Gianni Infantino inszenierte sich dieser Tage besonders gerne an der Seite der Mächtigen. Von Donald Trump ließ sich der FIFA-Boss jüngst in Miami als „Gewinner“ feiern, am Wochenende stolzierte er dann auch noch in Paris bei der Wiedereröffnung von Notre-Dame an der Seite von Emmanuel Macron oder Elon Musk umher.
Alleinherrscher? Das System Infantino
Natürlich, so lautet wohl die Botschaft, spielt der Präsident des Fußball-Weltverbands ganz staatsmännisch auf den größten Bühnen mit.
Umso erstaunlicher wirkte zunächst der Rahmen, den der Schweizer für eine der weitreichendsten Entscheidungen im Weltfußball gewählt hat. Kein pompöser Saal, keine große Show, nein, bei einem digitalen Kongress wurde am Mittwoch vergleichsweise unspektakulär das bestätigt, was längst alle wussten: die WM-Vergabe 2034 an Saudi-Arabien.
Infantino, der Alleinherrscher
Und doch passte diese „kleine“ Bühne genau in das System eines Mannes, der im FIFA-Kosmos schon lange als Alleinherrscher auftritt.
Eigentlich, so war es auch wegen der skandalumwitterten Doppelvergabe an Russland und Katar beschlossen worden, sollte über den WM-Ausrichter im Kongress abgestimmt werden. Doch nach einer Reihe von Beschlüssen im FIFA-Council winkte die Versammlung der 211 Mitgliedsverbände - auf bizarre Weise per Applaus - nur noch das durch, was Infantino Kritikern zufolge in Hinterzimmern längst geschickt eingefädelt hat.
Die Verbandschefs der nationalen Verbände, also auch DFB-Präsident und Council-Mitglied Bernd Neuendorf, müssten das akzeptieren, was Infantino ihnen sage. „Sie können sich nicht öffentlich gegen den Präsidenten stellen, weil sie oder ihr Verband sonst politisch abgestraft werden“, sagte Miguel Maduro, früherer Governance-Chef der FIFA, der Sportschau: „Davor fürchten sie sich. Und das schafft ein System der Kontrolle, gerade bei Abstimmungen.“
Doppelvergabe als Freifahrtsschein für Saudi-Arabien
Infantinos Vorgänger Joseph S. Blatter sagte über seinen Landsmann, dass er die Geldmaschine immer mehr anheizt. In diesem Kontext werden auch die einstimmig getroffenen Entscheidungen des Councils um Infantino gesehen, die Saudi-Arabien als einzigen Bewerber für das Turnier in zehn Jahren hervorgebracht haben.
Sei es die Drei-Kontinente-WM 2030 in Spanien, Portugal und Marokko sowie in Uruguay, Paraguay und Argentinien, die nahezu alle möglichen Ausrichter aus dem Spiel nahm, oder auch das beschleunigte Vergabeverfahren. Die FIFA beteueret dem Spiegel zufolge, dass die Auswahl durch „ein offenes, transparentes Ausschreibungsverfahren“ erfolgt sei.
Infantino, sagte Philosoph Gunter Gebauer der NZZ aber zu Beginn des Jahres, hänge „wie eine Marionette an den Fäden der Saudis“. Über den staatlichen Öl-Konzern Aramco pumpt Saudi-Arabien seit diesem Jahr gewaltige Summen in den Weltverband. Offen ist, welche Rolle das schwerreiche Königreich rund um die Klub-WM angesichts der lange stockenden Vermarktung der FIFA spielt.
„Kann für immer an der Macht bleiben“
Seit Infantinos Amtsantritt 2016 nutze der Weltverband das Geld etwa, um „die politische Unterstützung der Mitgliedsverbände zu kaufen“, schrieb die Organisation Fair Square kürzlich in einem Bericht - mit der Schlussfolgerung, dass die FIFA nicht regierungsfähig sei und umfassend reformiert werden sollte.
Die Macht ihrer mächtigsten Funktionäre sei „in einem Modell der Klientelwirtschaft verwurzelt“. Dazu kommt unter Infantinos Präsidentschaft eine deutliche Erhöhung der Zahl an FIFA-Kommissionen, so lassen sich mehr Posten an Funktionäre verteilen.
Wer dieses System kontrolliere, „kann im Grunde für immer an der Macht bleiben“, sagte Maduro. Infantino, der auch schon im Fokus der Schweizer Ermittlungsbehörden gestanden hatte, könnte aufgrund einer Statutenänderung vor zwei Jahren länger als bislang angenommen bis 2031 an der FIFA-Spitze regieren - und damit zwangsläufig auch weiter auf den Bühnen der Mächtigen mitspielen.