Es war ein enttäuschender Auftritt der deutschen Handball-Nationalmannschaft im letzten Hauptrundenspiel gegen Kroatien. Doch welchen Einfluss hatte es auf die Leistung und die 24:30-Niederlage, dass schon vor der Partie feststand, dass das DHB-Team das Halbfinale erreicht, wo es am Freitagabend gegen Dänemark (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER) geht?
„Das darf nicht passieren“
„Das hat eine große Rolle gespielt. Jeder, der in der Kabine war, hat das mitbekommen“, sagte Juri Knorr auf SPORT1-Nachfrage und gab zu: „Natürlich war das schön zu hören. Aber wir haben uns ehrlicherweise zu sehr damit beschäftigt.“
Zwar befand der Spielmacher, Deutschland sei eine „Gewinnermannschaft“, „weil keine Verlierer im Halbfinale stehen“, aber: „Eine große Mannschaft, die wir irgendwann werden wollen, die gewinnt auch so ein Spiel heute.“
Zumindest gehe sie „mit der Mentalität rein, das Spiel absolut zu gewinnen oder alles dafür zu geben. Wir haben teilweise gut gespielt, aber nicht alles, alles dafür gegeben.“
DHB-Team fehlt letzte Gier: „So funktioniert die menschliche Psyche“
Im zweiten Hauptrundenspiel gegen Österreich habe das DHB-Team „alles auf der Platte gelassen und bis zum Schluss gekämpft. Das haben wir heute nicht gemacht. Vielleicht haben wir uns davor zu viel damit (mit der Konstellation, Anm. d. Red.) beschäftigt und im Kopf abgeschaltet.“
Der Einzug in die Medaillenspiele, ohne Frage ein großer Erfolg für das junge deutsche Team, hatte dank doppelter Schützenhilfe von Frankreich und Island bereits kurz vor dem Anwurf festgestanden.
„Natürlich war das im Kopf, das war auch logisch, so funktioniert die menschliche Psyche“, ergänzte Knorr. Das, was das Nationalteam vor vielen erwartungsfrohen Fans letztlich zeigte, sei dennoch „einfach schade“ gewesen.
„Das ist nicht die Mentalität von Deutschland“
Auch Lukas Mertens ließ durchblicken, dass das eingetreten ist, was nicht eintreten sollte.
„Wir haben uns vielleicht zu viel mit dem, was vorher passiert ist, beschäftigt. Das darf nicht passieren, das ist nicht die Mentalität von Deutschland, die wir zeigen wollen“, wurde der deutsche Linksaußen deutlich.
Die anderen Resultate sollen „eigentlich überhaupt nicht triggern. Wir sind dafür da, um Spiele zu gewinnen. Aber vielleicht hat es doch irgendwo eine Rolle gespielt“, meinte Mertens: „Es ist eben etwas Besonderes, in einem Halbfinale zu stehen. Das darf nicht passieren, aber es ist jetzt so passiert.“
Deutschland fällt etwas von der Spannung ab
Julian Köster bezeichnete es in der ARD als „menschlich, dass da erstmal extrem viel Druck abgefallen ist“. Wohl wahr – doch auch der Rückraumspieler des VfL Gummersbach wusste, „dass wir es hier besser gestalten und uns ein gutes Gefühl für das schwierige Spiel gegen Dänemark holen wollten“.
Kapitän Johannes Golla gab an: „Vor dem Spiel in der Kabine war Spannung da, aber davon ist dann was abgefallen.“ Dann sei das DHB-Team daran gescheitert, die gleiche Intensität wie in der dritten Hauptrundenpartie gegen Ungarn auf die Platte zu bringen.
Andreas Wolff wollte wegen des Halbfinal-Einzugs insgesamt wenig kritisch mit dem deutschen Spiel umgehen und dem Ergebnis keine Bedeutung beimessen. Der Torhüter hatte bereits nach dem Erfolg gegen Ungarn die Hoffnung geäußert, dass Deutschland bereits vor dem Duell mit Kroatien im Halbfinale steht - das erfüllte sich.
Deutschland erleichtert: Kein Do-or-Die-Spiel gegen Kroatien
„Wir waren sehr erleichtert, dass wir gegen die Kroaten – von denen wir auch wussten, dass sie ein Riesenpotenzial in der Mannschaft haben – nicht do-or-die spielen mussten, sondern dass wir schon im Halbfinale sind“, sagte der Torhüter.
Natürlich sei „der Kopf dann schon ein Stück weit bei den Dänen“ gewesen. Trotzdem, das wusste auch Wolff, „müssen wir das einfach besser lösen“.
So könne man „nicht noch einmal spielen“, meinte Knorr ehrlich, „auf die Art und Weise“ habe er eigentlich nicht ins Halbfinale einziehen wollen: „Das tut mir und uns allen extrem weh.“
Deutschland blickt nach vorn
Zumindest sah die Gemütslage einen Tag später wieder anders aus. Die Niederlage gegen Kroatien war im deutschen Team am Donnerstag jedenfalls kein Thema mehr.
„Ich bin heute Morgen aufgewacht und habe realisiert, dass wir hier mit Deutschland im Halbfinale stehen. Bei einem Heimturnier“, berichtete Linksaußen Rune Dahmke: „Da überwiegt ganz klar die Freude und der Fokus auf das Halbfinale.“
Das merke man auch in der Mannschaft, „dass sich die Stimmung wieder aufbaut. Wir haben hier eine ganz tolle Möglichkeit, morgen ein wunderschönes Spiel zu haben.“