Seit jeher wird in Offenbach der Geist vom Bieberer Berg beschworen.
Wie der OFC ums Überleben kämpft
Derzeit wäre man allerdings schon froh, wenn zumindest Geisterspiele in der Heimstätte der Kickers stattfinden könnten.
Die Coronakrise hat auch den Traditionsklub aus der Regionalliga Südwest fest im Würgegriff. Mal wieder gilt es beim OFC eine Krise zu überstehen.
Geschäftsführer Thomas Sobotzik klärt auf, wie der Klub gemeinsam mit seinen Fans ums Überleben kämpft.
Sobotzik: "Abbruch wäre Worst-Case-Szenario"
SPORT1: Herr Sobotzik, in England wurden die ersten Amateurligen abgebrochen, weitere sollten folgen. Was würde dieses Szenario für die Kickers bedeuten?
Thomas Sobotzik: Ein Abbruch wäre für uns das Worst-Case-Szenario. Wir wollen unbedingt die Saison sportlich zu Ende spielen, auch wenn das bedeuten würde, dass wir Geisterspiele absolvieren müssten. Das wäre für uns die bessere von zwei sehr schlechten Optionen. Wir hoffen, dass es zumindest so ausgeht.
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SPORT1: Rüstet man sich trotzdem für den Fall des Abbruchs, hat der DFB schon etwas angedeutet?
Sobotzik: Derzeit gibt es dahingehend noch keine Andeutungen. Der Verband tut nach meinem Empfinden alles dafür, die Runde sportliche zu Ende zu bringen. Allerdings ist es bei uns in der Liga nicht so klar. Das Problem in den Regionalligen ist, dass es auf der einen Seite Profivereine wie Rot-Weiß Essen, Energie Cottbus, Alemannia Aachen, Saarbrücken oder eben uns gibt. Auf der anderen Seite Vereine, die Amateurvereine sind, die eine ganz andere Infrastruktur haben, deren Fixkosten lediglich im Personalbereich angesiedelt sind. Insofern herrscht da ein großes Ungleichgewicht, das sich auch im Meinungsbild widerspiegelt. Daher bekommen wir in der Liga nur sehr schwer eine Einigkeit hin, was wir eigentlich wollen.
SPORT1: Wie schwer trifft den OFC die Krise in finanzieller Hinsicht?
Sobotzik: Wir haben einen Schnitt von knapp 6000 Zuschauern. Wenn man den Durchschnittspreis zwischen 12 und 13 Euro nimmt, kann man ja hochrechnen, was uns alleine im Ticketing verloren geht. Dazu kommt unter anderem das Catering oder auch Werbepartner, die pro Spieltag etwas buchen. Da kommt noch weitaus mehr zusammen. Dennoch sind wir der Meinung, und das hat auch eine juristische Prüfung ergeben, die wir durchgeführt haben, dass uns ein Abbruch noch viel härter treffen würde.
SPORT1: Sie verkaufen aktuell Geistertickets, um die Krise zu überstehen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Sobotzik: Die Aktion heißt volle Hütte. Unser Ziel ist es, dass Stadion in den verbleibenden sieben Heimspielen über Geistertickets symbolisch voll zu bekommen, auch wenn eigentlich kein Spiel stattfindet. Man muss dazu sagen, dass das nicht von den Verantwortlichen ausging. Es war eine Idee, die die Fans an uns herangetragen haben, als der Spielbetrieb erstmal bis auf Weiteres eingestellt wurde. Wir sind total überwältigt, dass wir am Wochenende die Grenze von 3000 geknackt haben. Damit war für mich nicht zu rechnen. Das gibt wirklich Hoffnung.
Fitnessprogramm für die OFC-Fans
SPORT1: Wie kommt so etwas innerhalb der Mannschaft an?
Sobotzik: Die Jungs haben das natürlich registriert und wollen auch etwas zurückgeben. Wöchentlich wird ein Spieler über unser Fan-TV der aktuellen Situation angepasst ein Fitnessprogramm unter dem Motto "You'll never sport alone" mit unseren Fans machen. So, dass sich jeder Fan gemeinsam mit der Mannschaft fit halten kann für den Tag X, an dem es dann hoffentlich wieder losgeht.
SPORT1: Der OFC war schon einige Male insolvent. Muss man sich um die Zukunft des Klubs Sorgen machen?
Sobotzik: Unser Präsident hat sich klar positioniert. Wir werden das hinbekommen, davon bin ich überzeugt. Von unseren Fans geht wirklich eine unfassbare Energie aus. Wie solidarisch sie und unsere Partner sich in diesen Zeiten gegenüber ihrem Verein verhalten, das sucht seinesgleichen. Das lässt mich glauben, dass wir das schaffen. Aber das ist natürlich alles unter Vorbehalt, weil niemand weiß, wie lange das dauert. Sollte das zum Dauerzustand werden, geht es nicht mehr um Kickers Offenbach, sondern generell um den Fußball. Das eine ist die aktuelle Saison, das andere ist die Perspektive, ab der neuen Saison normal weitermachen zu können. Sollte das nicht der Fall sein, muss man sich nochmal ganz andere Gedanken machen.
SPORT1: Wie meinen sie das?
Sobotzik: Der Fußball ist viel viel mehr als nur eine Spaßveranstaltung. Er verbindet und hat einen sehr großen sozialpolitischen Auftrag, dem er auch sehr oft gerecht wird. Wenn das über einen langen Zeitraum wegfällt, wird das auch gesellschaftlich nicht so einfach sein, dass aufzufangen. Wir haben in den Fankurven in Deutschland den Querschnitt der Gesellschaft und das darf man nicht unterschätzen. Es geht nicht nur um ein bisschen Rumgekicke. Es geht um weitaus mehr.