Am Samstag in Kiel soll es auch nach der EM-Generalprobe der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal (ab 18 Uhr im SPORT1-Liveticker) noch einmal richtig laut werden: Mit Hendrik Pekeler wird ein Spieler offiziell verabschiedet, der zwischen 2012 und 2021 am Kreis und im Mittelblock eine entscheidende Rolle im DHB-Team eingenommen hat.
Seltsamer Schlussakkord um Pekeler
Aus der nach den Olympischen Spielen 2021 angekündigten vorübergehenden Pause wurde nun, nach der Absage für die Heim-EM, ein (fast) endgültiger Rücktritt.
Vor heimischem Publikum – Pekeler läuft im Klub auch weiterhin für die Zebras auf – soll der 32-Jährige einen gebührenden Abschied erhalten. Einen besseren als den sportlichen: Sein letztes DHB-Spiel absolvierte er am 3. August 2021 beim Olympia-Aus im Viertelfinale gegen Ägypten.
Es ist ein Abschied, der zumindest kurzzeitig für Irritationen sorgte, allemal aber für Bedauern.
Pekeler-Rücktritt: Gislason weiß zunächst von nichts
Denn am Donnerstag nach dem ersten Test gegen Portugal in Flensburg hatte sich Bundestrainer Alfred Gislason auf eine Frage zum endgültigen Rücktritt Pekelers verwundert gezeigt. „Davon weiß ich gar nichts, das war anders besprochen“, erklärte Gislason.
Einen Tag später ruderte der 64-Jährige aber zurück. Er sei durchaus im Vorfeld über entsprechende Pläne informiert worden. Es habe eine klare Absprache gegeben, dass Pekeler der DHB-Auswahl nicht mehr für ein Turnier zur Verfügung stehe: „Ich habe die offizielle Verabschiedung verpennt. Das Missverständnis lag komplett bei mir. Axel Kromer (Vorstand Sport, Anm. d. Red.) hat mir gezeigt, dass er mir die Info von der Verabschiedung geschickt hat.“
Pekeler wird „öffentlich zugeschossen“
Gislason ergänzte mit Blick auf die (aus mehrerer Hinsicht unnötige) heftige Kritik, die Pekeler in den sozialen Medien offenbar kassierte: „Leider wird der arme ‚Peke‘ jetzt öffentlich zugeschossen. Aber es ist wie gesagt meine Schuld.“ Er habe „viel Video gemacht in letzter Zeit und nicht mitbekommen, dass Pekeler verabschiedet wird“.
Eine kleine Enttäuschung bleibt dennoch: „Ich würde lügen, wenn ich nicht gedacht hätte, ich kann ihn noch überreden.“ Doch mehrfach biss sich Gislason die Zähne aus.
Pekeler hätte DHB-Team gut zu Gesicht gestanden
Denn „jemand mit der Qualität und Erfahrung hätte uns sicherlich auch in der jetzigen Konstellation als relativ junge und unerfahrene Mannschaft sehr gut zu Gesicht gestanden“, betonte Johannes Golla, der von der Zusammenarbeit im DHB-Team schwärmte, auf SPORT1-Nachfrage.
„Ich hätte mich gefreut, wenn wir noch das ein oder andere Turnier zusammengespielt hätte“, ergänzte der Kapitän, wies aber darauf hin, dass nun ein anderer Spieler die Lücke schließen werde. Doch besonders in der Abwehr schmerzt das Fehlen des Kielers.
„Großer Anteil an erfolgreichen Turnieren“
Pekeler wurde 2016 mit Deutschland Überraschungs-Europameister und holte im selben Jahr Olympia-Bronze in Rio. Auch anschließend steuerte er viel zu guten deutschen Turnierleistungen bei.
„Er hat einen großen Anteil daran, dass einige Turniere erfolgreich gelaufen sind. Er hat ein gutes Beispiel für die heranwachsenden Kreisläufer und Abwehrspieler gestellt“, sagte Torhüter Andreas Wolff zu SPORT1.
Der Defensivexperte überzeugte besonders an der Seite seines Klubkollegen Patrick Wiencek, der seine Nationalmannschaftskarriere ebenfalls beendet hat, im Mittelblock. In 122 Länderspielen erzielte Pekeler 210 Treffer.
Pekelers EM-Aus „sehr schade“
„Es ist natürlich sehr schade, dass so ein Weltklasse-Spieler nicht zu dem Turnier kommen konnte und für sich entschieden hat, dass er seine Nationalmannschaftskarriere beendet“, betonte Wolff, der bedauerte, dass die deutsche Mannschaft „auf so eine spielerische Ressource nicht zurückgreifen“ könne.
Aufgrund seiner Verletzungsproblematik in den vergangenen Jahren sei der Entschluss aber „durchaus nachvollziehbar“, zeigte sich Wolff wenig überrascht. In seiner Nationalmannschaftspause erlitt Pekeler einen Achillessehnenriss und musste an der Ferse operiert werden.
Wolff nicht überrascht - Groetzki schon
Etwas anders sah es bei Nationalmannschaftskollege Patrick Groetzki aus.
„Das hat mich schon überrascht, weil ich nur die Meldung kannte, dass es als Pause deklariert war. Ich weiß aber, dass Peke versucht, gut auf seinen Körper zu hören, weil auch die Belastung in Kiel mit den vielen Wettbewerben sehr hoch ist“, sagte Deutschlands erfahrenster Spieler bei der EM, der den Kreisläufer nicht nur aus der Nationalmannschaft, sondern auch aus gemeinsamen Zeiten bei den Rhein-Neckar Löwen kennt.
„Ich kann verstehen, dass er jetzt so eine endgültige Entscheidung getroffen hat, auch weil es ihn wohl ein bisschen genervt hat, dass es vor jeder Maßnahme und jedem Turnier so ein Hin und Her gab“, fügte der 34-Jährige an: „Er möchte wahrscheinlich für sich selbst ein bisschen Ruhe haben.“
Pekeler? Es gibt noch eine Hintertür
Allerdings: Ganz abgeschlossen ist das Thema Pekeler/Nationalmannschaft ab Samstagabend dann doch nicht.
Denn der Routinier habe Gislason signalisiert, „dass er, falls Golla und zwei weitere Kreisläufer kaputtgehen und in der Olympia-Vorbereitung fehlen, uns aus alter Verbundenheit helfen würde. Er steht darum auf der Liste der 50 Spieler für die Quali (Olympia-Qualifikation im März, d. Red.). Dafür bin ich ihm sehr, sehr dankbar.“
Das bestätigte der Spieler selbst den Kieler Nachrichten: „Der DHB hat mich gebeten, in einer Notsituation bei der Olympia-Qualifikation im März zu helfen. Dafür halte ich mich gern bereit, habe aber keine Ambitionen auf die Olympischen Spiele oder andere weitere Turniere.“
Auch Kromer erklärte: „Er schafft die hohe Frequenz bei einem großen Turnier nicht mehr. Aber er sagt auch: ‚Wenn ihr mich braucht, dann helfe ich dem DHB, um zu Olympia kommen‘. Es sind dann ja in der Qualifikation nur drei Spiele.“
Daher „werden wir ihn mit diesem Vorbehalt in seinem zweiten Wohnzimmer verabschieden“. Der Schlussakkord in und um Pekelers Nationalmannschaftskarriere ist verwirrend, überraschend, irgendwie doch nicht endgültig - am Samstagabend aber mit Sicherheit laut.