Das zum Jahresende beschlossene Aus von Sportvorstand Axel Kromer beim DHB hat für ordentlich Wirbel gesorgt. So zeigten sich Bundestrainer Alfred Gislason und Nationalmannschafts-Kapitän Johannes Golla im Rahmen des Lehrgangs in Kopenhagen von der Meldung überrascht. Handball-Legende Stefan Kretzschmar betitelte die Entscheidungsfindung und Transparenz innerhalb des Verbands als „amateurhaft“.
Hanning kritisiert DHB: „Glatte Sechs“
Im SPORT1-Interview übte nun auch Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse Berlin und ehemaliger Vizepräsident des DHB, Kritik an den Vorgängen im Deutschen Handballbund - und stellte insbesondere die Kommunikation rund um Kromers Aus in Frage.
SPORT1: Herr Hanning, der DHB hat bekannt gegeben, dass der zum Jahresende auslaufende Vertrag mit Sportvorstand Axel Kromer nicht verlängert wird. Kam diese Nachricht für Sie überraschend?
Bob Hanning: Der Zeitpunkt war für mich überraschend, aber nicht das Resultat. Dass der Verband eine Veränderung in diesem System brauchte, das habe ich auch schon lange angesprochen. Die Art und Weise, wie der Verband die Nachricht kommuniziert hat, ist eine glatte Sechs.
Kommunikation bei Gislasons Verlängerung ein „Desaster“
SPORT1: Auch die öffentlich geführte Kommunikation, mit Bundestrainer Alfred Gislason nur unter dem Vorbehalt zu verlängern, wenn die Qualifikation für Olympia gelingt, kam nicht bei jedem gut an.
Hanning: Man kann zu der Vertragsverlängerung mit Alfred Gislason stehen, wie man will. Die Art und Weise der Kommunikation war auch ein Desaster. Das jetzt ist nur die Fortsetzung, das passt dort mit rein. Aus dem medialen Thema wurde nichts gelernt.
SPORT1: Können Sie das konkretisieren?
Hanning: Viele waren froh, dass ich nicht mehr beim Verband dabei war. Die Ebene, etwas nach draußen zu kommunizieren, ist dabei neben anderen Dingen auf der Strecke geblieben.
Hanning lobt DHB-Sportvorstand Kromer
SPORT1: Axel Kromer wird nachgesagt, als Medienfigur beim DHB an seine Grenzen gestoßen zu sein, dass er kein Mann für die erste Reihe ist. Die Aufgabe eines Sportvorstands ist über die Außenkommunikation und den Verkauf hinweg ja noch viel komplexer, was Kromer auch gelungen ist.
Hanning: Der Vorstand Sport muss auch Dinge verändern. Es gehört nicht nur dazu, eine Nationalmannschaft zu führen, sondern auch intern für Ruhe zu sorgen und Themenfelder zu entwickeln. Da geht es um Nachwuchs, um Ausbildung und viele weitere Themen. Ich finde, das hat Axel Kromer exzellent gemacht. Das Management und die Professionalisierung der Nationalmannschaft, auch bezüglich der Befriedung der Presse und des Journalismus, das haben wir nicht geschafft. Nach meinem Weggang hat der Verband das nicht auffangen können.
SPORT1: Das, was Axel Kromer noch bis zum 31. Dezember für den DHB macht, soll danach ein „Männer-A-Nationalmannschaftsmanager“ übernehmen. Diese geschaffene Stelle, eine Stufe unter dem Sportvorstand, hat der DHB am 21. März ausgeschrieben - kurioserweise per Stellenanzeige auf seiner Homepage. Finden Sie das sinnvoll?
Hanning: Die Suche und Ausschreibung nach einem Nationalmannschafts-Manager ist eigentlich nur der Höhepunkt. Wenn ich die Beschreibung lese, dann kriege ich das Grauen. Vielleicht muss der Verband eine Ausschreibung machen, aber es kommen für diesen Job maximal drei oder vier Personen in Deutschland überhaupt in Frage.
Nach Kromer-Aus: Hanning sieht eine „Riesenchance“
SPORT1: Kromer sollte neben der Herren-Nationalmannschaft auch den Frauenhandball weiter voranbringen. Finden Sie diese Anforderung an ihn zu viel? Bräuchte es nicht einen spezialisierten „Frauen-A-Nationalmannschaftsmanager“?
Hanning: Wenn ich im Frauenbereich weiterkommen will, dann muss ich die Ligen professionalisieren und ich muss eine Stelle schaffen, die das Thema „Frauen“ aus der Sicht der handelnden Personen an Nummer eins stellt.
SPORT1: Sehen Sie in der Neuausrichtung des DHB auch einen Vorteil oder gar eine große Chance für den deutschen Handball?
Hanning: Ich sehe darin sogar eine Riesenchance. Ich habe immer gesagt, wir werden 2021 mit den Junioren Weltmeister und wir müssen 2027 Weltmeister mit den Männern werden. Diesen Grundstock muss man legen.
DHB-Wirbel mit Folgen für Olympia?
SPORT1: Sportlich geht es für den DHB aufwärts. Die deutsche Herren-Nationalmannschaft erreichte bei der zurückliegenden Heim-EM das Halbfinale und qualifizierte sich zuletzt für die Olympischen Spiele. Glauben Sie, dass diese Störgeräusche um Kromer die Mannschaft aus der Bahn werfen könnten?
Hanning: Halte ich für ausgeschlossen. Sportler sollen sich um den Sport kümmern, Funktionäre für Verbandsarbeit. Das darf keinen Einfluss auf sportliche Ziele haben und nicht als Ausrede dienen. Da sind wir in unserer Sportart aber auch schon weit, dass das nicht passieren wird.