Es wirkte am Ende wie eine Verzweiflungstat. Mit der Einwechslung der Debütanten Killian Sardella (22) und Norman Bassette (20) versuchte Domenico Tedesco im Nebel von Budapest kurz vor Ablauf der Nachspielzeit noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Kurz darauf war Schluss. Und die 0:1-Blamage der belgischen Nationalmannschaft gegen Israel stand damit fest.
Vernichtende Kritik an Tedesco
Bittere Pointe: Den entscheidenden Treffer durch Yarden Shua (86.) leitete mit Matte Smets ein weiterer Debütant ein, der 20-Jährige spielte am eigenen Strafraum einen haarsträubenden Fehlpass. Tedescos Versuche, den dringend benötigten Umbruch der „goldenen Generation“ des ewigen Geheimfavoriten zu vollziehen, verkommen somit zu Sinnbildern einer sich weiter verschärfenden sportlichen Krise.
Und Tedesco rückt zunehmend in den Fokus der Kritik. „Wenn mich die Leute anhand dieser Länderspielperiode mit 21 verletzten Spielern beurteilen, dann ist es, wie es ist“, gab sich der 39-Jährige beim belgischen Fernsehsender VTM trotzig. Er sei weiterhin davon überzeugt, auch bei den nächsten Länderspielen im März für Belgien an der Seitenlinie zu stehen.
Belgiens Horrorbilanz! Tedesco zunehmend in der Kritik
Dann geht es für die „Roten Teufel“ darum, in der Relegation den Abstieg aus der Liga A der Nations League zu verhindern. Doch die Zweifel, ob Tedesco angesichts einer Horrorbilanz im Kalenderjahr 2024 noch der Richtige für diesen Job ist, wachsen.
Gerade einmal 4 von 14 Partien gewann Belgien in diesem Jahr unter der Regie des früheren Schalke-Trainers - gegen Montenegro, Luxemburg, Rumänien und einmal gegen Israel. Das war beim Auftakt der Nations League im September, seither setzte es vier Niederlagen in fünf Spielen.
„Sorry, aber damit gibt man als Nummer sechs der Welt eine schlechte Figur ab“, sagte der frühere Nationalspieler Marc Degryse als Experte bei VTM. „Überall auf der Welt würde man das kritisieren. Da sind wir hier noch vorsichtig.“
Tedesco für Ex-Belgien-Star nicht mehr tragbar
Die schlechten Ergebnisse sind aber nur ein Teil der Krise. Es sei die Summe der Dinge, die Tedesco nicht mehr tragbar mache, ergänzte Degryse.
„Erst der Konflikt mit Thibaut Courtois, dann die gescheiterte Europameisterschaft. Dann Kevin De Bruyne, der nach dem Frankreich-Spiel nicht nur seine Teamkollegen, sondern auch Tedesco kritisiert hat. Er fand, dass wir zu defensiv gespielt haben und dass es taktisch nicht gut war“, zählte Degryse die Konflikte auf.
Schlammschlacht mit Courtois – Wirbel um De Bruyne
Courtois und Tedesco lieferten sich über Monate hinweg eine öffentliche Schlammschlacht. Auslöser war ein Zoff um die Kapitänsbinde im Juni 2023. Im August dieses Jahres erklärte Courtois, der zwischenzeitlich wegen eines Kreuzbandrisses lange ausgefallen war, schließlich, dass er unter Tedesco nicht mehr für die belgische Nationalmannschaft spielen werde.
Auch De Bruyne sorgte am Rande des erwähnten Frankreich-Spiels im September (0:2) für ähnlichen Wirbel. Ein Video-Clip einer hitzigen Diskussion mit Belgiens scheidendem Sportdirektor Frank Vercauteren ging viral und löste Spekulationen um De Bruynes Rücktritt aus. „Ich höre auf. Ich höre auf“, soll De Bruyne dabei gesagt haben.
Seither bestritt der Mittelfeldstar von Manchester City kein Länderspiel mehr – allerdings verletzungsbedingt. Vor der Partie gegen Israel meldete sich auch Romelu Lukaku wegen Knieproblemen ab, nachdem er zuvor beim 0:1 gegen Italien noch die vollen 90 Minuten absolviert hatte.
Tedesco? „Zu viele seltsame Wendungen in seinem Kopf“
„Unter ihm entscheiden die wichtigen Spieler selbst, ob sie mitmachen oder nicht“, warf Degryse Tedesco vor. Sein knallhartes Urteil lautete: „Es gibt zu viele seltsame Wendungen in seinem Kopf. Jetzt braucht man jemanden, der wirklich die Richtung vorgibt und alle mit ins Boot holt. Ich glaube nicht, dass Tedesco das kann.“
Gestartet war Tedesco im Februar 2023 mit einer Erfolgsserie von 14 ungeschlagenen Spielen in Folge. Die Serie riss beim 0:1 zum EM-Auftakt gegen die Slowakei. Spätestens nach dem mauen 0:0 gegen die Ukraine, mit dem sich Belgien in die K.o.-Runde mühte, entlud sich auch der Frust der Fans über die biederen Darbietungen in Form von Pfiffen.
Das Aus im Achtelfinale gegen Frankreich bedeutete die nächste herbe Enttäuschung. Schon damals stand Tedesco, dessen Vertrag erst im März bis zur WM 2026 verlängert worden war, am Pranger. „Ruhmlos ausgeschieden“, kommentierte die Zeitung Het Laatste Nieuws damals.
Nach der Blamage am Sonntagabend schrieb HLN nun vom „absoluten Tiefpunkt seit mehr als zehn Jahren“. Und angesichts dieses Gesamtbildes der belgischen Nationalmannschaft gehen Trainer Tedesco allmählich auch die Argumente aus.