Alfred Gislason war es offensichtlich ganz wichtig, das letzte Testspiel vor der Handball-WM zu gewinnen. (NEWS: Alles Wichtige zur Handball-WM)
Vom deutschen Supertalent zum Star
Hatte der Bundestrainer nach der 30:31-Niederlage gegen Island am Samstag noch konstatiert, dass „der zweite Anzug nicht sitzt“, so ließ er einen Tag später gegen den gleichen Gegner sein Stammpersonal weitgehend durchspielen.
Und das ging auf: Deutschland reist dank des 33:31-Erfolgs gegen die als Medaillenkandidaten gehandelten Isländer mit Rückendwind ins polnische Kattowitz, wo das Team am Freitag gegen Katar in die Weltmeisterschaft startet.
Knorr und Golla harmonieren gegen Island
Der Spieler, den Gislason quasi keine Verschnaufpause einräumte, war Juri Knorr. Dies unterstreicht den enormen Stellenwert des 22-Jährigen ebenso wie dessen 13 Tore bei der WM-Generalprobe.
Doch nicht nur als abschlussstärkster Akteur der Partie wusste der Mann von den Rhein-Neckar Löwen zu überzeugen. Mit teils zauberhaften Assists - vor allem auf Kreisläufer Johannes Golla, mit dem das Zusammenspiel schon erstaunlich gut klappt - und kluger Spielführung sorgte er immer wieder für Begeisterung unter den deutschen Fans.
Und was am wichtigsten war: Im Vergleich zum ersten Aufeinandertreffen mit Island reduzierte Knorr seine Fehler auf ein Minimum. Dafür war er am Samstag von seinem Coach noch gerügt worden. „Auch Juri hat in der letzten Viertelstunde sehr viele technische Fehler gemacht“, hatte Gislason auf der Pressekonferenz gesagt.
Gislason lobt Knorrs Abwehrleistung
Dort hatte er auch hervorgehoben: „Ich war sehr zufrieden mit seiner Abwehrleistung. Ich fand ihn überragend in der ersten und bis zum Anfang der zweiten Halbzeit.“
An der Defensivleistung des Jüngsten im deutschen Kader war auch am Sonntag nicht viel auszusetzen. Der Rückraumspieler ließ auf der halblinken Position in der 6:0-Deckung nur wenig zu. (ARTIKEL: WM in Gefahr? Sorgen um Kai Häfner)
Vom Kapitän gab es deshalb ein ausdrückliches Lob. „Er hat zwei super Spiele gemacht. Es wurde genug darüber gesagt, dass gestern in der entscheidenden Phase vielleicht der ein oder andere Fehler zu viel da war“, erklärte Golla am Sonntag und fügte hinzu: „Aber er übernimmt natürlich extrem viel Verantwortung für uns, spielt heute auch wieder über 60 Minuten in der Mitte und lenkt unser Spiel und trifft über weite Strecken immer die richtigen Entscheidungen. Von daher brauchen wir ihn genau in dieser Form, damit wir erfolgreich spielen können.“
RN Löwen blühen dank Knorr auf
Zu welchem Erfolg Knorr ein Team führen kann, wenn er in Topform aufspielt, demonstriert er seit Saisonbeginn in der Bundesliga mit den Löwen. Absolvierten die Mannheimer 2021/22 noch eine Spielzeit zum Vergessen, befinden sie sich nun nach dem 18. Spieltag noch voll im Rennen um die Meisterschaft.
Als ligaweit drittbester Torschütze hat Knorr daran einen mächtigen Anteil. „Ich erlebe ihn ja auch täglich im Training. Wenn er das weitermachen kann, was er in den letzten Monaten in der Bundesliga gezeigt hat, kann er uns sehr weiterhelfen“, hob Löwen-Teamkollege Patrick Groetzki auf SPORT1-Nachfrage die Rolle des Youngsters hervor.
Im Verein teilt sich Knorr die Aufgabe des Siebenmeterschützen mit Ex-Nationalspieler Uwe Gensheimer, gegen Island trat er in den beiden Spielen trotz zwei Fehlversuchen zu allen 13 Strafwürfen an. (ARTIKEL: Wirbel um Knorr-Szene - „Er hat mich beleidigt“)
Ist er als Schütze Nummer eins festgelegt? „Das kristallisiert sich jetzt ein bisschen heraus. Heute habe ich geworfen, mal sehen, wie es sich entwickelt. Wir haben keine klare Nummer eins“, betonte Knorr am Samstagabend auf SPORT1-Nachfrage bescheiden.
„Es gibt keinen wie Uwe in den letzten Jahren, der die Dinger sicher verwandelt. Wir schauen einfach, wer am besten trifft und so verteilt sich das auf das Turnier“, schob der 22-Jährige hinterher.
Knorr wurde bereits in jungen Jahren als Supertalent im deutschen Handball gehandelt. So langsam vollzieht er die Entwicklung zum Star.
Der Star, den Deutschland gebraucht hat?
Viele sagen, dass dem DHB-Team ein Spieler vom Kaliber Karabatic, Hansen oder Gidsel fehlt, die Frankreich, Dänemark und Norwegen zu Medaillen geführt haben. In Knorr könnte ein Akteur dieses Formats heranreifen.
Bei der EM im vergangenen Jahr hatte der Spielmacher noch gefehlt, weil er die nötigen Voraussetzungen bezüglich des Corona-Impfstatus nicht erfüllt hatte. Nun darf er an der WM teilnehmen - ob als Geimpfter oder Genesener ist nicht offiziell bekannt. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der Handball-WM 2023)
Doch das Thema ist erst einmal abgehakt. Der Fokus wird auf das Sportliche gerichtet. Und dafür lieferte Knorr mit seiner Gala gegen Island die besten Argumente.
Dass der zweite Anzug nicht sitzt, findet der Youngster anders als sein Trainer nicht. „Wir wissen, dass wir ein starkes Team in der Breite haben. Das ist absolut so und wird ein Vorteil im Turnier sein“, unterstrich Knorr.
Klingt, als wären der junge Anführer mit der riesigen Verantwortung und sein Team bereit für die WM.