Diese Nachricht schlug am Dienstag so überraschend ein wie ein „Hole in One“ auf dem Golfplatz: Die drei größten Verbände im Golf-Sport, die altehrwürdige PGA-Tour aus den USA, die europäische DP World Tour und die von Saudi-Arabien finanzierte LIV-Tour fusionieren zu einer Einheit. Nach Abschluss der laufenden Saison bündeln die drei Lager, die sich bis vor Kurzem sogar vor Gericht anklagten, ihre Werbeeinnahmen, Turniere - und teilnehmenden Golfer.
„Gigantischer Sieg des Sportswashing“
Die internationale Presse überschlug sich angesichts dieser spektakulären Neuigkeit. „Es ist keine Übertreibung, vom verrücktesten Tag der Golf-Geschichte zu sprechen“, meinte etwa The Athletic.
„Der Tag, an dem sich Golf für immer veränderte“, titelte die britische Daily Mail sowie: „Saudi-Arabien kauft den Golf-Sport“. Ist das tatsächlich so einfach?
Nun ja: Seit dem LIV-Launch vor einem Jahr sprangen die weltbesten Golfer scharenweise von der PGA-Tour und der DP World Tour ab, um sich dem noch lukrativerem LIV-Kosmos anzuschließen.
Erst vor wenigen Wochen, im Mai 2023, hatte die europäische Liga 26 abtrünnige Golfprofis mit Geldstrafen von bis zu 115.000 Euro belegt, weil sie ohne Erlaubnis dem saudischen LIV-Format beitraten. In der Debütsaison der LIV spielten nur 16 der Top-100-Golfer der Weltrangliste mindestens ein LIV-Turnier, doch sieben von zehn Profis auf der Forbes-Liste der zehn reichsten Golfer der Welt sind bereits Teil des saudischen Golf-Konstrukts.
Saudi-Arabiens LIV: Donald Trump verdient beim Golf mit
Eine Rechnung, die zeigt, wie lukrativ die LIV-Liga auch für die erweiterte Spitze des Sports ist. Der Gewinner jedes LIV-Turniers verdient vier Millionen Dollar Preisgeld. In der aktuellen LIV-Saison finden acht der 14 LIV-Turniere in den USA statt, die restlichen werden in Mexiko, Australien, Singapur, England, Spanienund Saudi Arabien ausgetragen.
Kontrovers: Drei der 14 LIV-Turniere finden auf Golfplätzen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump statt. Diese Geschäftsbeziehung war auch der New York Times einen Bericht wert, sie schrieb von „engen Beziehungen zwischen dem Spitzenkandidaten für die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2024″ und dem saudischen Staatsfond, der „hinter den Umwälzungen der Golfwelt“ stehe.
Der sonst eher trockene britische Guardian schrieb von einem „Kampf um die Seele des Golfsports auf den Fairways und in den Gerichtssälen, zwischen dem Nahen Osten und dem Westen, zwischen Ölgeld und bewährter Tradition.“ Dieser „erbitterte Bürgerkrieg“ des Golf-Sports habe nun ein jähes Ende gefunden. Dass die westliche PGA-Tour mit ihrem von Saudi-Arabien finanzierten Rivale LIV fusioniert, nennt der Guardian einen „gigantischen Sieg des Sportswashing“.
Sportswashing von Saudi-Arabien gegen alte Welt und altes Geld der PGA
Der englische Begriff „Sportswashing“ gilt als Staatsstrategie, die oft von aufstrebenden Ländern mit fragwürdigen Menschenrechten genutzt wird, um ihr internationales Ansehen aufzuhübschen. Durch Investitionen in den Sport (Manchester City - Abu Dhabi), und die Austragung von Groß-Events wie der Formel 1 (Bahrain), der Fußball-WM (Russland, Katar) oder den Olympischen Spielen (Beijing) soll die Weltöffentlichkeit von Missständen vor Ort abgelenkt werden.
Kulturell könnten die westliche PGA-Tour und die superreiche LIV-Tour aus dem Nahen Osten tatsächlich kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite die traditionelle PGA-Tour, deren Wurzeln bis in den Ersten Weltkrieg zurückreichen, die einst durch edle Schwarz-Weiß-Fotos bekannt wurde, und deren Highlight-Turnier in Augusta im US-Bundesstaat Georgia Jahr für Jahr von US-Promis aus Sport, Entertainment, Politik und Wirtschaft besucht wird (Bill Gates, Condoleezza Rice und Peyton Manning sind Stammgäste).
Auf der anderen Seite die saudische LIV-Tour, gegründet im Jahr 2022 und finanziert von Saudi-Arabiens Staatsfond, dem Public Investment Fund (PIF), bei dem auch Newcastle-Miteigentümerin Amanda Staveley entscheidend involviert ist. Der bisherige PGA-Commissioner Jay Monahan wird das neue Mega-Unternehmen leiten. Er sagte am Dienstag am Rande der Canadian Open in Toronto: „Mir ist klar, dass man mich einen Heuchler nennen wird. Ich akzeptiere diese Kritik, aber die Umstände ändern sich.“
Familienangehörige der 9/11-Opfer: „Saudische Agenten finanzieren den Golf“
Diese „veränderten Umständen“ sind wohl vor allem finanzieller Natur. Der amerikanische Nachrichtensender CNN schrieb am Tag der Bekanntgabe: „Dieser Deal bedeutet, dass die PGA-Tour - die auf dem Image des typisch amerikanischen Arnold Palmer aufgebaut wurde, der die amerikanischen Werte der Nachkriegszeit verkörperte - nun auf einem Haufen Geld ruht, das von dem Regime aufgebracht wurde.“
Und dann folgt im CNN-Artikel eine Vorwurfsliste an den saudischen Staat: der Auftragsmord am Washington-Post-Journalisten Jamal Kashoggi, die mangelhaften Frauenrechte im saudischen Königsreich, und die Beherbergung mehrerer 9/11-Terroristen, nachdem Saudi-Arabien die Heimat von 15 der 19 Flugzeugentführer des 11. September 2001 war.
Der Zusammenschluss „9/11 Families United“, der aus Familienangehörigen der Attentatsopfer besteht, verurteilte in einer Stellungnahme die „Heuchelei und Gier“ der PGA-Führung. Die Betroffenen seien ob der Fusion „schockiert und zutiefst beleidigt“, heißt es in dem Statement: „Saudische Agenten spielten eine Rolle bei den Terroranschlägen vom 11. September und finanzieren jetzt den gesamten professionellen Golfsport.“
Profis der PGA-Tour erfuhren es auf Twitter
Und was denken die Golf-Profis selbst? Vor der Bekanntgabe der Fusion waren auch sie tief gespalten. Auf der einen Seite die Verteidiger der alten Golf-Garde, geleitet von Tiger Woods und Rory McIlroy. Auf der anderen Seite die Golfer, die dem Ruf des arabischen Geldes folgten, unter ihnen auch der deutsche Spitzenmann Martin Kaymer.
Doch bevor die Golfverbände ihre historischen News verbreiteten, vergaßen sie offenbar, ihre Spieler zu informieren.
„Es gibt nichts Schöneres, als über Twitter zu erfahren, dass wir mit einer Tour fusionieren, von der wir gesagt haben, dass wir das nie tun würden“, schrieb der Weltranglisten-67. MacKenzie Hughes.
Der amerikanische PGA-Tour-Golfer Wesley Bryan wählte ähnlich ironische Worte wie sein kanadischer Kollege Hughes: „Ich liebe es, Informationen auf Twitter zu finden. Das ist großartig. Ihr solltet euch schämen und habt eine Menge Fragen zu beantworten,“ postete Bryan als Antwort auf einen offiziellen Tweet der PGA-Tour.