Wer Sophia Kleinherne schon einmal aus nächster Nähe begegnet ist, der erlebt eine sehr lebhafte und häufig mit ihrem Strahlen einnehmende Frau.
Startet sie bei der WM jetzt durch?
Die 23-Jährige, die erst im Alter von neun Jahren mit dem Fußball begonnen hat und parallel als Turnerin und Schwimmerin aktiv war, ist eines der Aushängeschilder der aufstrebenden Frauen von Eintracht Frankfurt.
Sie darf erneut von der Teilnahme an der Champions League träumen - und möglicherweise vom Großangriff auf die Topteams aus Wolfsburg und München. Doch zunächst steht die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland auf dem Programm (Frauen-WM: Deutschland - Marokko ab 10.30 Uhr im LIVETICKER).
Markenzeichen: 41-Zentimeter-Zopf
Auch im deutschen Nationalteam will die flexibel einsetzbare Verteidigerin immer wichtiger werden.
Bei der Europameisterschaft in England vor einem Jahr jubelte sie gegen Finnland über ihr bislang einziges Länderspieltor, unangefochtene Stammspielerin war Kleinherne aber noch nicht. Dennoch lässt sich festhalten: Sie hat mit elf Jahren wohl alles richtig gemacht, als sie sich für den Fußball entschieden hat.
Kleinherne hat - neben ihren fußballerischen Qualitäten - ein Markenzeichen: Der schier endlos lang wirkende Zopf, der ungeflochten auf eine Länge von 41 (!) Zentimetern kommt.
Ihren Körper zieren vier Tattoos. Am Fuß eine römische vier, die zugleich ihre Glückszahl und Rückennummer ist. Auch der Geburtstag ihrer Mutter am 28. Oktober, das Wort Courage und die Anfangsbuchstaben ihrer Familie A(ndrea), L(ukas), M(ax) und S(tefan) hat sie sich unter die Haut stechen lassen.
Kleinherne bringt Brasilien in Wallung
Apropos Familie: Die in Telgte, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, aufgewachsene Kleinherne musste sich schon in der Kindheit und Jugendzeit behaupten lernen, ihre Brüder sind vier und sechs Jahre älter als sie. Möglicherweise hat sie so den Mut und die Stärke entwickelt, auch am Mikrofon Akzente zu setzen.
Im großen SPORT1-Interview nach der EM etwa nahm sie den DFB in die Pflicht: „Wir wollen uns mit den großen Nationen vergleichen. Fußballerisch haben wir das Potenzial dazu, aber strukturell gibt es noch Luft nach oben.“
Kleinherne kassierte einen obligatorischen Shitstorm, doch sie knickte nicht ein und konterte auf einer Pressekonferenz: „Ich muss mich nicht rechtfertigen oder entschuldigen.“ Sie habe keine Zeit, sich vor dem Turnier „mit Nebensächlichkeiten“ zu beschäftigen.
Florian Boitin, Chef des Playboy, nahm sie in Schutz vor den wütenden Reaktionen: „Es ist nur ein einziger flapsiger Satz, der seit Tagen viral geht und Brasilien in Aufruhr versetzt. Es macht aber durchaus Sinn, das ganze Interview (...) zu lesen. Es zeigt, dass die Verteidigerin von Eintracht Frankfurt nicht nur gut am Ball ist, sondern auch mit dem Kopf bestens umgehen kann.“
Abitur, Bundeswehr, Fernstudium
In der Tat ist Kleinherne auch neben dem Platz sehr zielstrebig unterwegs. Ihr Abitur schloss sie mit den Leistungskursen Sport und Biologie mit 3,1. Es war eine große Leistung, Schul- und Umzugsstress neben dem Training zu bewältigen.
In der Oberstufe hatte sie das Bundesland gewechselt, war nach Hessen gekommen und streckte ihr Abitur auf zwei Jahre. Kleinherne spielt aber nicht nur Fußball, sie ist bei der Bundeswehr tätig und studiert via Fernstudium Sportmanagement.
Enger Austausch mit Vorbild Mario Götze
Für die Eintracht reift sie so mehr und mehr zu einer Führungsspielerin. Die Kaffee- und Zimtschnecken-Liebhaberin, die sich in Frankfurt pudelwohl fühlt, kennt Mario Götze extrem gut.
Der Spielmacher der Hessen verriet zuletzt bei Bild: „Wir haben sogar eine gemeinsame Performance-Gruppe, in der wir über unterschiedliche Themen diskutieren und Erfahrungen teilen.“
Für Kleinherne ist der Weltmeister-Torschütze von 2014 „in Sachen Einstellung“ ein echtes Vorbild.
Ob sie dem WM-Helden von Rio in Down Under nacheifern kann? Kleinherne ist die einzige gelernte Rechtsverteidigerin im DFB-Kader.
Götze: Kleinherne „ganz wichtig“ für DFB-Team
Auch Götze wirbt für sie: „Sophia ist ein wichtiger Bestandteil in Frankfurt und wird, daran glaube ich, mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Können und ihrer Leidenschaft auch bei der Weltmeisterschaft ganz wichtig für die Mannschaft von Martina Voss-Tecklenburg werden.“
Ob sie das packt mit dieser Unterstützung im Rücken? Es wäre ein weiterer großer Schritt in ihrer Karriere.
Ein tolles Erlebnis wird Kleinherne aber unabhängig vom Turnierverlauf mitnehmen. Nach der Ankunft war sie mit der Mannschaft beim „Whale Watching“ und hat tatsächlich einen Wal gesehen. Es sind auch diese scheinbar kleinen Dinge, die Power-Frau Kleinherne Freude bereiten und Kraft geben.
Diesen Schwung aus einem solchen Erlebnis will sie mitnehmen, wenn der Startschuss in Melbourne zum Auftakt der Gruppe H am Montag gegen Marokko fällt.