Der Auftritt der Elftal bei der 0:1-Niederlage gegen Deutschland hat bei den niederländischen TV-Experten heftige Reaktionen hervorgerufen. Von Rafael van der Vaart über Pierre van Hoojdonk und Marco van Basten bis hin zu Ruud Gullit - sie alle ließen kein gutes Haar an der niederländischen Nationalmannschaft. Auch Bondscoach Ronald Koeman steht in der Kritik.
Experten zerlegen Oranje
„Ich schäme mich eigentlich nicht für die niederländische Mannschaft, aber heute schon“, sagte van der Vaart beim TV-Sender NOS. „Wir schreiben ihnen so viele Qualitäten zu, aber das ... Das passt überhaupt nicht zusammen. Man kann das analysieren, aber es geht einfach alles schief.“
Van Dijk wird schmerzlich vermisst
Insbesondere das Fehlen des gesperrten Kapitäns Virgil van Dijk habe sich in seinen Augen bemerkbar gemacht. „Dann zweifeln wir daran, dass wir Virgil van Dijk vermissen, natürlich vermisst man ihn. Schön und gut, Micky van de Ven, aber das ist nicht van Dijk“, ergänzte der frühere HSV-Star.
Auch Ex-Oranje-Star Ruud Gullit vermisste den Liverpool-Abwehrboss und dessen Ruhe. „Seine Gelassenheit ist das, was man haben muss. Das ist schön für alle. Jetzt war es chaotisch“, sagte Gullit bei Rondo.
Seiner Meinung nach hätte Koeman schon in der ersten Hälfte reagieren müssen. „Ich fand, dass es ziemlich lang gedauert hat, 45 Minuten. Warum macht man das nicht früher?“, kritisierte Gullit. Erst zur Pause reagierte der Bondscoach und brachte in Donyell Malen und Mats Wieffer für Tijjani Reijnders und Quinten Timber frische Kräfte.
Kritik an Timber: „Sah aus, als ob er farbenblind wäre“
Van der Vaart sah vor allem bei Timber einen gebrauchten Tag und verglich seine Leistung mit der von Joey Veerman bei der EM gegen Österreich. Veerman war bei der 2:3-Niederlage schon nach 35 Minuten ausgewechselt worden.
Zu Timbers Leistung sagte van der Vaart nun: „Er hat einmal einen Ball zurückgespielt, da stand nur ein Deutscher. Es sah aus, als ob er farbenblind wäre.“
Auch Pierre van Hoojdonk zog ein vernichtendes Fazit. „Es ergibt keinen Sinn, was wir gesehen haben. Überhaupt nichts ergibt Sinn. Deutschland bekommt man überhaupt nicht in den Griff. Sie spielen den Ball hintenrum, aber sie geben ihn immer wieder ab.“
„Sehe keinen Spieler, der Lust hat, Fußball zu spielen“
Der frühere Bondscoach Marco van Basten wurde ebenfalls deutlich. „Ich sehe bei Oranje keinen einzigen Spieler, der Lust hat, Fußball zu spielen. Keinen einzigen. Das sind doch tolle Spiele, oder? Wollt ihr nicht etwas zeigen? Dann kämpft man doch, oder? Das habe ich vermisst“, analysierte van Basten die Niederlage gegen den Erzrivalen.
Insbesondere in der ersten Hälfte war Oranje harmlos. Laut Opta blieb man erstmals seit 2019 (gegen Portugal) vor der Pause ohne einen einzigen Abschluss. Zudem hatte die Elftal in den ersten 45 Minuten nur einen Ballkontakt im gegnerischen Strafraum - das gab es zuletzt 2017 gegen Frankreich.
„Okay, es läuft nicht gut läuft, man kann auch schlecht spielen, aber man kann kämpfen“, schimpfte van Basten. „Sie standen recht kompakt, aber Druck auf den Ball? Den gab es nicht. Mit zehn Mann an der eigenen Sechzehnmeterlinie hieß es abwarten, sich umschauen.“
Gullit hinterfragte auch die Einstellung der Spieler. „Für mich besteht die Irritation vor allem darin, dass niemand wütend wird.“ Wenn es nicht gut läuft, fange man doch an, zu überlegen, warum das so sei, meinte der 62-Jährige: „Dann fängt man an, miteinander zu reden und zu überlegen, was zu tun ist.“
Auch hierzulande sorgte die Leistung der Niederländer - immerhin Halbfinalist bei der EM im Sommer - für Kopfschütteln. „Sie haben sich irgendwie ins Halbfinale gemurmelt“, sagte Christoph Kramer im ZDF. „Du merkst es in jeder Phase, sie sind unsicher.“
Kramer: „Holland war erschreckend“
Und der Weltmeister von 2014 wurde deutlich: „Was Holland gespielt hat, das war schon erschreckend. Sie hatten die volle Kapelle an Bord. Komplett nicht wach, nicht da. Es hat sich ganz komisch angefühlt. Ich habe offensiv und defensiv keinen einzigen Ablauf gesehen. Es war nicht so, dass man sauer wird in der 60. Minute, wenn man nur hinterherläuft und wild um sich tritt. Auch das war nicht da. Es war blutleer.“
Per Mertesacker merkte zwar an, dass das Fehlen von van Dijk durchaus eine Rolle gespielt habe. „Das ist so ein Anker, um ein bisschen Aggressivität reinzubringen.“ Zugleich nahm er auch die anderen Spieler in die Pflicht: „Von den anderen kam wenig Energie, wenig Einstellung. Das haben wir zum Glück ausgenutzt.“
Deutschland gewann durch das Tor des Debütanten Jamie Leweling mit 1:0 und sicherte sich damit die Teilnahme am Viertelfinale der Nations League.