Niemand wird diese Blicke je vergessen können.
Wie Messi die Vergangenheit besiegte
Als Lionel Messi am 13. Juli 2014 nach der 0:1-Niederlage gegen die deutsche Nationalmannschaft am WM-Pokal vorbeischlich, wirkte der sonst so gut gelaunte Superstar wie ein gebrochener Mann. (NEWS: Alles Wichtige zur WM)
Mit gesenktem Kopf, die Augen trüb, nahm der Argentinier die Medaille für den Spieler des Turniers entgegen, neben ihm DFB-Keeper Manuel Neuer, der als bester Torhüter ausgezeichnet worden war. (DATEN: Gruppen und Tabellen der WM)
Nur einmal hob Messi den Blick, schaute auf das, was ihm an jenem Sommertag verwehrt geblieben war, und nicht wenige hatten Mitleid mit dem kleinen Mann, der die Welt so oft verzaubert hatte.
Achteinhalb Jahre später – am 18. Dezember 2022 – ist mit diesem Mitleid nun endgültig Schluss. Messi hat es geschafft, der 35-Jährige steht am höchsten Platz, der denkbar scheint, so weit oben, wie vielleicht nie ein Fußballer, vielleicht nie ein Sportler gewesen ist.
Messi: „Es ist wunderschön“
Messi ist Weltmeister, Messi hat den Titel wie einst Diego Maradona, möglich gemacht durch einen nervenaufreibenden Krimi-Sieg über Frankreich im WM-Finale von Katar. Messi ist – vielleicht – der Größte aller Zeiten. (Kommentar: Chef, ab in den Papierkorb mit dem Messi-Text!)
„Es ist beeindruckend, dass ich so abschließen kann“, sagte denn auch La Pulga, der trotzdem „noch ein paar Spiele als Weltmeister bestreiten“ wolle.
Er habe die WM-Krönung „herbeigesehnt, und jetzt ist es das Schönste, was es gibt. Es ist wunderschön“, sagte Messi weiter.
Der 172-malige Nationalspieler stellte am Sonntag so viele neue Rekorde auf, dass es müßig wäre, sie wieder alle aufzuschreiben. Was an diesem historischen Abend übrig bleibt, ist ohnehin mehr ein Gefühl denn eine Reihe von Zahlen oder Fakten. (DATEN: WM-Spielplan 2022)
„Ich habe immer noch Gänsehaut, es hatte alles, was Fußball ausmacht. Ein verdienter Weltmeister mit Argentinien. Das Fußballmärchen hätte für Messi nicht schöner geschrieben werden können“, erklärte Magenta-Experte Michael Ballack.
Und ARD-Kollege Bastian Schweinsteiger stimmte ein: „Ich freue mich sehr für ihn: Dass diese Fußballromantik eine tolle Geschichte geschrieben hat, dass er sich mit so einem Spiel hat krönen lassen.“
Messi von Frankreich kaum zu bremsen
Und Messi ließ sich wahrhaft krönen – beziehungsweise: Er krönte sich selbst. Der WM-Rekordspieler war für die französische Mannschaft nicht zu fassen, spielte, wie er wollte, war überall zu finden – ganz so, als sei er noch mal 27, damals, als es gegen Deutschland so schrecklich schiefgegangen war, obwohl der Zauberer alles gegeben hatte.
An diesem Abend in Doha ging es besser aus: Messi traf per Foulelfmeter zur Führung, leitete noch vor der Halbzeit das 2:0 ein. (News: Messi pulverisiert Rekorde)
Nach dem Ausgleich der Franzosen ließ sich Messi nicht beirren, spielte weiter, tanzte, kämpfte – und schoss das nächste Tor, das 3:2, das aber immer noch nicht genug war.
Doch der PSG-Star übernahm wieder Verantwortung, verwandelte den ersten Elfmeter für Argentinien derart eiskalt, dass manch einem Zuschauer das Blut in den Adern gefroren sein mag. Wenige Minuten später versank ein ganzes Land in Ekstase.
Trainer will Messi weiter im Nationalteam sehen
„Es ist einfach unglaublich. Ich wusste, dass Gott mir den Pokal geben würde, ich war sicher. Es ist eine große Freude für uns“, sagte Messi bei Tyc Sports.
Dass er weitermachen will, freut derweil auch Nationalcoach Lionel Scaloni.
„Wir müssen ihm einen Platz offenhalten bei der nächsten WM 2026. Wenn er möchte, ist er dabei. Er wird immer das Recht haben zu sagen, ob er für Argentinien spielen möchte oder nicht“, sagte der 44-Jährige. (NEWS: Historischer Mbappé-Wahnsinn)
Es sei eine Ehre, „ihn trainieren zu dürfen. Es sucht seinesgleichen, was er seinen Mitspielern gibt, so was habe ich noch nie erlebt“.
Wie wichtig Messi für die Mannschaft ist, hatte bereits „Bodyguard“ Rodrigo de Paul vor einigen Tagen klargemacht.
„Wir spielen für das Trikot, aber wir spielen auch für ihn“, erklärte der 28-Jährige nach dem Sieg über die Niederlande im Viertelfinale.
Anderthalb Wochen später zeigt sich, wie diese Mentalität aufgegangen ist. Argentinien ist Weltmeister und zusammen tanzen sie, auf dem Feld, in der Kabine und in der Mixed Zone - Messi und der Pokal immer mittendrin, dass es fast schwerfällt sich vorzustellen, wie geknickt der Ausnahmespieler im Juli 2014 war.
Wie er – mit gesenktem Kopf und trübem Blick – an der Trophäe vorbeiging.
Manche Dinge geraten eben doch in Vergessenheit.