Es war eine der bisher größten Sensationen dieser Handball-EM, als die über 5.000 mitgereisten Fans von den Färöer Inseln in letzter Sekunde den ersten Punktgewinn ihrer Nation (26:26) bei einem Großereignis feiern durften.
Häme für Handball-Nation
Umso größer ist aber auch die Schmach, die auf der norwegischen Nationalmannschaft lastet.
Joachim Boldsen, Experte der Streaming-Plattform Viaplay, wetterte nach der Partie: „Es ist peinlich. Es ist wirklich peinlich. Ich hoffe und glaube, dass die Spieler nach Hause gehen und in den Spiegel schauen und sagen: Sollte ich hier sein?“
Doch wer dachte, die Stars um Sander Sagosen und Co. würden auf Wiedergutmachung brennen: Fehlanzeige! Im abschließenden Gruppenspiel am Dienstagabend setzte es gar die erste Niederlage des Turniers - 27:28 gegen Slowenien. Das Debakel war perfekt.
Zwar steht Norwegen trotz nur dreier Punkte (ein Sieg, ein Unentschieden und eine Niederlage) in der Hauptrunde, der Druck wächst jedoch stetig weiter. Denn das Ergebnis des Gruppengegners, der ebenfalls in die Hauptrunde eingezogen ist, wird mitgenommen. Bei Norwegen in diesem Fall die Pleite gegen Slowenien.
Auch die Kritik im eigenen Land nimmt nicht ab.
THW-Star im Mittelpunkt der Kritik
Besonders in den Fokus aus dem eigenen Land geriet Harald Reinkind. „Was macht Reinkind?“, titelte der Staatsfunk NRK. Der Bundesliga-Star von THW Kiel war maßgeblich daran beteiligt, dass der Underdog von den Färöer im zweiten Spiel noch in der letzten Sekunde zum Erfolg gekommen war.
Elf Sekunden vor Schluss führte Norwegen mit einem Tor, doch Reinkind verlor im Angriff den Ball und leitete damit den entscheidenden Gegenstoß ein.
Abgenommen wurde Reinkind der Ball von Vereinskollege Elias Ellefsen à Skipagötu, der nach einem Halten des Unglücksraben zu Fall gebracht wurde und den anschließenden Siebenmeter verwandelte.
„Es ist schmerzhaft. Ich möchte mich einfach entschuldigen, das sollte nicht passieren“, sagte Reinkind gegenüber dem übertragenden Sender TV 2.
Röd muss verletzt abreisen
Teamkollege Göran Johannessen lenkte die Kritik allerdings auf die ganze Mannschaft und erklärte: „Wir liegen drei Minuten vor Schluss mit drei Toren vorne. Dann machen wir viele dumme Sachen. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen.“
Laut Johannessen habe man sich nun in eine schwierige Situation gebracht. Zu allem Übel hatte sich Rückraum-Star Magnus Röd in der Halbzeit eine Verletzung zugezogen.
Am Sonntag wurde bekannt, dass es sich um eine Fraktur im rechten Fuß handelt. Im Verlauf der Europameisterschaft wird Röd deshalb nicht mehr zum Einsatz kommen.
„Normalerweise wird ein Sportler nach einer solchen Verletzung operiert. In diesem Fall sprechen wir von einer Rehabilitationszeit von etwa zwölf Wochen“, bestätigte Nationalmannschaftsarzt Thomas Torgalsen laut dem norwegischen Handballverband.
Norwegen erfährt unverhofftes Déjà-vu
Es ist nicht das erste Mal, dass Norwegen in den letzten Sekunden ein wichtiges Spiel aus der Hand gegeben hat. Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr traf es die Skandinavier gar noch bitterer.
Nach zweimaliger Verlängerung unterlagen die Norweger im Viertelfinale des Turniers gegen Spanien mit 34:35. „Damals fühlte sich Kristian Björnsen als der Schuldige“, blickt TV 2 zurück.
Björnsen bekam drei Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit einen Rückpass abgepfiffen und ermöglichte den Spaniern den Buzzerbeater zur Verlängerung.
„Es ist wieder passiert. Es ist das Gespenst von Spanien. Wie haben wir das geschafft?“, geriet Kommentator Daniel Höglund nach der EM-Pleite gegen die Färinger in Ekstase.