Kirsten Walter ist am Dienstagmorgen wieder am Münchner Flughafen gelandet. Wochen der chinesischen Hitze liegen hinter der Beachhandball-Nationalspielerin, gefühlt hätte es dort 85 Prozent Luftfeuchtigkeit gehabt, erzählt die 28-Jährige im Gespräch mit SPORT1. All das aber scheint vergessen. Denn Walter ist Weltmeisterin!
Dream Team ohne Olympia-Ticket
Abseits der breiten Öffentlichkeit statuierte die Nationalmannschaft der Frauen ein nächstes Exempel ihrer international unnachahmlichen Dominanz. Europameisterinnen 2021 und 2023, Gewinnerinnen der World Games 2022 sowie Weltmeisterinnen 2022 und 2024. Das Beach-Team ist ohne Zweifel die erfolgreichste Handball-Mannschaft Deutschlands!
Und nun folgt der Olympiasieg? Nein! Und das aus einem ganz einfachen Grund: Beachhandball ist nicht Teil der 32 vom IOC anerkannten Sportarten für Paris.
Ein entsprechender Antrag ist 2020 abgelehnt worden. „Zum Zeitpunkt der Entscheidung waren alle angespannt und die Enttäuschung schon wahnsinnig groß, weil das in meinen Augen DAS Sprungbrett für die Sportart gewesen wäre“, meint Walter rückblickend über den verwehrten Traum.
Um nun die Aufmerksamkeit zu steigern, wird im Rahmen der Olympischen Spiele in Paris vom 27. bis 29. Juli ein sogenanntes Showcase-Turnier ausgetragen. 32 Athletinnen treten in drei „All-Star“-Teams gegeneinander an. Als Test der Popularität bei Fans, bei Sponsoren, bei Interessierten.
Dabei hat der Beachhandball im Sand bereits einen prominenten Vorreiter: Beachvolleyball. Bei Olympia 1992 in Barcelona war die Sand-Alternative zum Hallen-Volleyball noch Demonstrationssportart, 1996 dann schon aufgenommen ins olympische Programm - und indes Zuschauermagnet.
„Da sind die Stadien oftmals voll am Strand, die Fans sind begeistert von der Sportart. So etwas wäre der ultimative Push für eine Sportart, Olympia ist schon die größte Chance. Wir ziehen da viele Vergleiche: Strand, Sonne. Man könnte es sogar fast in den gleichen Stadien spielen“, erklärt Walter bei SPORT1.
Abseits der WM? Der Alltag als Beachhandballerin
Argumente hätte der Beachhandball jedenfalls zur Genüge. Die zwei Halbzeiten à zehn Minuten haben eine attraktive Länge, besondere Würfe werden entsprechend belohnt. Ein „Spin-Shot“ (eine Spielerin dreht sich nach dem Absprung und vor dem Wurf um 360 Grad) und der Kempa-Trick werden doppelt bepunktet, auch wenn die Torhüterin hinausgeht und eine Feldspielerin als „Shooter“ gekennzeichnet hineinkommt, zählen deren Tore doppelt.
Nahezu in Perfektion zu bestaunen übrigens bei der zurückliegenden Weltmeisterschaft, auch wenn die deutsche Titelverteidigung beileibe kein Selbstläufer war. Einige Leistungsträgerinnen fielen in der Vorbereitung durch Kreuzbandrisse aus, der Co-Trainer musste bereits nach dem zweiten Turniertag aus persönlichen Gründen abreisen. „Wenn wir aus diesem Loch rauskommen, sind wir unser eigener Weltmeister“, hatte sich das Team bereits damals geschworen, verrät Walter.
Nach dem Erfolg über die argentinische Auswahl im Finale am Sonntag waren die deutschen Frauen dann tatsächlich erneut Weltmeisterinnen. Und nun? Viele kehren wieder in ihr reguläres Leben zurück. Walter hat noch einen regulären Job, denn „anders ist eine Wohnung in München und ein Auto, das ich brauche, um zum Training zu kommen, nicht zu stemmen“.
Seit Jahren keinen Privaturlaub gemacht
Auch einige ihrer neun Teamkolleginnen würden sich als Lehrerinnen, Studentinnen und eine 17-Jährige gar noch als Schülerin im Alltag bewähren. Das müssten sie auch. Denn obwohl alle zwischen der ersten und dritten Liga auch im Hallen-Handball aktiv sind, sei der Finanzrahmen anders nicht zu stemmen.
„Es ist bis in die erste Liga nicht von Geld getrieben“, berichtet Walter, die laut eigener Aussage seit Jahren wegen der Beachhandball-Reisen keinen privaten Urlaub mehr gemacht hat. Zwar zahle der Deutsche Handball-Bund das „Komplettpaket“ von Flug, Unterkunft und Equipment bei großen Turnieren. Doch die Zeit ist der entscheidende Faktor, die Entlohnung „halt kein Fußball“.
Mit Blick auf Olympia bleibt nun, die Hallen-Handballerinnen zu unterstützen, die sich erstmals seit 16 Jahren wieder für Olympia qualifizieren konnten. Mit Katharina Filter steht die ehemalige Beachhandball-Nationaltorhüterin, die bei zahlreichen Triumphen seit 2021 mit dabei war, nun auch im Hallen-Kader von Bundestrainer Markus Gaugisch.
Beachhandball am Münchner Marienplatz?
„Da findet schon ein Austausch statt und sie hat uns viel Glück für die WM gewünscht“, erzählt Walter. Für sie bleibt die konstante Hoffnung, mehr Aufmerksamkeit auf die Sportart zu lenken, damit Spielerinnen „irgendwann auch mal sagen können: ‚Ich bin Beachhandball-Profi‘.“
Die 28-Jährige hat dafür zwei Ansätze: Zum einen könnten Spielerinnen wie ihre Co-Kapitänin Lucie-Marie Kretzschmar alleine durch den Namen Aufmerksamkeit auf den Sport lenken. Kretzschmars Vater Stefan ist eine deutsche Handball-Legende, der Sportvorstand der Füchse Berlin ist nach Walters Erfahrung auch Teilnehmern bei internationalen Turnieren im Sand ein Begriff.
Zudem könnten die Verantwortlichen ihrer Ansicht nach bereits in Deutschland anfangen, die Meisterrunde im August „in den Städten auszurichten, wo die breite Bevölkerung vorbeiläuft. Oder die EM oder WM wie im Beachvolleyball bei den European Games in München am Königsplatz auszurichten - oder gleich am Marienplatz“, schlägt Walter vor. Denn „dadurch bekommt man die Leute dazu, dass sie die Sportart kennenlernen“.