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Champions League: Magdeburg-Spieler sind die größten Zwerge der Handball-Welt

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Champions League: Magdeburg-Spieler sind die größten Zwerge der Handball-Welt

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Die größten Zwerge der Handball-Welt

Der SC Magdeburg gewinnt sensationell die Champions League. Dahinter steckt mit Trainer Bennet Wiegert eine prägende Figur, die selbst den „Zwergenhandball“ und auch den Regen nicht fürchtet.
Der SC Magdeburg gewinnt die Handball-Champions-League in einem dramatischen Finale gegen den polnischen Spitzenklub Barlinek Industria Kielce mit 30:29 nach Verlängerung.
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Benjamin Zügner
Benjamin Zügner
Der SC Magdeburg gewinnt sensationell die Champions League. Dahinter steckt mit Trainer Bennet Wiegert eine prägende Figur, die selbst den „Zwergenhandball“ und auch den Regen nicht fürchtet.

Der SC Magdeburg wollte wieder zu ihnen gehören, zu den großen Jungs. So lautete das scheinbar unerreichbare Fernziel, das Trainer Bennet Wiegert 2016 zaghaft formuliert hatte.

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Damals gewannen die Sachsen-Anhalter aus heiterem Himmel den DHB-Pokal, ein Lichtblick inmitten turbulenter Jahre. Wiegerts Wortlaut beinhaltete dabei eine ironische Note, ein feines Gespür für Humor. Schließlich wurde ihm über viele Jahre immer wieder vorgeworfen, „Zwergenhandball“ zu fabrizieren, indem er zu viele kleine Spieler für die Positionen im Rückraum holte.

Doch die Kritiker sind spätestens seit dem imposanten Gewinn des Meistertitels in der vergangenen Saison verstummt. Längst schwärmen Experten, dass Magdeburgs Trainer mit seiner Denkweise eine Handball-Moderne eingeläutet hat. Und nun ist den Akteuren des SCM tatsächlich der ganz große Wurf gelungen. Sie gehören nicht nur zu den großen Jungs, fortan sind sie selbst die größten - quasi die Giganten der Handball-Welt - und haben die wertvollste Klubtrophäe in die eigene Stadt entführt.

Sensationell triumphierte der deutsche Vizemeister am Wochenende beim Final Four um die Champions League, setzte sich in zwei hochdramatischen Partien gegen die Großmächte vom FC Barcelona und aus Kielce durch.

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„Das ist ein Meilenstein“, freute sich der Erfolgscoach, nach dem Coup sagte er in einem noch tranceähnlichen Zustand: „Das werde ich nie begreifen.“

Wiegert gibt „jeden Tag alles für den Verein“

Vollkommen neu sind diese Emotionen für Wiegert nicht. Mit dem ostdeutschen Traditionsklub feierte er 2002 als Spieler schon einmal den Sieg in der Königsklasse. Weil er das Kunststück aber als erster deutscher Trainer überhaupt wiederholt hat, schließt sich der Kreis einer sportromantischen Geschichte.

Denn es gibt nicht viele Menschen, die das Gefühl des SCM stärker verkörpern und intensiver leben als der 41-Jährige. Wiegert wurde in der Bördestadt geboren, ist Magdeburger durch und durch, verbrachte seine gesamte Jugendzeit bei den Grün-Roten. „Wer Bennet kennt, der weiß, dass er jeden Tag alles für den Verein gibt“, erzählte Linksaußen Lukas Mertens SPORT1 bereits am Freitag.

Während seiner aktiven Spielerkarriere wechselte der frühere Linksaußen kurzzeitig zum Wilhelmshavener HV (2004-2006) und anschließend zum VfL Gummersbach (2006-2007). Ansonsten widmete sich der Sohn von Kreisläufer-Legende Ingolf Wiegert vollumfänglich dem frisch gebackenen Champions-League-Sieger. Seit 2015 hat er das Amt des Cheftrainers inne.

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Eigentlich wollte er das gar nicht, hatte zuvor nur Erfahrungen als Jugendkoordinator gesammelt. Doch Schritt für Schritt führte der Ex-Profi seinen Heimatklub zurück an die Weltspitze. Stets im Gepäck: eine simple Grundidee.

Schneller und attraktiver Handball sollte die Leute begeistern. Dazu suchten die Verantwortlichen Spieler aus, die perfekt ins System passten. Und das schon früh.

Wiegert: „Da steckt ein Plan dahinter“

So auch den MVP des Final Four, Gisli Kristjansson: Der 23-Jährige hat noch fünf weitere Jahre Vertragslaufzeit bei den Rot-Grünen. Nach dem Spiel sollte Wiegert erzählen, dass er am Finalmorgen ungläubig vor dem Isländer stand, als dieser ihn bat, nur einen Tag, nachdem er sich die Schulter ausgekugelt hatte, spielen zu dürfen.

Zeitig hatte Wiegert dessen Talent und Potenzial erkannt, einer der Weltgrößten zu werden. Auch zu Rückraumspieler Ómar Ingi Magnússon oder Kreisläufer Magnus Saugstrup pflegte Wiegert beizeiten eine Bindung. Eine Bindung, die spektakulären Transfers vorbeugte und das SCM-Puzzle allmählich komplettierte.

Seine Spielidee besteht seit 2016 darin, mit wendigen Profis möglichst viel Tempo zu entwickeln, um mit hoher Zweikampfstärke und Durchbrüchen in die Nahwurfzone zu kommen. Dort ist die Trefferquote bekanntlich deutlich höher als aus der Ferne. Den traditionellen Ansatz, dass die Spieler groß und gewichtig sein müssen, schob er beiseite. Erfolgreicher Handball sei nämlich eine Frage der Philosophie, betonte Wiegert unentwegt, aber schon auch eine des Geldes.

Dieses Konzept sei vor dem Hintergrund ökonomischer Zwangslagen in Magdeburg entstanden, sagte Wiegert. Man habe sich, anders als der THW Kiel, teure Rückraumstars schlicht nicht leisten können. Doch: „Da steckt ein Plan dahinter.“

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Jetzt angekommen im Konzert der Giganten

Ein Plan, der acht Jahre nach seiner Inthronisierung auf den Magdeburger Chefstuhl seine Vollendung fand.

Die Erinnerungen an den letzten Triumph in der Handball-Königsklasse 2002 sind bei Wiegert mittlerweile verblasst. „Ich war zu jung und habe das damals zu wenig wahrgenommen und wertgeschätzt. Man ist da sehr naiv als junger Spieler. Ich habe gedacht: ‚Okay, wir haben die Champions League gewonnen, mal sehen, wie viele Titel da noch kommen.‘ Aber so war es natürlich nicht“, sagte er noch vor dem Finalwochenende.

Nun fühlt sich der Erfolg „unwirklicher und viel intensiver an“, berichtete der 41-Jährige in der Mixed Zone nach dem Triumph. Dabei blicke er auch mit einem weinenden Auge zurück, ob des Todes eines polnischen Journalisten während des Finals, gar demütig entschuldigte er sich für den Freudentaumel seiner Mannschaft.

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Dass er „im Licht“ stehe, sei ihm nicht so genehm, eher sei das „fast ungerecht, weil da so viele andere Leute aus dem Staff dazugehören“.

Magdeburg auf Rathausbalkon vor tausenden Fans

In der größten Stunde des Magdeburger Handball-Dramas vergaß er trotz seiner Rolle als Cheftrainer, die natürlich mehr „Strahlkraft“ mit sich bringe, nie das Kollektiv. „Ich bin superstolz. Ich habe den Glauben gehabt, dass wir es machen können. Jeder hat hier Geschichte geschrieben!“

Auch ließ Wiegert, wie es seinem Kalkül entspricht, noch nachdenkliche Töne einfließen: „Ich weiß, wenn der Regen wiederkommt, habe auch ich keinen Schirm und bin da.“ Bewölkt war es zwar am frühen Montagabend, als sich die Mannschaft und der Trainerstab in das Goldene Buch der Stadt Magdeburg eintrugen und sich anschließend tausenden Fans auf dem Rathausbalkon präsentierten - aber der Regen blieb aus.

Eher strahlte noch die Sonne zwischen den Wolken hindurch. Auch in Bennet Wiegerts Gefühlslage kreisten warme Gedanken: „Es wird noch Wochen oder gar Monate dauern, alles zu realisieren, was an diesem Wochenende in Köln passiert ist. Ich werde das nie in meinem Leben vergessen.“