Schluss, Aus und vorbei: Sie schnupperten so lange am ganz großen Coup - und standen am Ende doch mit leeren Händen da.
Aufgegeben? Debatte nach WM-Aus
Alfred Gislason verschränkte die Arme, dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und verharrte mehrere Minuten in Stille. Der Handball-Bundestrainer musste das 28:35 (16:16) gegen Frankreich im WM-Viertelfinale erst mal sacken lassen. (SERVICE: das Spiel zum Nachlesen im Liveticker)
Handball-WM: Gislason hadert nach Aus
Lange durften der Isländer und seine Spieler vom Coup gegen den Olympiasieger träumen - umso lauter platzte der Traum von der ersten WM-Medaille seit dem Heimtriumph 2007 nach einem Einbruch in den letzten 15 Minuten. (Alle Infos zur Handball-WM 2023)
„In der zweiten Halbzeit haben wir zu viele Fehler gemacht. Wir müssen dieses Spiel erst mal verdauen“, haderte Gislason am ZDF-Mikrofon.
Lange Zeit hielt Deutschland die Partie gegen den Rekordweltmeister offen, führte kurz nach der Pause noch mit 20:18.
Doch am Ende konnte auch der famos haltende Andreas Wolff die Niederlage nicht verhindern, weil offensiv fast nichts mehr ging.
Frankreich am Ende zu stark für DHB-Team
Es bleibt dabei: Deutschland kann gegen Weltklasse-Teams bei großen Turnieren einfach nicht gewinnen.
„Das Ergebnis fällt etwas zu hoch aus, es war ein großer Kampf von uns. Aber wir nutzen die Chancen nicht so wie man es tun muss, um ein Halbfinale zu erreichen“, sagte Kapitän Johannes Golla, mit sechs Toren bester deutscher Schütze: „Wir haben es 40 Minuten gut gemacht, dann brechen wir ein. Zur absoluten Weltspitze ist es noch ein weiter Weg.“
Wolff war denn auch richtig bedient, erklärte im ZDF: „Ich bin ein bisschen enttäuscht. Am meisten enttäuscht mich das hohe Ergebnis. Wir haben toll angefangen, dann sind wir aber am Torhüter verzweifelt.“
Was der Keeper der 31-Jährige auch fand: „Am Ende haben wir uns ein bisschen aufgegeben. Am Ende verlieren wir mit sieben. Das spiegelt nicht den Verlauf der Partie wider.“
Das indes wollte Gislason so nicht stehen lassen: „Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass wir aufgegeben haben. Wir haben immer weitergemacht, einfach nur schlecht geworfen.“
Bundestrainer kontert Wolffs „Aufgeben“-Vorwurf
Der Bundestrainer fügte kontrovers an: „Wir waren dann nicht konzentriert genug, allein das war enttäuschend.“
Das Turnier ist für das deutsche Team nach dem Viertelfinal-Aus noch nicht beendet. Am Donnerstagmorgen reisen Golla und seine Mitspieler nach Stockholm.
Anstatt in der schwedischen Hauptstadt am Wochenende aber nach 16 Jahren wieder um den WM-Titel zu spielen, geht es nun in zwei sportlich unbedeutenden Partien um die Plätze fünf bis acht. Gegner am Freitag in der Tele2-Fußballarena ist zunächst Afrikameister Ägypten.
„Die Franzosen haben keine Schwachstellen“, hatte Gislason vor der Partie im ZDF gesagt: „Wir müssen ein richtig gutes Spiel machen, hinten wie vorne.“
Doch der DHB-Coach und sein Team mussten sich erstmal gedulden. Die Partie begann wegen der doppelten Verlängerung im vorherigen Spiel zwischen Norwegen und Spanien (34:35) mit 22-minütiger Verspätung. (NEWS: Kuriose Anwurfzeit bei DHB-Kracher)
Anwurf beginnt mit Verspätung
Dies, orakelte DHB-Sportvorstand Axel Kromer, sei „für uns vielleicht ein Vorteil. Die Franzosen kennen den Ablauf vor so einem Viertelfinale etwas besser. Jetzt ist es für alle neu.“
Tatsächlich zeigte sich die Gislason-Sieben nach der unfreiwilligen Verzögerung von Beginn an hellwach. Weil Golla und Co. vorne fast jeden ihrer Würfe versenkten und hinten Keeper Wolff glänzend startete, führte Deutschland schnell mit 5:3 (5.) und 8:5 (10.).
Und als Christoph Steinert nach einer Viertelstunde auf 11:7 erhöhte, trommelte Frankreichs Trainer Guillaume Gille seine Stars um Nikola Karabatic und Dika Mem zu einer ersten Auszeit zusammen. (Karabatic-Porträt: Das Monster des Welthandballs)
Das deutsche Angriffsspiel kam fortan ins Stocken, die Franzosen zogen das Tempo nun merklich an. Und so dauerte es keine vier Minuten, bis Nedim Remili ausglich. In dieser Phase mit fünf Minuten ohne eigenen Treffer war es immer wieder Wolff, der das DHB-Team mit seinen Paraden mehrfach vor einem Rückstand bewahrte und damit im Spiel hielt.
Groetzki mit fatalem Gegenstoß
„Es ist ein absolut rassiges Spiel mit riesigem Tempo und riesigem Herz von beiden Seiten“, hatte Kromer zur Pause gesagt. Und Teammanager Oliver Roggisch meinte: „Mit so einem Andi Wolff im Team müssten wir eigentlich führen.“
Der zweite Durchgang startete allerdings mit der ersten französischen Führung. Die DHB-Auswahl antwortete zwar mit drei Treffern in Serie, verpasste es bei einem Tempogegenstoß durch Patrick Groetzki allerdings, auf 20:17 zu erhöhen. (Knorr? „Er steht auf jedem Zettel“)
Bei den Franzosen wurde nun Remi Desbonnet, der etatmäßige Ersatzkeeper hinter dem zukünftigen Kieler Vincent Gerard, immer mehr zum Faktor.
So kam es, wie es kommen musste: Bis zur 40. Minute hatten die Deutschen auf Kurs gelegen, ehe Les Bleus dank Ludovic Fabregas zum 20:20 ausglichen und sich in der Folge absetzten.
Acht Minuten ohne Treffer brachten das DHB-Team schließlich um seine Siegchance und machte den Traum vom Titel nach zuletzt 2007 zunichte. Dennoch meinte Gislason: „Ich bin sehr stolz auf die Jungs, sie haben alles gegeben.“
Das Spiel im Stenogramm:
Frankreich - Deutschland 35:28 (16:16)
Frankreich: Fabregas (5 Tore), Remili (5), Richardson (4/2 Siebenmeter), Tournat (4), Mahe (4/2), Mem (3), Lenne (3), Luka Karabatic (2), Porte (2), Nahi (1), Grebille (1), Nikola Karabatic (1). - Deutschland: Wolff (Kielce), Birlehm (Rhein-Neckar Löwen) - Golla (Flensburg/6), Knorr (Rhein-Neckar Löwen/5/2), Mertens (Magdeburg/4), Steinert (Erlangen/3), Häfner (Melsungen/3), Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen/2), Groetzki (Rhein-Neckar Löwen/2), Witzke (Leipzig/2), Weber (Magdeburg/1).
Schiedsrichter: Hansen/Madsen (Dänemark)
Zeitstrafen: 3:1
Siebenmeter: 4/6:2/2
Zuschauer in Danzig: 5500
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)