Bei seiner unerwarteten Rückkehr in die deutsche Nationalmannschaft kam sich Serge Gnabry vor wie im falschen Film. Doch nicht die vielen neuen Gesichter hatten ihn irritiert, „vogelwild“ fand er vielmehr den blauen Müllsack, in dem Deniz Undav seine Siebensachen nach Herzogenaurach brachte. „So verrückt bin eigentlich nur ich.“
Gnabry stellt leise Ansprüche
Gnabry lachte, als er das Foto des Stürmerkollegen kommentierte, doch so richtig wohl schien sich der Mode-Experte mit dieser Frage nicht zu fühlen. Den zweifelhaften Ruf als „Gucci-Gnabry“ will er endgültig ablegen - und auch beim DFB nur noch sportlich auffallen.
Gnabry mit „gesundem Selbstbewusstsein“ zurück
Elf Monate nach seinem 45. und bislang letzten Länderspiel, einer wahren „Seuchensaison“ und der verpassten Heim-EM kommt der Profi von Bayern München mit „gesundem Selbstbewusstsein“ zurück. Er darf angesichts der Absagenflut für die Nations-League-Spiele in Bosnien am Freitag (20.45 Uhr im LIVETICKER) und gegen die Niederlande am Montag sofort wieder auf einen Startplatz hoffen.
„Ich bin schon einige Jahre dabei, war letztes Jahr leider sehr lange raus. Aber nichtsdestotrotz sehe ich mich schon als Spieler, der vorangeht“, sagte Gnabry. „Ich freue mich extrem, wieder dabei zu sein, viele bekannte Gesichter zu sehen. Es macht immer extrem Spaß und ich hoffe, wir gestalten die Spiele sehr erfolgreich.“
Dennoch weiß der Offensivmann: „Es werden extrem schwere Spiele, vor allem das Auswärtsspiel in Bosnien und Holland ist ein guter Gegner. Wir wollen natürlich beide gewinnen.“
„Serge hat es nach einem sehr schweren Jahr mit unglaublich vielen Verletzungen wieder geschafft, sich zu stabilisieren - was seine körperliche Verfassung angeht, aber auch seine Leistungsfähigkeit“, lobte Bundestrainer Julian Nagelsmann den 29-Jährigen und betonte: „Er hat echt viele gute Spiele gemacht. Wir freuen uns, auf seine Qualitäten zurückzugreifen.“
Mit der Wiedereingewöhnung hatte Gnabry laut eigener Aussage keine Probleme: „Ich werde im Training Gas geben. Ich denke, dass ich gerade in guter Form bin und auch ein großer Teil der Nationalmannschaft in den letzten Jahren gewesen bin - und das auch weiterhin sein will.“
Allerdings ist es noch gar nicht lange her, da schienen Gnabrys Qualitäten verzichtbar - in München wie beim DFB. Nagelsmann hat ihn seit November 2023 nicht mehr berufen, und der deutsche Rekordmeister hätte dem Flügelspieler im Sommer bei einem Wechselwunsch keine Steine in den Weg gelegt - obwohl Gnabry nie weg wollte, wie er mehrfach betonte.
Der Münchner hat ein klares Ziel vor Augen: „Es geht immer darum, Leistung zu bringen. Ich kenn die Meisten auch schon lange Zeit, deswegen wird es da keine Probleme geben, mich wieder einzufinden, um mit den Jungs guten Fußball zu spielen.“
Nutzt Gnabry Musialas Ausfall?
Doch die Zeiten, in denen Joachim Löw betont hatte, „Serge Gnabry spielt immer bei mir“, schienen vorbei zu sein. Bei der Heim-EM zauberte Jamal Musiala mit der Nummer 10, die zuvor noch Gnabry getragen hatte, der Generationswechsel auf seiner Position schien vollzogen.
„Es gibt wenig Schlimmeres für einen Sportler, als so ein Event zu verpassen“, sagte Gnabry über die EM, „gerade im eigenen Land. Das war extrem bitter, aber es geht wieder nach vorne.“ Zunächst in München, wo er sich unter dem neuen Trainer Vincent Kompany wieder festgespielt hat. Und jetzt in der Nationalmannschaft.
So richtig weg war er nie, Kumpel Joshua Kimmich hat ihn während der EM über das DFB-Geschehen auf dem Laufenden gehalten. „Da habe ich auch den guten Teamspirit mitbekommen“, sagte Gnabry am Dienstag. Dass er sich in diese Mannschaft reibungslos einfügen können wird, glaubt er dennoch: „Ich bin lange genug dabei.“
Gnabry hat beste Einsatzchancen
Weil Nagelsmann in der Offensive nach den Ausfällen von Musiala, Kai Havertz und Niclas Füllkrug die Alternativen fehlen, hat Gnabry beste Einsatzchancen. „Serge macht zwei, drei Dinger rein und wir gewinnen“, sagte Kimmich lachend.
Gnabry hat 22 Länderspieltore - das sind zwei mehr als die anderen 22 Spieler im Kader zusammen. „Als Verteidiger sehe ich mich nicht“, scherzte er, „ich weiß, dass meine Quote gut ist.“
„Ich spiele gerade gut, deswegen freue mich, dabei zu sein. Hoffentlich auch zu spielen und dann mit dem Team erfolgreich zu sein“, sagte Gnabry.
Und übrigens: Auch er selbst sei mit einer Plastiktüte angereist, mit seinen Fußballschuhen drin. Aber, klar: in weiß!
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mit Sport-Informations-Dienst (SID)