Die deutsche Handball-Nationalmannschaft zählt bei der EM im eigenen Land zu den besten vier Mannschaften. Dieses Ergebnis ist ohne Frage als Erfolg zu werten.
Ein Erfolg mit Beigeschmack
Laut Johannes Golla gar ein „erfüllter Riesen-Traum“, der aufgrund erneuter Absagen von Leistungsträgern wie Hendrik Pekeler und Fabian Wiede im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten war, trotz der Unterstützung der Heimkulisse. Zumal Deutschland mit einer jungen Mannschaft mit mehreren EM-Debütanten angetreten ist.
Aber der vierte Platz, der nach der bitteren 31:34-Pleite im Bronzespiel gegen Schweden am Sonntag feststand, darf auch nicht über die Realität hinwegtäuschen.
Historische Minimalausbeute ist ein Zeichen
Denn Deutschland hat bei dieser EM genauso viele Spiele verloren wie gewonnen – dazu kam ein schmeichelhaftes Remis gegen Österreich dank starker Aufholjagd kurz vor Schluss.
Eine insgesamt dürftige Bilanz, die bei einer weniger ausgeglichenen Konstellation wie der deutschen Hauptrundengruppe wohl kaum zum Halbfinale gereicht hätte – schließlich war das DHB-Team das erste der Geschichte, das es mit fünf Punkten unter die letzten Vier geschafft hat. Deutschland verabschiedete sich mit drei Pleiten in Serie und ohne Olympia-Ticket aus dem Turnier.
„Wenn wir das Ziel haben wollen, in Zukunft öfter im Halbfinale zu stehen, dann müssen wir einfach über ein Turnier viel konstanter spielen, müssen wir öfter an unser Limit gehen“, sagte Golla: „Das war eigentlich nicht gut genug.“
(Noch) nicht Weltspitze
Und Deutschland war zwar Teil des Schlusskonzerts der Großen, aber von der Weltspitze doch weiterhin ein Stück weg. Das DHB-Team ärgerte Frankreich, Dänemark und Schweden, verlor aber gegen alle mit jeweils drei Toren.
Eine Weltklasse-Mannschaft bei einem Großturnier mal wieder zu schlagen, wie es sich Andreas Wolff vor dem Spiel um Platz drei erhofft hatte, hat Deutschland erneut nicht geschafft. Und: Die letzte Medaille wurde 2016 geholt - eine (zu) lange Zeit für den ambitionierten Verband.
Zur Realität gehört aber auch: Dass Deutschland noch ein Stück zur Weltspitze fehlt, ist nicht schlimm – und logisch! Schließlich ist die reine Qualität bei den drei Medaillenkandidaten einfach noch höher. Das zeigt sich in der Spitze, in der Breite und der Erfahrung, wie es auch Spieler und Trainer im Gespräch mit den Journalisten anmerkten.
Es sind Faktoren, die auch ein achter Mann auf der Tribüne nicht wettmachen kann. Doch es spricht viel dafür, dass sich mindestens bei Breite und Erfahrung der Abstand zu den Top-Nationen in den kommenden Jahren verkürzen wird.
Deutsche Zukunft weckt große Hoffnungen
Schließlich waren bereits bei der EM vier U21-Weltmeister im Einsatz, von denen vor allem Renars Uscins mit 13 (!) Treffern in den finalen zwei Partien zeigte, dass er schon für das höchste Niveau bereit ist. Doch auch Keeper David Späth, Nils Lichtlein und Justus Fischer sind Hoffnungsträger mit Blick auf die kommenden Jahre, vor allem aber auch das nächste Heimturnier: die WM 2027.
Mit Juri Knorr (23), Julian Köster (23) und Kapitän Johannes Golla (26) sind drei Stützen bis dahin noch gereifter und wahrscheinlich auch noch besser, auch weitere Leistungsträger sind noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen. Andreas Wolff kann auch mit 35 als Torwart ein großer Rückhalt sein.
Gislason will bleiben
Gut möglich, dass auch Bundestrainer Alfred Gislason bis 2027 an der Seitenlinie stehen wird, wenngleich der einst aufgrund der Umstände etwas irritierende Wechsel von Christian Prokop auf den Isländer bisher nicht den Erfolg herbeigeführt hat, den sich der DHB erhofft hatte.
„Wer auch immer sie weiter betreut, der wird sehr viel Spaß an dieser Mannschaft haben“, sagte Gislason, der gerne bleiben würde.
Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, die Zukunftsaussichten sind bestens: Das Halbfinale ist ein echter Mutmacher – solange er richtig eingeordnet wird.