Mitte der ersten Hälfte konnte auch der deutsche Hallensprecher - in dem Fall Stadionsprecher - langsam nicht mehr fassen, was er da sah. „Wahnsinn“, rief Kevin Gerwin staunend ins Arenamikrofon, ehe er gemeinsam mit dem Publikum zum achten Mal eine Parade von Andreas Wolff feierte.
Wie von einem anderen Stern
Gerwin, im Übrigen auch als Medienberater des deutschen Torhüters tätig, musste am Mittwochabend wenig tun, um die 53.586 Fans beim Weltrekordspiel zum EM-Auftakt in der Düsseldorfer Fußball-Arena in Stimmung zu bringen.
Das schaffte das deutsche Team beim 27:14-Sieg über die Schweiz schon ganz alleine. Insbesondere Wolff tat sich mit 14 Paraden hervor und wurde folgerichtig Spieler des Spiels.
Wolff „von einem anderen Stern“
„Ich habe es absolut genossen. Es war fantastisch“, sagte Wolff, dem ein Lächeln über die Lippen huschte, als er seine beeindruckende Statistik hörte, sonst aber eher die Teamkollegen in den Vordergrund stellen wollte.
Diese wiederum gerieten wegen Wolff ins Schwärmen. „Was der da macht, verstehe ich sowieso nicht. Das ist Weltklasse, was der heute gezeigt hat“, sagte Linksaußen Rune Dahmke euphorisiert in der Mixed Zone.
Juri Knorr, mit sechs Treffern bester Werfer, meinte im ZDF: „Ich wusste ja schon, dass er gut ist. Aber dass er sowas heute macht, ist von einem anderen Stern.“ Ein passendes Bild, hatte Wolff selbst doch vor Turnierbeginn in der ARD erklärt: „Du kannst nicht nach den Sternen greifen, wenn du denkst, der Himmel ist die Grenze.“
Lukas Mertens war bei SPORT1 fast schon ungläubig: „Man muss sich das mal vorstellen: Andi hat 14 Paraden und die Schweiz hat 14 Tore gemacht. Wenn das so weitergeht, dann wird es unglaublich.“ Und Julian Köster fand Wolff „Weltklasse“ und „beeindruckend. Man kriegt es manchmal gar nicht so mit, wie viele Paraden das am Ende sind.“
Wolff entnervt die Schweiz und Schmid
Auftaktspiele mögen hin und wieder ein wenig holprig für einen Gastgeber verlaufen, doch das DHB-Team ließ keine Zweifel daran aufkommen, wer Herr im Hause ist. Die mitgereisten etwa 3000 Schweizer Anhänger waren schnell bedient.
Von der Genialität des Ausnahmehandballers Andy Schmid war wenig zu sehen (zwei Tore bei acht Versuchen), immer wieder brachte ihn die deutsche Defensive um den starken Innenblock um Johannes Golla und Julian Köster zur Verzweiflung.
Oder eben Wolff, der in Hälfte eins mehr Bälle hielt, als er kassierte – und am Ende laut DHB-Angaben bei einer phänomenalen Paradenquote von 64 Prozent stand, was sogar noch den notierten Wert der Europäischen Handball Föderation (59 Prozent) toppte.
„Man kaum besser halten als Andi heute“, meinte Trainer Alfred Gislason über seinen „bärenstarken“ Keeper: „Gerade in der Anfangsphase hat er den Schweizern sehr viel Nervosität eingebracht.“
Wolff bringt Halle zum Kochen
Während Wolff immer wieder seine Faust Richtung deutsche Bank reckte, nahm die Party auf den Rängen ihren Lauf. Beim Stand von 7:3 in der 15. Minute, das für die erste Schweizer Auszeit sorgte, kochte die Arena unter geschlossenem Dach erstmals richtig. Zwischenzeitlich blieb Wolff zweimal über 10 Minuten lang ohne Gegentor.
Bei der zehnten Parade kurz nach dem Seitenwechsel kam es erneut zum lauten Zusammenspiel zwischen Fans und Hallensprecher. Und nach Parade Nr. 14 in Minute 51 war dann Feierabend für Wolff – und die Arena erhob sich für ihn und den eingewechselten EM-Debütanten David Späth.
Zweifel an Wolffs EM-Verfassung – der Star von Industria Kielce war nach einem Bandscheibenvorfall rechtzeitig fit geworden – gibt es jetzt endgültig nicht mehr.
„Unfassbar, was der heute wieder gemacht hat“
„Unglaublich! Den bei Kielce 60 Minuten hinter sich zu haben, muss ganz geil sein. Da kann die Abwehr auch mal einen Zweikampf nicht hundertprozentig führen. Es macht Spaß, so einen hinter sich zu haben“, jubilierte EM-Debütant Justus Fischer.
Rückraum-Spieler Philipp Weber kennt dieses Gefühl aus der Nationalmannschaft schon eine Weile.
„Da könnte ich jetzt einen halben Roman drüber schreiben – unfassbar, was der heute wieder gemacht hat“, sagte Weber: „Aber das ist genau das, was wir brauchen. Da kann man in der Abwehr auch den ein oder anderen Fehler mehr machen.“
Von diesen gab es am Mittwochabend aber generell wenige. War es, passend zum Anlass, gar eine weltrekordwürdige Leistung der Deutschen? „Von Andi Wolff auf jeden Fall!“, sagte Timo Kastening lachend.