Joachim Hopp trägt zum Treffen mit SPORT1 ein graues Sweatshirt mit dem Schriftzug „Stahlkind“ - passend! Der 56-Jährige ist ein Kind des Ruhrgebiets, er spielte zehn Jahre für den MSV Duisburg.
„Alle Warnungen nicht gehört“
Das Interview mit der MSV-Legende steigt am stillgelegten Hochofen im Landschaftspark Duisburg-Nord. Ein Gespräch über seinen Herzensverein, der schon bessere Zeiten erlebt hat.
SPORT1: Herr Hopp, der MSV spielt in der nächsten Saison in der Regionalliga West. Wie geht es Ihnen damit?
Joachim Hopp: Es war gesundheitlich eine sehr schwere Zeit. Obwohl ich mich schon früh darauf eingestellt hatte, dass wir absteigen werden. Trotzdem merke ich, weil ich den Verein liebe, dass mir das schon sehr nah geht. Ich war lange nervlich sehr angespannt. Ich war drei Monate nur erkältet und das war wirklich ein Problem.
SPORT1: Was war für Sie ein großer Fehler, den man gemacht hat?
Hopp: Man hat schon seit Jahren nicht die Fehler eingestellt. Ich habe Ingo Wald (MSV-Vorstand, Anm. d. Red.) schon vor zwei Jahren gesagt, dass die Mannschaft absolut nicht fit ist. Es wurde auch sehr wenig trainiert, es gab für eine Profimannschaft viele freie Tage. Ich bin der Meinung, dass ein Präsident einen Trainingsplan vom ersten bis zum letzten Tag des Monats bekommen muss. Da wurde in den vergangenen drei Jahren sehr geschludert. Die sportliche Leitung - da lasse ich Michael Preetz (den neuen MSV-Boss, Anm. d. Red.) mal raus - hat darauf überhaupt nicht geachtet. Alle Warnungen wurden nicht gehört. Zudem gab es auch eine ganz schlechte Kaderplanung. Die Spieler wurden nicht über Scouts, sondern über Berater verpflichtet. So ist der MSV ins Verderben gestürzt. Dieser Abstieg war schon vor drei Jahren vorhersehbar.
„Da habe ich kein Talent mehr gesehen“
SPORT1: Welche Rolle spielen die Trainer Torsten Ziegner und Boris Schommers?
Hopp: Als Ziegner kam, dachte ich „Wow, ein sehr arbeitswilliger Trainer.“ Er hat regelmäßig mit mir zusammen A-Jugend und B-Jugend geschaut. Er hatte auch den Mut, die Talente einzusetzen und nach oben zu holen. Doch in der Wintervorbereitung hörte das abrupt auf. Da habe ich kein Talent mehr gesehen. Dann kam Schommers und er hat diese Mannschaft unterschätzt. Es ist immer schön, wenn man von einem kleinen Verein kommt (1. FC Düren, Anm. d. Red.) und hört, dass der MSV ruft. Dann denkt man, wie schön das sein kann. Doch der MSV hat eine ganz große Macht. Schommers wollte alles probieren, aber es hat einfach nicht gereicht.
SPORT1: Die Nummer von Michael Preetz haben Sie doch sicher. Warum sind Sie nicht Sportdirektor beim MSV?
Hopp: (lacht) Ich bin seit drei Jahren Botschafter und repräsentiere den Verein auf allen Ebenen. Das ist ja nicht mein Hauptjob. Ich habe mir irgendwann vorgenommen, von keinem mehr abhängig zu sein. Ich bin seit elf Jahren in der Verkehrstechnik tätig. Ich liebe diese Stadt und den MSV und ab Donnerstag treibe ich mich oft in der Stadtmitte rum und spreche über den MSV mit dem Bäcker oder Metzger genauso wie mit Bankern oder Geschäftsführern. Ein Gespräch kann so viel Freude bereiten. Ich habe immer gesagt, dass ich dem MSV helfe, wo ich nur kann. Aber ich möchte weder Trainer noch Sportdirektor werden.
SPORT1: Aber Sie haben die nötige Leidenschaft, die es in dieser schweren Phase braucht.
Hopp: Das stimmt. Ich habe jeden meiner Trainer in der Kabine mit der Hand persönlich begrüßt und habe mich vorgestellt. Ebenso bei den Sportchefs, die da waren. Ich war immer für den MSV da. Und bin es auch weiterhin.
SPORT1: Sie haben zusammen mit Michael Preetz beim MSV gespielt. Wie zufrieden sind Sie, dass er jetzt da ist?
Hopp: Ich bin hochzufrieden. Wir sind 1993 mit dem MSV aufgestiegen. Wir haben uns sogar mal mit unseren Familien in der Türkei im Urlaub getroffen. Ich bin jetzt aber nicht der Nerd, der ihn jede Woche anruft und ihm auf die Nerven geht. Wenn ich ein extremes Problem mit etwas beim MSV hätte, würde ich Michael anrufen. Aber wir sollten ihn jetzt erstmal in Ruhe arbeiten lassen.
MSV-Ikone sieht unglaubliche Energie in Duisburg
SPORT1: Beim Trainingsauftakt waren rund 400 Fans da. Es gibt eine neue Euphorie um den Verein.
Hopp: Und das freut mich sehr. Mit Michael wird sich etwas tun, wenn ich den Blick nach vorne richte. Ich sehe eine unglaubliche Energie in der Stadt. Endlich wird in allen Bereichen ordentlich gearbeitet, sei es im Marketing mit Christian Koke oder im sportlichen Bereich mit Michael.
SPORT1: 3000 Dauerkarten sind bereits verkauft. Wie kommt das?
Hopp: Das ist Duisburg, das ist der MSV. Wir sind von den Mitgliederzahlen nicht Schalke und auch nicht Dortmund, aber unsere Fans haben ein unheimliches Know-how und Feingefühl, was den Verein angeht und auch Social Media. Die Sponsoren haben schon ein positives Zeichen gesetzt und die Fans sind heiß auf die neue Saison.
SPORT1: Was haben Sie gedacht, als Preetz zum MSV in die Dritte Liga kam?
Hopp: Es wurde viel Schimpf und Schande über Michael ausgeschüttet. Sein Aus in Berlin war sicher nicht so schön. Aber er war nicht alleine für die Fehler bei Hertha BSC verantwortlich. Es gibt viele Trainer, die Chaos bei ihrem alten Klub hinterlassen und kurze Zeit nach ihrer Entlassung schon wieder woanders einen Job haben. Michael hat drei Jahre nichts gemacht. Fredi Bobic hat auch viel Geld verbrannt und liegt mit Hertha im Clinch. Jetzt geht es darum, welche Arbeit Michael beim MSV abliefert. Und das werden wir in drei Monaten sehen.
SPORT1: Waren Sie überrascht, dass Preetz das macht?
Hopp: Wir hatten im Dezember auf dem Duisburger Weihnachtsmarkt ein Treffen mit der Aufstiegsmannschaft. Da war auch Michael dabei, was mich sehr gefreut hat. Ich habe ihm damals ganz ehrlich gesagt: „Ich würde mich freuen, wenn du zum MSV kommen würdest.“ Da stand es noch auf der Kippe. Die Gespräche waren dann aber sehr gut. Michael ist kein Schaumschläger, sondern ruhig, in sich gekehrt und aufgeräumt. Und er ist ein Kind des Ruhrgebiets, auch, wenn er aus Düsseldorf kommt.
„Ich bin der am meisten unterschätzte Mann beim MSV“
SPORT1: Preetz bekommt bisher viel Lob. Warum ist er der Richtige für den Neuaufbau des MSV?
Hopp: Ich habe in den vergangenen Wochen viel mit Sponsoren gesprochen. Alle haben mir gesagt, dass wir endlich mal eine sportliche Leitung und eine Marketingabteilung haben, die sehr viel arbeiten. Wenn du so etwas hörst, dann freut dich das ungemein. Viele Verantwortliche wissen gar nicht, was ich in Duisburg alles mitbekomme. Ich bin der am meisten unterschätzte Mann beim MSV.
SPORT1: Aber nochmal gefragt, gerade so einen Mann müsste der MSV doch brauchen.
Hopp: Wenn man meine Hilfe braucht, werde ich immer da sein. Aber ich will keine Kohle und kein offizielles Amt. Ich liebe es, durch meine Stadt zu gehen. Wir sitzen hier auf dem Hochofen-Gelände und hier habe ich vor 43 Jahren meine Lehre angefangen. Das ist meine Stadt. Und ich gehe gerne durch Duisburg. Wenn du als Trainer dreimal verlierst, wirst du genauso durch das Dorf gejagt wie eine Wildsau. Das brauche ich nicht. Ich möchte ein absolut gutes Verhältnis zu den Fans und den Leuten in Duisburg haben. Ich möchte das, was ich als Profi an positivem Gefühl damals bekommen habe, zurückgeben.
„Eine Ausnahme ist Thomas Müller vom FC Bayern
SPORT1: Sie sind die Kultfigur beim MSV. Gibt es für Sie heutzutage noch Kultprofis?
Hopp: Nein. Eine Ausnahme ist Thomas Müller vom FC Bayern. Er ist Kult. Es gibt Spieler, die das Wappen auf ihrem Trikot küssen - nach drei guten Spielen für den Verein. Zwei Wochen später werden sie ausgewechselt und wollen den Verein verlassen. Ich mag es auch nicht, wenn Spieler nach ihrer Auswechslung diskutieren. Das ist respektlos den Mitspielern gegenüber. Im Fußball gibt es kein Wir-Gefühl mehr. Jeder Verein hat seine Spieler, die wichtig sind. Aber ich sehe das sehr viel kritischer.
SPORT1: Warum waren und sind Sie Kult?
Hopp: Ich hatte das Glück, dass ich in der über 130-jährigen Klubgeschichte einer von den 22 Spielern bin, den die Fans zu den Legenden gewählt haben. Michael Tönnies, Bachirou Salou, Bernard Dietz und dann komme ich schon. Wer hat schon die Möglichkeit am Hochofen zu arbeiten, für den MSV zu spielen und dann noch zur Legende zu werden? Ich bin immer einfach geblieben, weiß, wo ich herkomme und habe mich nie verschlossen. Und für mich gab es immer einen Leitsatz: „Der Mensch, der vor mir steht oder sitzt, ist in dem Moment der wichtigste Mensch.“
SPORT1: Finden Sie es gut, dass fast alle Spieler nicht mehr da sind und fast alles neu ist?
Hopp: Ich stehe zu 100 Prozent dahinter. Bisher kamen gute Jungs, die in ihren alten Vereinen eine gute Rolle gespielt haben. Ich will jetzt Leistung auf dem Platz sehen und die jungen Spieler sind alle hungrig nach Erfolg. Mit Mert Göckan, der aus Wuppertal kommt und Gerrit Wegkamp, der zuletzt bei Preußen Münster gespielt hat, kommen richtig gute Jungs an die Wedau. Ich bin total gespannt, was sie für den MSV zeigen werden. Die direkte Rückkehr in die Dritte Liga ist das Ziel. Der Abstieg ist für den MSV eine Riesenchance. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.