Die Uhr zeigt exakt 29 Minuten und 55 Sekunden, als Katars Handball-Star Rafael Capote aus neun Metern zum Wurf ansetzt.
Handball-Welt feiert deutsches Tor
Ein letzter Versuch, die deutsche Vier-Tore-Führung noch vor der Halbzeit-Sirene zu reduzieren, mit einem eigenen Erfolgserlebnis in die Kabine zu gehen. (EINZELKRITIK: Tragischer Held und starker Youngster)
Das Vorhaben zerschellt am linken Pfosten des deutschen Tores. Mehr noch als das: Der Abpraller wird für die Katarer zum bitterbösen Bumerang.
Nach 29 Minuten und 56 Sekunden hebt Simon Ernst den Ball an der eigenen Siebenmeterlinie auf. Ein kurzer Blick und schon segelt der Ball weit in Richtung gegnerische Hälfte.
Lukas Mertens veredelt deutschen Traum-Angriff
Zwei Sekunden vor der Pause hebt dort in halblinker Position rund 15 Meter vor dem Tor Lukas Mertens ab - und fischt den Ball spektakulär aus der Luft: mit dem rechten Arm, einhändig, aus gut und gerne drei Metern Höhe.
Landung auf dem linken Fuß, ein Schritt mit dem rechten Fuß, Abzug - Tor!
Die Uhr zeigt 29 Minuten und 59 Sekunden, als Katar-Keeper Bilal Lepenica dem Ball ungläubig hinterherschaut, wie dieser in der rechten Ecke seines Kastens einschlägt.
Dann ertönt die Halbzeitsirene - und aus den Boxen des Spodek von Kattowitz schallt lautstark „Oh, wie ist das schön!“
Deutsche Handball-Fans in Ekstase
Nicht nur die deutschen Fans in der Halle waren begeistert, auch in den heimischen Wohnzimmern herrschte Ekstase - die sich in den sozialen Medien entlud.
„Genau für solche Dinger guck ich Handball“, hieß es da. „Was ein geiles Tor von Mertens zum Abschluss“, schrieb ein Zuschauer, ein anderer noch etwas plakativer: „MERTENS WAS EIN TOR“.
Und selbst der Handball-Weltverband konnte sich der Magie des Treffers nicht entziehen.
„Wie man die erste Hälfte auf einem Hoch beendet, präsentiert von Deutschlands Lukas Mertens“, postete der Twitter-Account der IHF zu einem Video der Szene.
Der spanische Sportsender Teledeporte schrieb einfach nur: „BRU-TAL!“
Mertens freut sich über Traumtor: „Coole Sache“
Und der Torschütze selbst? Der nahm den kleinen Hype um seinen Geniestreich am Tag darauf bescheiden hin.
„Das freut mich, dass das irgendwo auch verbreitet wird, aber letztendlich war es halt nur ein Tor“, meinte Mertens auf SPORT1-Nachfrage - bezeichnete es aber immerhin als „coole Sache, das Ding so zu erzielen“.
Und wie hatte der Linksaußen vom SC Magdeburg die spektakulären Sekunden vor der Halbzeitpause erlebt? In erster Linie: rasant.
„Ich konnte in den eineinhalb Sekunden wirklich nicht überlegen, wo ich jetzt hinwerfe“, verriet Mertens, der auch von „Instinkt“ sprach: „Ich habe das einfach so intuitiv gemacht - und zum Glück ist es ein Tor gewesen.“
Deutschland gegen Katar mit Nachlässigkeiten
Ein allemal besonderes und zugleich der große Höhepunkt beim 31:27-Sieg zum WM-Auftakt, der nach der Pause allerdings von einigen deutschen Nachlässigkeiten getrübt wurde.
„Wir hatten ein, zwei Phasen Anfang der zweiten Halbzeit, in denen es nicht so gut war“, gestand Mertens nach dem Spiel bei Handball-World und meinte mit Blick auf die kommenden Aufgaben: „So eine Phase wie in der zweiten Halbzeit sollten wir unterlassen, das kann am Ende gegen einen anderen Gegner auch schlecht ausgehen.“
Das deutsche Team habe „ein paar technische Fehler zu viel gemacht und auch ein, zwei Fehlwürfe gehabt“, bemängelte der 26-Jährige, der phasenweise eine gewisse Hektik im deutschen Spiel erkannte.
Die war gegen weitgehend überforderte Katarer eigentlich unnötig - und hatte nur einmal positive Folgen: als Mertens die wohl spektakulärsten fünf Sekunden des bisherigen WM-Turniers veredelte.