War es das nun schon mit der Vision, sich zur erhofften neuen (wie neureichen) Handball-Großmacht mit massig Weltstars aufzuschwingen?
„Für den Handball eine Katastrophe“
Als die Schlagzeilen vom Handball-Beben, vom finanziellen Schwelbrand beim Projekt von Kolstad, europaweit die Runde machten, musste Sander Sagosen erst mal als Feuerlöscher einspringen.
„Ja“, sagte der Superstar, keine zwei Wochen in Diensten des Klubs, „die Nachricht hat mich auch verletzt, aber ich stehe auch in dieser schweren Zeit hinter dem Verein“.
Soll heißen: Trotz der finanziellen Turbulenzen bei seinem neuen Arbeitgeber denkt Norwegens inoffizieller Handball-König, der in seiner Heimat ab der neuen Saison das Aushängeschild des Klubs verkörpern soll, nicht an einen Abschied.
Kolstad-Knall: HBL-Rückkehr von Sagosen?
Ein Wechsel zurück in die Bundesliga kommt für Sagosen, den 27 Jahre alten Rückraumspieler, der zuletzt jahrelang für den THW Kiel auf Torejagd gegangen war, momentan nicht infrage.
„Ich glaube wirklich an das Projekt und den Verein - trotz allem“, sagte Sagosen nun der Sport Bild. Er möchte „wirklich sehen, wie weit und gut wir dieses Jahr in der EHF Champions League sein können“.
Tatsächlich versetzen die Nachrichten aus Norwegen aber die gesamte Szene in Alarmbereitschaft. Könnte der Traum von Glanz und Gloria, von Meisterschaften en Masse und, natürlich, der Champions-League-Trophäe platzen, noch bevor das neue Super-Team den ersten Ball gemeinsam geschmissen hat?
„Für den Handball wäre es eine Katastrophe“
HBL-Präsident Uwe Schwenker erklärte der Sportbild: „Für den Handball wäre es eine Katastrophe, wenn so ein Projekt wie Kolstad jetzt wirtschaftlich nicht klappen würde.“
Und fügte an: „Wenn es solch ein Projekt ist, was mal ganz kurz hochgeschossen und dann wieder eingestampft wird, dann ist das schlecht.“
HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, der das Kolstad-Konstrukt stets kritisch gesehen hatte, erklärte beim SID wiederum auch mit Blick auf Sagosen: „Für die wechselnden Spieler ist das sehr bitter. Die norwegische Liga sollte prüfen, ob Lizenzkriterien möglicherweise nicht erfüllt worden sind.“
Fest steht: Das Projekt von Kolstad, das mit gerade erst verpflichteten Stars wie Sagosen, Magnus Röd und Göran Johannessen (beide von der SG Flensburg-Handewitt) den internationalen Handball aufmischen will, muss kräftig sparen.
Kolstad-Konstrukt gerät ins Wanken
Wie der Klub aus Trondheim mitteilte, müssen aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage die Gehälter für Spieler, Trainer und andere Angestellte gekürzt werden. Sagosen bezeichnete dies als „eine harte Nachricht für alle Beteiligten“.
Nachdem sich die Lohnkosten in den letzten drei Jahren auf aktuell mehr als 52,8 Millionen norwegische Kronen (4,63 Millionen Euro) mehr als verfünffacht haben, müssen die Gehälter laut dem norwegischen Sender TV2 in der anstehenden Saison um 30 Prozent und in der folgenden um weitere 20 Prozent gekürzt werden.
Weiteren Angaben zufolge rühren die bedenklichen Zahlen auch daher, dass die Sponsoreneinnahmen weit hinter den Erwartungen geblieben seien.
Am Dienstag teilte Kolstad dazu in einer Pressemitteilung mit: „Wir haben einen Aktionsplan zur Kostenreduzierung für die kommende Saison umgesetzt, der sicherstellen wird, dass wir die Bilanzen ausgleichen.“
Realitätscheck - und extreme Kostenreduzierung
„Ich freue mich, dass jetzt vor der Saison ein Realitätscheck durchgeführt wird, damit wir wissen, wie die Bedingungen sind“, beteuerte Sagosen gegenüber der norwegischen Tageszeitung Adresseavisen. Auf die Frage, ob sein eigenes Gehalt gekürzt wird, ging er allerdings nicht direkt ein.
Längst ist auch die norwegische Sportler-Gewerkschaft (NISO) in den Fall eingeschaltet. Es wird die Frage zu klären sein, ob die Spieler Gehaltseinbußen hinnehmen oder als Vertragsbruch einordnen würden, was mit Kündigungen einhergehen könnte.
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„Es liegt in unserer Verantwortung, Maßnahmen zu ergreifen, bevor wir in finanzielle Schwierigkeiten geraten“, sagte Geschäftsführer Jostein Sivertsen nun. Erste Gespräche mit Spielern seien positiv verlaufen.
Auch Norwegens Sportler-Gewerkschaft eingeschaltet
So oder so: Die Uhr tickt. Kolstad, in der Champions League ein Vorrundengegner des THW Kiel, startet am 26. August mit einem Heimspiel gegen ÖIF Arendal in die neue Saison. Wenn die Handball-Vision bi dahin nicht an die Wand gefahren worden ist ...
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)