Mit 14 Paraden und einer unglaublichen Quote von fast 61 Prozent hatte Andreas Wolff beim Weltrekordspiel in der Düsseldorf Arena für eine absolute Show gesorgt. Nicht zuletzt wegen seiner Leistung bezwang Deutschland die Schweiz klar mit 27:14.
Der Held, der von der Bank kam
Für viele Fans stand nach der Partie schon fest: Eine solche Torhüter-Show wird es bei dieser EM in Deutschland so schnell nicht mehr geben. Doch mit ihrer Einschätzung sollten sie sich irren.
Am zweiten Turnier-Tag stellte Emil Nielsen ebenfalls seine ganze Klasse unter Beweis und mit 13 Paraden bei einer unfassbaren Quote von über 72 (!) Prozent den deutschen Keeper in den Schatten.
„Nicht von dieser Welt!“ Lobeshymnen auf Dänen-Star
„So wie er heute performt hat, ist einfach unglaublich“, sagte im Anschluss Simon Pytlick gegenüber SPORT1. „Emil Nielsen ist nicht von dieser Welt“, schwärmte auch Handball-Experte Rasmus Boysen auf X.
Die dänische Presse überschlug sich ebenfalls mit Lobeshymnen. „Es war eine historische Leistung“, sagte Bent Nyegaard, Handball-Experte beim dänischen TV-Sender TV2. Für das Ekstra Bladet war der Keeper „eine Klasse für sich“.
Im Gegensatz steht dazu die Ausführung von Nationaltrainer Nikolaj Jakobsen. „Wenn dein Keeper fast die gesamte zweite Halbzeit über 70 Prozent steht, dann hast du eine sehr gute Chance, die Partie zu gewinnen“, sagte der einstige Bundesliga-Trainer fast schon nüchtern auf der Pressekonferenz.
Nielsen glänzt bereits beim FC Barcelona
Doch während diese Leistung für die große Öffentlichkeit aus dem Nichts kommt, ist Nielsen bereits längst im Reigen der Top-Keeper angekommen. „Er ist einfach einer der besten Handballtorhüter der Welt“, lobt Pytlick.
Der 27-Jährige aus der dänischen Stadt Aarhus verdient seit rund anderthalb Jahren sein Geld beim FC Barcelona und bildet dort ein Duo mit dem spanischen Torhüter-Star Gonzalo Perez de Vargas.
In diesem Jahr hat der Däne aber seinem Konkurrenten endgültig den Rang abgelaufen. Mit 35,04 Prozent hat er in der Champions League die zweitbeste Fangquote aller Keeper – nur Samir Bellahcene vom THW Kiel ist noch besser.
Eben jener THW wird das Torwart-Duo spätestens im Sommer 2025 sprengen, denn ab dann trägt Perez de Vargas das schwarz-weiße Trikot des deutschen Rekordmeisters. Angst und bange muss den Katalanen aber nicht werden, wenn Nielsen weiter solche Spiele zeigt.
Nielsen jahrelang nur Ersatz in Dänemark
Doch trotz dieser Klasse, die er zuvor auch drei Jahre lange beim französischen Top-Klub HBC Nantes unter Beweis gestellt hatte, musste der Däne lange auf sein erstes Spiel bei einer EM warten.
Schließlich ist die Konkurrenz auf seiner Position immens. Niklas Landin, Kevin Möller, Jannik Green – sie alle zählen zu den Besten ihres Fachs. Für Jakobsen ist es eine Luxus-Situation, die viele andere Nationaltrainer gerne hätten.
So musste Nielsen jahrelang zuschauen, wie Landin, Möller und auch Green die Erfolge mit der Nationalmannschaft einfuhren. Lediglich ein Spiel bei der WM in Ägypten 2021 stand bis zu der EM in seiner Vita. „Das zählt aber nicht“, sagte er zu SPORT1.
Dänen-Star gesteht: „War sehr nervös“
So gesehen hat er in München sein Debüt bei einem Großturnier gegeben. „Ich war sehr nervös“, gab er ganz offen zu. Kein Wunder, denn trotz seiner Erfahrung ist auch für ihn die Herausforderung einer EM ein komplett neues Erlebnis.
Zunächst nahm er auf der Bank Platz und musste mit ansehen, wie schwer sich seine Landsleute mit der vermeintlich leichten Aufgabe Tschechien taten. Die Offensive ließ zu viele Chancen liegen und auch Landin - immerhin zweimaliger Welttorwart im Handball - konnte sich trotz einer guten Abwehrleistung nur zweimal auszeichnen.
In der 25. Minute war es dann soweit. Jakobsen wollte mit Nielsen einen neuen Akzent setzen. „Ich hatte kein Gefühl, wie gut ich heute sein werde“, gestand Nielsen. Doch diese Nervosität, von der gesprochen hatte, war ihm nicht eine einzige Sekunde anzumerken.
„Es ist ein Ergebnis von harter Arbeit und Hingabe, aber auch von starker Defensivarbeit“, sagte Nielsen, dessen Dänen am Samstag (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER) gegen Griechenland ihr zweites Spiel bestreiten, ganz bescheiden. Anstatt über seine eigene Leistung zu reden, hob er lieber seine Vorderleute hervor, mit denen er „sehr glücklich“ gewesen ist.
Nielsen lobt DHB-Team
Ganz der Teamplayer also, wie es auch Wolff ist. Die beiden Top-Keeper standen sich bereits mehrfach in der Champions League gegenüber und lieferten sich bereits das ein oder andere hochkarätige Duell.
Ein weiteres könnte in den nächsten Wochen hinzukommen, wenn auch erst im Halbfinale oder gar im Endspiel. „Deutschland sah besser aus als gedacht. Sie wirkten sehr fokussiert und die Defensive mit Andi im Tor sah sehr gut aus“, sagt Nielsen über den Gastgeber.
Sollte es letztlich zu dieser Partie kommen, könnte es zu einem Privat-Duell der beiden Stars kommen – sofern nicht Landin dies unterbindet. „Am Ende ist es egal, wer der Matchwinner ist“, erläuterte Nielsen. Er lieferte aber beste Argumente, dass er bei der EM häufiger bei den Dänen zwischen den Pfosten stehen wird.