Als Mohamed Salah zum Strafstoß anlaufen will, sieht er fast so aus, wie man sich ein Marsmännchen vorstellt. Sein Gesicht ist von einer hellgrünen Farbe überzogen, es flackert wie wild um seine Augen herum.
Die tragische Saison eines Überfliegers
Viele einheimische Fans im Stade du Senegal haben sich offenbar mit einem Laserpointer bewaffnet und versuchen, den Liverpool-Star zu blenden und damit aus der Fassung zu bringen.
Der ägyptische Kapitän schließt die Augen und versucht sich zu konzentrieren. Er ist der erste Schütze des Elfmeterschießens beim WM-Quali-Finale gegen Senegal.
Salah läuft an und knallt den Ball mit dem linken Vollspann über die Latte. Ausgerechnet Salah, ansonsten ein sicherer Elfmeterschütze, hat die Nerven verloren. In seiner Karriere hatte er zuvor nur fünf von 32 Strafstößen verschossen. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der WM-Qualifikation)
Warum die Laserpoint-Attacken vom algerischen Schiedsrichter Mustapha Ghorbal nicht geahndet wurden, ist ungewiss. DFB-Regelexperte Lutz Wagner erklärte bei SPORT1, dass es der Referee durchaus die Möglichkeit gehabt habe einzuschreiten.
Duplizität der Ereignisse
„Dann würde ein Drei-Stufen-Plan in Kraft treten“, erklärt der frühere Bundesliga-Schiedsrichter, was in einem solchen Fall zu tun ist.
„Stufe eins: Ich hole die Spielführer zusammen und veranlasse eine Lautsprecher-Durchsage. Wenn das nicht funktioniert, gehen das Schiedsrichter-Team und die Mannschaften vom Platz und machen den Zuschauern klar: ‚So nicht!‘, und gebe dem gastgebenden Verein Zeit zum Handeln. Stufe drei ist: Wenn wieder angepfiffen wird und es passiert wieder etwas, dann würde der Spielabbruch stehen.“
Weil Salah sich beim Unparteiischen offenbar nicht beschwerte und auch zwei seiner Teamkollegen patzten (nur Amr El Solia verwandelte seinen Strafstoß), verlor Ägypten das Elfmeterschießen mit 1:3 - und damit auch die WM-Fahrkarte nach Katar.
Sadio Mané, Salahs Sturmkollege in Liverpool, verwandelte den letzten Strafstoß und stieß damit seinen Vereinskameraden ins Tal der Tränen.
Bittere Pointe: Jener Mané hatte bereits vor zweieinhalb Monaten den letzten Elfmeter verwandelt, als sich der Senegal und Ägypten im Finale des Afrika-Cups gegenüber standen. Und schon damals waren es die Westafrikaner, die am Ende jubelten.
Ägyptischer Verband beschwert sich
Salah war schon in jenen Januartagen der tragische Held. Der 29-Jährige, als fünfter Schütze auserkoren, kam nicht zum Zuge, weil seine Teamkameraden schon vorher gepatzt hatten.
Dieses Mal verschoss er selbst - doch angesichts der Laser-Attacke bleibt ein bitterer Nachgeschmack. (DATEN: Tabellen der WM-Qualifikation)
Und nicht nur das: Der ägyptische Fußballverband (EFA) postete auf seinem offiziellen Instagram-Account Bilder von eingeschlagenen Scheiben des Mannschaftsbusses, zudem wurde ein Senegal-Fan gezeigt, der ein Schild mit Beschimpfungen gegen Salah, der unter Geleitschutz vor Flaschenwürfen in die Katakomben flüchtete, hielt. Die EFA sprach in einer offiziellen Mitteilung sogar von Rassismus auf den Tribünen und kündigte eine Beschwerde beim afrikanischen Verband CAF und auch beim Weltverband FIFA an.
Zweite WM-Teilnahme bleibt für Salah ein Traum
Salah, der Stolz einer ganzen Nation, wollte das „Team der Pharaonen“ zum zweiten Mal in Folge zu einer Weltmeisterschaft führen. Vor vier Jahren in Russland hatte er es noch geschafft, damals scheiterte Ägypten allerdings in der Gruppenphase.
Jetzt also das bittere Aus im Elfmeterschießen - der vorläufige und negative Höhepunkt einer von Rückschlägen gepflasterten Saison. Das Bizarre daran: Salah zeigt sich konstant in Topform und hat bereits 28 Pflichtspieltore auf seinem Saisonkonto. In der Premier League liegt er mit Liverpool in Schlagdistanz zu Spitzenreiter Manchester City.
Ballon d‘Or: Salah „schockiert“
Und obwohl die Reds zudem noch in allen Pokalwettbewerben vertreten sind und den League Cup sogar schon gewonnen haben, besteht die Gefahr, dass der ägyptische Edelstürmer die laufende Saison am Ende als gescheitert abhaken könnte.
Einer der Gründe liegt vier Monate zurück: Beim Ballon d‘Or wurde Salah im November trotz seines überragenden Jahres nur auf den siebten Platz gewählt.
Noch drei Monate später hatte er daran zu kauen, als dem ägyptischen TV-Sender DMC verriet, es habe ihn „schockiert“. Niemand auf der Welt habe gedacht, dass er derart abgespeist werde, beklagte er damals.
Zudem liegt seine Zukunft weiterhin im Unklaren. Salahs Liverpool-Vertrag endet im Sommer 2023, eine Verlängerung ist längst nicht ausgemacht. Der Angreifer hofft auf einen Gehaltssprung, doch der Klub scheint die Forderungen von Salahs Manager Ramy Abbas zu ignorieren.
Bleibt Salah in Liverpool?
Mitte März hatte Abbas bei Twitter einen kryptischen Post mit sieben Tränen lachenden Smileys abgesetzt, der von Teilen der englischen Medien als Reaktion auf das Liverpooler Angebot gedeutet wurde.
Nachdem die Vertragsgespräche nun schon längere Zeit stocken, meldete sich der frühere Liverpool-Star El-Hadji Diouf zu Wort und behauptete, dass Salah nur deswegen weniger Gehalt bekäme, weil er aus Ägypten komme.
„Salah muss verstehen, dass er Afrikaner ist. Er wird niemals das bezahlt bekommen, was er bekäme, wenn er Europäer wäre“, sagte Diouf bei beIN SPORTS.
Ob der Super-Stürmer die Reds tatsächlich verlassen wird, ist offen. Genauso wie die weitere Saison, die vielleicht doch noch ein Happy End für Mohamed Salah bereithält - wenn auch nicht im Nationalteam. „Ich bin sicher, dass er die Enttäuschung für den Rest der Saison in Erfolg umwandeln wird. Wir haben noch viel vor uns, es gibt für ihn noch eine Menge zu erreichen“, sagte Star-Verteidiger Virgil van Dijk laut englischen Medien.