Viel wurde im Vorfeld des Turniers über die beachtlichen Qualitäten von Juri Knorr gesprochen. Der 23-Jährige von den Rhein-Neckar Löwen kann eine der prägenden Figuren dieser EM werden und war beim fulminanten 27:14-Sieg beim EM-Weltrekord gegen die Schweiz mit sechs Treffern bester deutscher Werfer.
Ein fast schon einzigartiger Spieler
Doch an seiner Seite weiß Knorr im linken Rückraum einen jungen Mann im gleichen Alter, der zum Auftakt ebenfalls überzeugte und sich die SPORT1-Note 1,5 verdiente: Julian Köster.
„Julian ist ein unfassbarer Spieler. Ich weiß nicht, ob es einen Spieler gibt, der bei seiner Größe diese Fähigkeiten hat“, erkannte Knorr in der Mixed Zone auf SPORT1-Nachfrage beim Gummersbacher eine selten gesehene Kombination.
Köster sei „unfassbar beweglich, schnell, super im Eins-gegen-eins. Er kann Sprungwürfe, Schlagwürfe und in der Abwehr auch noch alles verteidigen. Ein Wahnsinns-Spieler.“
Köster lässt Schmid verzweifeln: „Macht sehr viel Spaß“
In der Tat ist Köster nicht nur eine Waffe im Angriff, sondern besitzt Qualitäten auf der anderen Seite des Feldes, die für seine 23 Jahre fast schon erstaunlich sind. „Der Junge gehört schon jetzt zu den besten Abwehrspielern in der Welt“, sagte Trainer Alfred Gislason jüngst der Süddeutschen Zeitung.
Am Mittwochabend ließ der 2-Meter-Hüne im Verbund mit Innenblock-Partner Johannes Golla, Torhüter Andreas Wolff und den weiteren Kollegen mit Andy Schmid einen absoluten Ausnahmehandballer nicht zur Entfaltung kommen. „Uns wurden die Hosen ausgezogen“, sagte der bediente Schmid daher auch im SRF.
„Es ist immer gut, wenn wir die Gegner zur Verzweiflung bringen können. Das macht sehr viel Spaß“, meinte Köster, der bereits sein drittes Großturnier bestreitet, zu SPORT1: „Wenn ihnen wenige Lösungen einfallen und sie hart für die Tore arbeiten müssen.“
Köster „unfassbar komplett“
Drei Tore – der zweitbeste Wert im deutschen Team -, unzählige kluge Anspiele (drei Assists, DHB-Topwert) und starke Abwehraktionen (drei Blocks, ein Steal): Köster riss sein Team und die deutschen Fans von Beginn an mit.
Daher zeigte sich auch Timo Kastening begeistert.
„Er ist einer der wenigen deutschen Spieler, die so unfassbar komplett sind. Im Innenblock decken, vorne Entscheidungen treffen, im Zwei-gegen-zwei, im Gegenstoß, Überzahl – es gibt nichts, woran Julian arbeiten müsste, um noch viel besser zu werden“, schwärmte der Rechtsaußen.
Köster sei „für sein Alter unglaublich weit. Dazu richtig klar in der Rübe.“
Köster Kapitän bei Gummersbach
In die Lobeshymnen stimmten auch EM-Debütant Justus Fischer, der von Tränen in den Augen berichtete, und Philipp Weber ein.
„Durch seine Erfahrung beim letzten Turnier und als Kapitän bei Gummersbach bringt er einfach eine gewisse Ruhe rein. Er ist unglaublich stark in der Abwehr, ein sehr schlauer Abwehrspieler. Davon muss ich mir noch eine Scheibe abschneiden“, erklärte der 20 Jahre alte Fischer: „Er hat einen unglaublich hohen Spiel-IQ. Das zeigt er jedes Mal auf der Platte und bringt es uns Jungen in jedem Training bei.“
Und Weber, mit 31 Jahren erfahren, bezeichnete Köster als einen „super Jungen, ein fantastischer Spieler, der alles mitbringt im Innenblock und auch vorne. Er kann uns mit seinen einfachen Toren viel helfen, auch mit seiner Art und Weise, wie er Handball spielt.“
Der Magdeburger hob ebenfalls die erstaunliche Reife hervor: „Er ist mittlerweile ein gestandener, ein Führungsspieler, da geht es nicht darum, wie jung oder alt er ist. Er ist einfach ein sehr guter Spieler.“
Kösters Gänsehautmomente
Es ist ein rasanter Aufstieg vom Zweitligaspieler beim DHB-Debüt 2021 zum Hoffnungsträger zwei Jahre später. „In den vergangenen Jahren ist ziemlich viel passiert. Wenn ich das so Revue passieren lasse, ist das schon erstaunlich“, schilderte der 23-Jährige vor dem Turnier im Magazin Bock auf Handball.
Der Aufstieg gipfelte nun vorerst im außergewöhnlichen Auftakt-Auftritt vor Weltrekordkulisse.
„Ich hatte zwei Momente, die extrem in Erinnerung bleiben“, berichtete Köster: „Als wir zum Warmmachen rauskamen, ist das Stadiondach das erste Mal weggeflogen. Der zweite Moment war dann die Nationalhymne. Das waren große Gänsehautmomente.“
Die Erfüllung eines Traums rückt näher
Von diesen Momenten sollen noch einige folgen. Am besten in der Kölner Lanxess-Arena, in der die Hauptrunde und Finalspiele stattfinden – und die nur etwa zehn Bahnminuten von Kösters Wohnung entfernt liegt.
Gespielt hat er dort allerdings noch nie. Es ist ein Traum, den sich Köster im Januar erfüllen will. Schließlich habe er die Lanxess-Arena schon als Fan ausverkauft erlebt und wisse, „was dort für eine Stimmung entstehen kann“.
Sollten Köster und das DHB-Team die durch den Auftakterfolg endgültig entstandene Euphorie-Welle auch in den weiteren Vorrundenspielen gegen Nordmazedonien und Frankreich in Berlin reiten, wackeln bald die nächsten Hallendächer.
Erst in der Hauptstadt, dann in Köln.