Buhrufe hallten lautstark durch das König-Baudouin-Stadion in Brüssel. Das Publikum war mit der erneut schwachen Leistung der belgischen Nationalmannschaft bei der 0:1-Pleite gegen Italien nicht einverstanden. Auch Nationaltrainer Domenico Tedesco wurde, nicht zum ersten Mal, von Experten hart in die Mangel genommen.

„Die Theorie von Tedesco mag richtig gewesen sein, aber die Praxis absolut nicht“, sagte der ehemalige belgische Fußballspieler und heutige Fernsehexperte Marc Degryse nach dem Spiel bei VTM: „Der Ansatz war schon so oft seltsam und hat sich nicht als der richtige erwiesen.“

„Die Trainer denken zu viel. Glauben Sie mir“

Der ehemalige niederländische Fußballer und heutige Autor, Jan Mulder, sah auch das Problem beim defensiven Spielansatz von Tedesco: „Nach der gescheiterten Europameisterschaft wollte er die Gegner an der Gurgel packen, aber das tut er jetzt nicht mehr. Warum passt man sich an und spielt so defensiv? Die Trainer denken zu viel. Glauben Sie mir.“

Tedesco in Belgien in der Kritik

Es ist nicht das erste Mal, dass Tedesco in Belgien in der Kritik steht. Besonders der Auftritt bei der Europameisterschaft im Sommer hat ihm viel Kredit bei Fans, Experten und Medien gekostet. Der große Umbruch der belgischen Mannschaft, nach vielen Jahren der „Goldenen Generation“, droht immer mehr zum Fiasko zu werden.

Die belgische Zeitung De Standaard urteilte nach dem Italien-Spiel, dass dies eines der „schlechtesten Spiele unter Domenico Tedesco“ gewesen sei.

In der Nations League Tabelle steht man abgeschlagen mit vier Punkten nach fünf Spielen hinter Frankreich (10 Punkte) und Italien (13 Punkte) auf dem dritten Tabellenplatz und wird somit das Viertelfinale verpassen. Beim letzten Spiel der Gruppenphase gegen Schlusslicht Israel am Sonntag (20:45 Uhr im LIVETICKER), geht es nun darum, nicht auch noch aus der Nations League abzusteigen.

Tedesco sauer: „Die Intensität hat völlig gefehlt“

Dementsprechend war auch die Laune von Tedesco selbst, als er sich nach dem Spiel mit einem tiefen Seufzer auf die Pressekonferenz setzte. „In den ersten 20 Minuten waren wir zu passiv“, sagte der 39-Jährige. „Die Intensität hat völlig gefehlt. Die war in den vorherigen Spielen vorhanden und das wissen wir. In der zweiten Halbzeit war es viel besser.“

Geholfen hat die Leistungssteigerung allerdings nicht mehr. Den schwachen Auftritt in der ersten Hälfte konnte sich Tedeso im Anschluss nur wie folgt erklären: „Wir haben mit vielen verschiedenen Spielern gespielt und ich habe ein anderes System gewählt. Abgesehen davon ist Italien einfach eine hervorragende Mannschaft. Vor allem im Spielaufbau sind sie stark.“

Der langjährige belgische Nationalspieler und heutige Kapitän von Royal Antwerpen, Toby Alderweireld, teilte Tedescos Gedanken nicht und kritisierte die Herangehensweise: „Dass man sich bei einem Auswärtsspiel anpasst, verstehe ich. Aber zu Hause muss man trotzdem versuchen, mehr zu bringen. Auch und vor allem Enthusiasmus. Es mag an Qualität fehlen, aber an Aggressivität nicht. Die Devils brauchen bald wieder ein gutes Ergebnis, damit alle wieder hinter ihnen stehen.“

Theate liefert sich Auseinandersetzung mit Teamkollege

Wie sehr die aktuelle Situation an der Mannschaft nagt, zeigte sich während des Spiels auf dem Rasen. Denn Arthur Theate, Verteidiger von Eintracht Frankfurt, und Mitspieler Wout Faes lieferten sich eine heftige Auseinandersetzung noch während der Partie.

Der Verteidiger von Leicester City zeigte seinen Unmut und wies Theate nach einer schlecht geklärten Flanke mit deutlichen Handzeichen darauf hin, dass er besser hätte verteidigen müssen. Das kam bei Theate gar nicht gut an, woraufhin er die Konfrontation mit Faes suchte. Faes, der sich bereits abgewandt hatte, erhielt einen harten Bodycheck in den Rücken.

„Es ist nicht gut für die Mannschaft, dass so etwas passiert“

„Es kam zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen zwei Mannschaftskameraden. Es ist nicht gut für die Mannschaft, dass so etwas passiert“, analysierte Alderweireld. Es brodelt also gewaltig im Team von Domenico Tedesco. Dieser zeigt sich nach Außen vor dem Israel-Spiel, entgegen jeglicher Tendenzen, dennoch weiterhin positiv: „Ich muss Änderungen vornehmen, denn es liegen nur zwei Tage dazwischen. Jeder wird alles geben, um mit einem Sieg nach Hause zu kommen.“

Unklar bleibt allerdings, ob ein Sieg in Israel und damit der Verbleib in der Nations League Gruppe A für den früheren Schalke-Trainer genug sein wird, um auch im neuen Jahr die Geschicke der belgischen Nationalmannschaft zu leiten.