Nach dem 6:0-Schützenfest gegen zugegeben schwache Marokkanerinnen schienen die DFB-Frauen unverwundbar - die bittere Last-Minute-Niederlage gegen Kolumbien hat sie nun jedoch zurück auf den Boden der Tatsachen geholt.
Wie gut ist Deutschland wirklich?
Und die Pleite hat aufgezeigt, dass die deutschen Frauen sehr wohl verwundbar sind: Vor allem bei Standards, wie die zwei Gegentore nach Ecken bewiesen.
Beim ersten Gegentor wurde der Ball nach einer Ecke nicht aus der Gefahrenzone geklärt, woraufhin Supertalent Linda Caicedo per Traumtor in den Winkel traf. Kurz vor Schluss stand schließlich Kolumbiens Verteidigerin Manuela Vanegas völlig frei im Strafraum und sorgte problemlos für das zweite Tor nach einer Ecke - welches Deutschland in der siebten Minute der Nachspielzeit mitten ins Herz traf.
„So ein Tor darfst du in der Minute einfach nicht mehr kriegen, sonst verlierst du so ein Spiel eben mal“, ordnete Lena Oberdorf, eine der stärksten Deutschen, nach der Partie bei der ARD ein. „Wie schon seit ein paar Jahren, haben wir eine Raumzuordnung gemacht. Ich glaube wir standen ein bisschen zu tief drinnen.“
„Das werden wir uns anschauen. Sie kam sehr frei zum Kopfball, aber jetzt gerade weiß ich nicht, wer sie decken sollte“, erklärte Verteidigerin Sara Doorsoun, die in der Halbzeit angeschlagen vom Platz musste und beim Gegentreffer nicht mehr auf dem Platz stand - womit sich das nächste Problem offenbart.
Dauerbaustelle Defensive: DFB fehlen Verteidigerinnen
Denn den Frauen gehen langsam die Verteidiger aus. Doorsoun vertrat eigentlich die verletzte Abwehr-Chefin Marina Hegering - und droht nun selbst wegen einer Oberschenkel-Verletzung auszufallen. „Ich hoffe, dass ich rechtzeitig rausgegangen bin. Es hat mir zweimal doof reingezogen“, erklärte sie nach der Partie.
Vertreten wurde sie durch Sjoeke Nüsken, die eigentlich keine gelernte Innenverteidigerin ist, auf der Position aber zuletzt häufiger aushalf. Doch nicht nur die Innenverteidigung bereitet Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg Kopfschmerzen, die gesamte Verteidigung ist eine Dauerbauerstelle.
Denn auch auf den Außenbahnen wird es eng, nachdem mit Felicitas Rauch nun die nächste Linksverteidigerin wegen einer Verstauchung des rechten Kniegelenkes laut DFB-Angaben „auf unbestimmte Zeit“ ausfällt und Bayerns Carolin Simon wegen einem Kreuzbandriss nicht dabei ist.
Stattdessen spielte dort Chantal Hagel, die eigentlich eine etatmäßige Mittelfeldspielerin ist - ähnlich wie auf der rechten Seite, wo mit Svenja Huth eine offensive Außenbahnspielerin einspringt, da die etatmäßige Nummer eins Giulia Gwinn ebenfalls wegen einem Kreuzbandriss fehlt.
Im Achtelfinale würde ein hartes Los warten
Bei Rauch und Hegering ist noch offen, ob beide am Donnerstag gegen Südkorea wieder zu Verfügung stehen. Fraglich ist ebenso Doorsoun, bei der die Schwere der davongetragenen Blessur noch nicht abzuschätzen ist.
Aber die DFB-Frauen sollten auch so in der Lage sein, das letzte Gruppenspiel gegen die Südkoreanerinnen am Donnerstag (12 Uhr im SPORT1-Liveticker) zu gewinnen, die ähnlich wie Marokko zu den schwächeren Gegnern gehören, auch wenn Voss-Tecklenburg vor der vermeintlich leichten Aufgabe warnte.
„Das ist ja auch kein Selbstläufer, gegen Südkorea zu spielen“, betonte die Bundestrainerin. „Die haben zwar zwei Mal verloren, aber die wollen sich auch mit einer sehr, sehr guten Leistung verabschieden.“
Doch spätestens im Achtelfinale stünde dann der nächste Gradmesser an, nachdem der erste Härtetest gegen die Kolumbianerinnen verloren ging. Dort würde man nämlich auf eine Mannschaft der Gruppe F treffen, in der mit Frankreich oder womöglich Brasilien zwei harte Kaliber warten.
Spätestens bis dahin müssten die Standardprobleme gelöst werden. Und auch einige der Stammspielerinnen in der Defensive müssen zurückkehren.