Eine solche Euphorie hat eine deutsche Handball-Nachwuchs-Nationalmannschaft selten zuvor entfacht: Die U21-Junioren kürten sich bei der Heim-WM Anfang Juli zum Champion. Dabei füllten die DHB-Talente nicht nur die Hallen in Hannover, Magdeburg und Berlin, sondern bekamen auch reichlich Lob von allen Seiten.
Mischen Weltmeister die Bundesliga auf?
Bob Hanning machte sich gar stark, dass einige der U21-Weltmeister mit der A-Nationalmannschaft zur Heim-EM reisen sollen. „Dieser Doppeljahrgang war außergewöhnlich, das kann man nicht anders sagen. Wir sind vor allem in der Breite sehr gut aufgestellt“, meint auch U21-Bundestrainer Martin Heuberger im SPORT1-Interview.
Doch kann diese Truppe nun auch ihr Potenzial in der Bundesliga, die als beste Handball-Liga der Welt gilt, abrufen? SPORT1 macht den Check.
Späth mit hartem Konkurrenzkampf bei den Löwen
Wie schnell es manchmal gehen kann, hat bereits David Späth bewiesen. Der Torwart von den Rhein-Neckar Löwen zeigte im Supercup gegen den THW Kiel eine überragende Leistung. Mit 18 Paraden und einer Quote von 35,29 Prozent war er der beste Keeper der Partie, auch wenn er die Niederlage im 7-Meter-Werfen nicht verhindern konnte.
Damit knüpfet der 1,97 Meter große Torhüter unverblümt an seine Leistung bei der U21-WM an, wo er wie Kreisläufer Justus Fischer ins All-Star-Team gewählt wurde.
Das überrascht Heuberger nicht, denn er traut Späth den „nächsten Entwicklungsschritt“ zu. Allerdings: „Er muss sich gegen starke Konkurrenz mit Mikael Appelgren und Joel Birlehm durchsetzen. Ich traue David aber zu, dass er das schafft.“
Mit der entsprechenden Spielzeit glaubt der Coach sogar, dass seinem ehemaligen Schützling der baldige Sprung in die A-Nationalmannschaft gelingt.
Fischer und Uscins bald Nationalspieler?
Diesen Weg könnten auch Fischer und Renars Uscins gehen. Das Duo von der TSV Hannover-Burgdorf trug bei der U21-WM entscheidend zum Titelgewinn bei.
„Ich sehe sehr gute Möglichkeiten bei Renars Uscins, weil er einer von zwei Spielern auf Rückraum Rechts ist und eine sehr gute Entwicklung genommen hat. Er wird sich über viele Spielanteile weiterentwickeln, genauso wie Justus Fischer, der eine überragende Vorbereitung gespielt hat“, lobte Heuberger.
Seine ganze Klasse spielte Fischer im Testspiel gegen den FC Barcelona aus. Mit sieben Treffern war er der beste Torschütze seines Teams und hat mittlerweile sogar den erfahrenen Ilija Brozovic als Nummer eins am Kreis abgelöst.
Deswegen ist der 20-Jährige in den Augen von Heuberger auch ein „Kandidat“ für Bundestrainer Alfred Gislason: „Wobei wir am Kreis natürlich mit Golla, Kohlbacher und Pekeler, der eventuell zur Heim-EM zurückkommt, drei sehr gute Spieler haben. Justus Fischer ist aber auf jeden Fall ein Mann für die Zukunft.“
Auch Uscins, der im SPORT1-Interview über seine vergangene Saison sprach, spielte sich bereits ins Blickfeld. Mit neun Toren war er im Hinspiel der European League bei Ystads IF der beste Torjäger der Partie. Solche Chancen dürften sich für den Rückraumrechten in dieser Saison nicht nur wegen der Doppelbelastung häufiger ergeben.
Welcher Füchse-Spieler macht den nächsten Schritt?
Europäische Erfahrung wird vermutlich auch das Weltmeister-Sextett der Füchse Berlin sammeln dürfen. Bereits im Vorjahr setzte Trainer Jaron Siewert in der Gruppenphase immer wieder Lasse Ludwig, Max Beneke, Moritz Sauter, Nils Lichtlein, Mattes Langhoff und Tim Freihöfer ein.
Wenn es nach Hanning geht, sollen die Talente nun noch mehr Spielzeit bekommen. „Wir haben unseren Kader nicht genutzt, Spieler wie Nils Lichtlein und Matthes Langhoff nicht eingesetzt, die wir aber hätten einsetzen müssen, um andere, wenn sie mal geschwächelt haben, zu entlasten“, kritisierte der Füchse-Geschäftsführer der Bild zufolge bei der Team-Präsentation Trainer Siewert.
Das könnte sich nun ändern. Nach dem Abgang von Jacob Holm zu PSG wird der Hauptstadtklub keinen Ersatz für die Mitte verpflichten, wie Hanning im DYN-Interview bestätigte. Das öffnet die Tür für Lichtlein.
Lichtlein: Ist er der neue Gidsel?
„Nils hat bei der Junioren-WM bewiesen, dass er auf Rückraum Mitte spielen kann. Zum einen war er bei uns sehr gut in der Spielsteuerung, zum anderen war er sehr torgefährlich. Er ist unglaublich flexibel, hat ein gutes Eins-gegen-Eins und hat einen sehr guten Schlagwurf“, schwärmte Heuberger bei SPORT1 vom 21-Jährigen.
Der 59-Jährige vergleicht den MVP der U21-WM sogar mit einem der besten Spieler der Welt: „Er ist so ein bisschen ein Spielertyp wie Gidsel (Mathias Gidsel, Anm.d.Red.). Man kann sie mit ihrem Eins-gegen-Eins schon vergleichen.“
Genau diese Qualitäten soll er der Linkshänder jetzt vermehrt zeigen dürfen. Bereits beim Auftakt gegen Leipzig leitete er zeitweise das Spiel und steuerte zwei Treffer beim Füchse-Sieg bei.
Sein größtes Defizit ist noch die Abwehrarbeit. „Ich denke, er kann einen offensiven Part auf der Halbposition spielen, sonst ist er zurzeit eher auf Außen zu gebrauchen. Das ist ein Nachteil für ihn“, erläuterte Heuberger.
„Viel Potenzial!“ Heuberger über Potsdam-Spieler
Für die anderen fünf Füchse-Talente wird es hingegen etwas schwieriger, konstant Spielzeiten in der Bundesliga zu bekommen. Mattes Langhoff kann in Abwesenheit des verletzten Paul Drux Werbung für sich machen, auch wenn er mit Lasse Andersson einen Weltklasse-Mann vor sich hat. Linksaußen Tim Freihöfer ist wiederum hinter Neuzugang Jerry Tollbring und Tim Matthes nur die Nummer drei.
So werden Ludwig, Beneke und Sauter wegen eines Doppelspielrechts beim VfL Potsdam hauptsächlich in der zweiten Liga zum Einsatz kommen. Dort überzeugte das Trio bereits im Vorjahr.
Ludwig ist die klare Nummer eins zwischen den Pfosten, nachdem er im Vorjahr 237 Bälle parierte. Beneke war mit 204 Toren einer der besten Torjägern der zweiten Liga, während Sauter als Regisseur bereits gute Ansätze zeigte.
„Ich traue Moritz Sauter und Max Beneke einiges zu, denn sie haben noch viel Potenzial. Sie werden dieses Jahr nochmal zweite Liga spielen, aber ich hoffe, dass sie nächstes Jahr den Schritt in die erste Liga machen“, glaubte Heuberger.
U21-Weltmeister vor Durchbruch im Minden?
Große Hoffnungen setzt der routinierte Coach auch auf Florian Kranzmann. Der Linksaußen teilte sich mit Freihöfer die Einsatzzeiten bei der WM und netzte 28 Mal.
„Florian Kranzmann traue ich zu, dass er den nächsten Schritt macht. Er hat für eine überragende WM gespielt“, erklärte Heuberger, der „überrascht“ von der Leistung des 20-Jährigen war.
Dabei könnte es Kranzmann etwas entgegenkommen, dass er mit der GWD Minden nun in der zweiten Liga spielt. Allerdings hat er mit Mats Korte einen starken Konkurrenten auf seiner Position.
Heitkamp als Überraschungskandidat in Eisenach?
Mit dieser Rolle ist Kranzmann nicht alleine. Die beiden Spieler vom VfL Gummersbach, Ole Pregler und Mathis Häseler, sind ebenfalls die Nummer zwei auf ihrer Position, wie auch Elias Scholtes, der beim Bergischen HC hinter Djibril M‘Bengue spielt. Bitter für Scholtes: Er zog sich kurz vor Saisonbeginn einen Ermüdungsbruch im Fuß zu und fällt daher zunächst erstmal aus.
Mika Sajenev ist in Leipzig hingegen sogar nur die Nummer drei am Kreis, die Konkurrenz mit Maciej Gebala und Moritz Preuß ist hochklassig. Das gilt auch für Stephan Seitz, der sich beim HC Erlangen auf Rückraum Rechts mit Antonio Metzner und Nationalspieler Christoph Steinert messen muss.
Bessere Einsatzoptionen hat ein Trio, das beim U21-Triumph keine allzu große Rolle gespielt hat. Niclas Heitkamp ist von Leipzig an Bundesliga-Aufsteiger Eisenach ausgeliehen und besitzt dort sehr gute Chancen, Stammspieler zu werden.
Sören Steinhaus hat bei Bayer Dormagen bereits seine ersten Spuren in der zweiten Liga hinterlassen und dürfte auch in diesem Jahr wieder eine wichtige Rolle einnehmen.
Die will auch Kreisläufer Christian Wilhelm beim TUSEM Essen spielen. Er wechselte im Sommer vom Absteiger HC Empor Rostock ins Ruhrgebiet und verbleibt damit in der zweiten Liga. Dort ist er mit seinen 21 Jahren der älteste Spieler auf seiner Position.
Heuberger mit klarer Forderung an HBL-Teams
„Ich glaube, dass sie alle mittelfristig in der ersten, zweiten Liga spielen werden“, meinte Heuberger voller Überzeugung. Er schätzt die Qualität seines Teams als hoch an. Doch dabei soll es nicht bleiben, denn er hofft, „dass man aus diesem Doppeljahrgang in Zukunft auch ein Gerüst für A-Nationalmannschaft hat“.
Generell wünscht sich Heuberger von den deutschen Teams, dass sie den Jugendspielern mehr Chancen geben. „Man sieht, dass Spieler wie Skipagotu (Elias Ellefsen á Skipagotu, Anm.d.Red.) oder Wallinius (Karl Wallinius) schon in frühen Jahren Leistungsträger in ihren Vereinen waren. Sie haben in der ersten Liga gespielt und viel Verantwortung gehabt, deshalb haben sie sich so gut entwickelt. Das ist etwas, was bei uns manchmal noch etwas fehlt“, monierte er.
Dieser Jahrgang besitzt das Potenzial, Großes zu erreichen. Nun liegt es aber nicht zuletzt an den DHB-Talenten selbst, sich ihren Platz in der stärksten Liga der Welt zu erarbeiten.