Es war ein Reflex, der für offene Münder sorgt.
Der "fliegende Idiot"
In der letzten Sekunde der ersten Halbzeit des Halbfinals zwischen Schweden und Frankreich bei der Handball-WM in Ägypten hatte Andreas Palicka mit einer unfassbaren Parade das mögliche 14:16 aus Sicht der Franzosen von Valentin Porte verhindert.
Die gefeierte Aktion ließ die Skandinavier mit einer beruhigenden Führung in die Kabine gehen, die sie sich bis zum Ende nicht mehr nehmen ließen. Im WM-Finale geht es am Sonntag gegen Dänemark um Gold (Handball-WM: 17.30 Uhr Finale Dänemark - Schweden im LIVETICKER).
"Ich verstehe, dass die Franzosen Angst hatten. Da kommt ein fliegender Idiot mit dem Fuß am Kreuzeck. Da ist man natürlich erst einmal schockiert", sagte Teamkollege Jim Gottfridsson von der SG Flensburg-Handewitt nach dem 32:26–Triumph: "Das war eine fantastische Rettungstat."
Reflexartig hatte der Torhüter, der im Verein für die Rhein-Neckar Löwen in der Handball-Bundesliga spielt, seinen rechten Fuß deutlich über Kopfhöhe unter die Hand gezogen und damit Portes freien Wurf über das Tor gelenkt.
Handball-WM: Palicka hat "fünf Mal geweint"
"Ich war ein wenig überrascht, wie hoch ich mein Bein bekommen habe", sagte Palicka laut Dagens Nyheter selbst. Bei seiner Rettungstat zog sich der 34-Jährige allerdings eine "Verletzung am unteren Körper" zu, wie er zugab. Sein Einsatz im Finale soll allerdings nicht auf der Kippe stehen.
Völlig verdient nahm Palicka nach dem Coup gegen die Franzosen mit Tränen in den Augen die Auszeichnung zum Man of the Match entgegen, nachdem er elf der 35 französischen Würfe auf sein Tor pariert hatte.
"Ich glaube, ich habe fünf Mal geweint und zwölf Mal geschrien", sagte der schwedische Kapitän, dessen Mannschaft deutscher Gegner bei der Olympia-Qualifikation im März ist, bei TV 2 Sport. (Handball-WM: Die wichtigsten Regeln)
Palicka mit starker Paradenquote
Auf der Löwen-Homepage ergänzte er: "Wir sind mega-froh und glücklich, dass wir das Finale erreicht haben. Wir sind unfassbar stolz darauf, mit dieser Mannschaft für unser Land ein solches Turnier zu spielen, und gehen jetzt hoch motiviert ins Endspiel."
Insgesamt hat Palicka vor dem Finale, in dem Schweden erstmal seit 2001 steht, 66 von 187 Würfen abgewehrt. Einzig der Marokkaner Yassine Idrissi hat mehr Bälle gehalten.
Die Abwehrquote von 35 Prozent können nur fünf Keeper im Turnier toppen – darunter übrigens Johannes Bitter.
Palicka erinnert an Fritz
Mit seiner Spielweise erinnert er ein wenig an einen anderen Deutschen: Torhüter-Legende Henning Fritz. (Spielplan und Ergebnisse der Handball-WM 2021)
"Auch er ist körperlich nicht der Größte, auch er muss seine Größennachteile durch teilweise spektakulär aussehende Bewegungen und Aktionen kompensieren", wurde Fritz auf der Website der Handball-Bundesliga zitiert.
Palickas Torwartspiel lebe "von seiner Explosivität und auch von der Emotion", der 34-Jährige sei "außergewöhnlich stark im Eins gegen Eins, gerade auch bei Würfen vom Kreis."
Apropos Emotion: DHB-Kapitän und Vereinskollege Uwe Gensheimer bezeichnet den Fußball-Fan des FC Barcelona, der abseits des Feldes normalerweise Ausgleich bei seiner Familie und bei der Trendsportart Padel-Tennis sucht, als "kleinen Vulkan".
Palicka gegen Landin
Ob dieser auch im Endspiel wieder ausbricht? (Die besten Torjäger der Handball-WM 2021)
Das Torhüterduell wird mit Sicherheit im Fokus stehen. Denn bei den Dänen steht niemand Geringeres als Welthandballer Niklas Landin (THW Kiel) zwischen den Pfosten, der sich statistisch bisher aber mit 49 Saves (28 Prozent Paradenquote) klar hinter Palicka anstellen muss.
Die schwedische Bundesliga-Auswahl (zwölf HBL-Profis im Kader), die von Palicka und den Flensburgern Gottfridsson und Hampus Wanne (elf Tore gegen Frankreich) angeführt wird, will ihr WM-Märchen nun mit dem Wunder krönen und die handballbegeisterte Nation endgültig in Ekstase versetzen.
"Satt sind wir nicht", sagte Palicka: "Wir wollen alles dafür geben, die Goldmedaille nach Schweden mitzunehmen."