei der EM mit vier Niederlagen; Platz 2 bei Olympia) deutlich gestiegen und womöglich zu hohen Erwartungen ausgesetzt sah, ergab dies eine Mixtur, die zu viel des Guten war.
Die Spieler wollten diese These nur zaghaft bestätigen, die riesige Enttäuschung konnte jedoch keiner verbergen. „Wir sind normalerweise besser als das hier“, betonte Christoph Steinert nach dem Aus. Dies lässt sich über einen Großteil der deutschen Weltmeisterschaft sagen, bei der es immer irgendwo hakte: Mittelblock, Rückzugsverhalten, Fehlerquote, Wurfeffizienz, Siebenmeterschwäche. All diese Faktoren kamen zu keinem Zeitpunkt zusammen.
Das Minimalziel Viertelfinale wurde erreicht, die voraussichtliche Hürde Dänemark im Halbfinale wäre kaum zu bewältigen gewesen. Und der deutsche Handball kann angesichts der Altersstruktur des Kaders positiv in die Zukunft blicken. Dass das Ausscheiden gegen Portugal ein Rückschlag ist, steht dennoch fest. Doch dieser kommt nicht aus heiterem Himmel.