Es gibt bekanntlich Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Die letzten anderthalb Jahre von Sandro Tonali dürften eine solche sein. Als Königstransfer wechselte der damals 23-Jährige im Sommer 2023 für eine Ablösesumme von fast 60 Millionen Euro von der AC Milan zu Newcastle United. Ohne zu ahnen, dass die kommende Saison die Schlimmste seiner noch jungen Karriere werden sollte. Und das auch noch komplett selbstverschuldet.
Vom Sünder zum Helden
Aufgrund eines großen Wettskandals wurde der Mittelfeldspieler fast ein ganzes Jahr lang gesperrt, verpasste unter anderem die Europameisterschaft in Deutschland. Er begab sich selbst in Therapie, unwissend wie es mit seiner Karriere weitergeht. Seit dem 28. August 2024 und nach einer Pause von 308 Tagen ist er wieder zurück. In Newcastle, aber auch in der italienischen Nationalmannschaft, wo man ihn trotz seiner Vergangenheit als Wett-Sünder jetzt als Helden feiert.
Italien feiert Tonali
„Tonali macht Italien glücklich“, titelte die Gazzetta dello Sport, nachdem der inzwischen 24-Jährige die Azzurri mit seinem entscheidenden ersten Treffer nach seiner Sperre wegen unerlaubten Glücksspiels zum 1:0-Sieg gegen Belgien geschossen hatte.
Diese pure italienische Freude bezog sich allerdings dabei nicht nur auf das Schicksal Tonalis, sondern vielmehr auf das Schicksal der gesamten italienischen Nationalmannschaft. Denn im Sommer war der damalige Titelverteidiger von 2021 noch sang- und klanglos im Achtelfinale der Europameisterschaft gegen die Schweiz ausgeschieden.
Die EM als Tiefpunkt für Italien
Trainer Luciano Spaletti ließ von seinem Team uninspirierten Fußball spielen und stand deshalb, obwohl er erst 2023 als Nationaltrainer angefangen hatte, mit einem Bein schon vor seinem Aus.
Doch auch hier greift das Gesetz mit den besonderen Geschichten im Fußball. Denn die Presse feierte im Anschluss an den Belgien-Sieg auch den Trainer: „Viereinhalb Monate nach der bitteren Enttäuschung in Deutschland hat Spalletti die Nationalmannschaft in fünf Spielen wieder aufgebaut“, schrieb Corriere dello Sport. Italien feiert seine einst so geschundenen Hoffnungsträger.
Seit Tonalis Rückkehr läuft es wieder
Und das zu Recht, denn das Team hat sich bereits eine Runde vor Schluss für das Viertelfinale der UEFA Nations League qualifiziert. Mit dreizehn Punkten aus fünf Spielen grüßt die Squadra Azzurra in Gruppe 2 von der Tabellenspitze und das trotz prominenter Konkurrenz wie Belgien und Frankreich.
Gegen beide Teams konnte Italien seine Auswärtsspiele gewinnen. Beides Mal war Sandro Tonali maßgeblich am Erfolg beteiligt. Seit seiner Rückkehr in die Nationalmannschaft Anfang September glänzt der Mittelfeldstratege mit einer Übersicht und Spielfreude, die dem italienischen Spiel bei der EM so schmerzlich fehlte.
„In dieser Gruppe herrscht eine große Gelassenheit“
Und dann gelang ihm auch noch der entscheidende Siegtreffer, sein erstes Tor seit seiner Sperre vor mittlerweile 14 Monaten. Dazu auch noch das erste Tor im Nationaltrikot überhaupt.
„Es ist schön, ein Tor zu schießen und das erste Tor in der Nationalmannschaft zu erzielen, aber noch schöner ist es, so zu gewinnen: Wir haben gelitten, gespielt und gezeigt, dass wir jedes Spiel spielen wollen, wir leiden nicht darunter. In dieser Gruppe herrscht eine große Gelassenheit, jeder freut sich auf das nächste Treffen“, sagte der Newcastle-Profi in einem Interview mit Rai Sport nach dem Spiel.
Und auch sein Trainer zeigte sich nach dem Sieg und der Qualifikation für das Viertelfinale der Nations League zufrieden: „Wir haben gekämpft wie die Löwen. Wir sind mit der richtigen Einstellung auf den Platz gegangen und haben gezeigt, dass wir eine starke Mannschaft sind.“
„Botschaft einer wiedergeborenen Nationalmannschaft“
Ein Team, welches die Herzen bei den italienischen Fans wieder höher schlagen lässt. Die Gazzetta dello Sport schreibt in ihrem Spielfazit: „Eine weitere wichtige Botschaft einer wiedergeborenen Nationalmannschaft.“
Wie wiedergeboren dürfte sich auch Tonali selbst fühlen nach der langen Sperre. Der Mittelfeldspieler aus Newcastle formte nach seinem Treffer mit seinen Fingern den Buchstaben G, den seiner Freundin Giulia. Er hätte aber ebenso gut auch für ein anderes Wort stehen können, welches die vergangenen Monate gut zusammengefasst hätte: G wie Gewinner.