Das Spiel am Montagabend in der Nations League gegen Frankreich muss den Belgiern wie ein Déjà-vu vorgekommen sein. Abermals waren die „Roten Teufel“ über weite Strecken der Partie das bessere Team, mehr als eine Viertelstunde spielten sie dann auch noch in Überzahl.
Alles aus für Tedesco?
Doch etwas Zählbares sprang am Ende nicht heraus: Das Spiel ging 1:2 verloren, obwohl Frankreich keinen guten Tag erwischt hatte.
Viele belgische Fans scheinen mit ihrer Geduld am Ende zu sein. Noch während des Spiels tönte es am Montagabend „Tedesco démission“ aus einer Kurve im König-Baudouin-Stadion in Brüssel, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten und auf Videos zu hören ist - eine klare Forderung nach dem Rücktritt von Coach Domenico Tedesco.
Tedesco: „Gehört zum Fußball dazu“
Die Sprechchöre habe er während des Spiels nicht gehört, sagte Tedesco auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Es sei ihm erst nach der Partie zugetragen worden.
„Das gehört zum Fußball dazu“, kommentierte der Deutsch-Italiener die Reaktion der Fans und erklärte: „Wenn sie vom Ergebnis enttäuscht sind, kann ich sie verstehen. Aber ich weiß nicht, ob wir gegen diese Franzosen besser hätten spielen können. Wenn man ihre Power im Mittelfeld sieht, ist das unglaublich. Frankreich ist eine Top-Mannschaft.“
Bereits bei der EM im Sommer, als Belgien - ebenfalls gegen Frankreich (0:1) - im Achtelfinale ausschied, habe es an der Effizienz Belgiens gefehlt, bemängeln Kritiker seither, ebenso wie die taktische Ausrichtung.
Tedesco widerspricht Kritikern
Tedesco zeigte dafür am Montag kein Verständnis: „Unsere EM-Qualifikation war stark und wir haben viele Tore geschossen. Bei der EM selbst war es plötzlich ein ‚großes Thema‘. Wir haben uns heute aggressiv gezeigt und mit der richtigen Intensität, Mentalität und Struktur gespielt“, verteidigte Tedesco sich und seine Mannschaft.
„Dadurch haben wir uns viele Chancen erspielt. Wir haben viele Spiele auf dem heutigen Niveau gespielt. Es ist leicht für die Leute, das zu vergessen“, kritisierte der 39-Jährige.
Doch auch aus der Presse hagelt es Kritik, sowohl aus dem Ausland als auch aus Belgien. „Belgien übt sich seit einem Jahrzehnt in Selbstsabotage“ hieß es im Le Parisien.
Das vernichtende Urteil der Pariser Tageszeitung: „Die Roten Teufel, heute Abend in Blau, bringen sich in großen Spielen jedes Mal selbst um. Sie haben 30 Minuten lang ein solides Tempo vorgelegt, dem die Franzosen nichts entgegensetzen konnten. Aber man muss schon fast Belgien sein, um so viele Chancen und sogar einen Elfmeter zu bekommen und am Ende nichts daraus zu machen.“
RMC Sport brachte es so auf den Punkt: „Die Männer von Didier Deschamps haben kein gutes Spiel gemacht. Aber auch wenn Frankreich nicht gut spielt, ist es zu stark für Belgien.“ In der Équipe Tricolore fehlten sogar die Superstars Kylian Mbappé und Antoine Griezmann.
Presse wütet: „Immer das gleiche Lied“
Die heimische Presse legte nach: „Immer das gleiche Lied“, titelte Het Niewsblad und weiter: „Rote Teufel können französischen Fluch trotz hoffnungsvoller erster Halbzeit nicht brechen.“ Belgien konnte „Les Bleus“ seit 1981 nicht mehr in einem Pflichtspiel bezwingen.
Die belgische Zeitung L‘Avenir fragte deshalb sogar: „Was, wenn die Fußballgötter im 21. Jahrhundert keinen Sieg der Teufel in einem offiziellen Spiel gegen Frankreich wollen?“
Tedescos Spieler verteidigen ihren Trainer jedoch gegen die Kritik und die Rücktrittsrufe. „Diese Leute stützen sich eindeutig auf die Ergebnisse, aber ich glaube nicht, dass das gerechtfertigt ist“, sagte etwa Aston-Villa-Profi Youri Tielemans nach der Partie.
Und fragte: „Sie haben das Spiel gesehen, nicht wahr? Dann finde ich es unfair, so etwas zu sagen. Der Trainer hat einen guten Job gemacht. Es gab zwei gute Pläne, sowohl gegen Italien als auch gegen Frankreich“, das Team habe den Plan aber zeitweise einfach nicht gut umgesetzt, wird er im Het Nieuwsblad zitiert.
Tedesco-Schuld?
Auch Innenverteidiger Wout Faes sprang seinem Trainer bei: „Weißt du, jeder darf seine Meinung haben, aber es ist irgendwie einfach, es einer Person in die Schuhe zu schieben“, befand der 26-Jährige laut des Berichts. „Sie können sehen, dass die Leute gut arbeiten, oder? Wenn man so lange gegen dieses Frankreich spielt, kann man zufrieden sein. Auch wenn du nicht gewinnst.“
Nach dem 1:2 steht Belgien mit fünf Punkten Rückstand auf Frankreich auf Platz 3 in seiner Nations-League-Gruppe. Damit müssen die „Roten Teufel“ ihre beiden verbleibenden Spiele gegen Italien und Israel gewinnen - und sind zusätzlich auf Schützenhilfe angewiesen, wenn sie noch ins Viertelfinale einziehen wollen.
Die Kritik an Tedesco dürfte mit ausbleibendem Erfolg nicht leiser werden. Viele Fans und Kritiker nehmen ihm zudem immer noch das Zerwürfnis mit Torhüter Thibaut Courtois übel, das letztlich zu dessen Nationalmannschafts-Rücktritt führte.