Mit sechs Toren in ihren ersten fünf EM-Spielen überhaupt begeistert Alexandra Popp die Fußballwelt. Im Halbfinale gegen Frankreich avancierte sie einmal mehr zur Matchwinnerin und lässt mit ihren zwei Treffern zum 2:1-Endstand Deutschland vom neunten EM-Titel träumen.
Ein deutsches Wunder
Es lief die 76. Spielminute in einem bis dahin ausgeglichenen und völlig offenen Halbfinale gegen Frankreich. Nachdem zwei Schüsse der DFB-Frauen im Strafraum der Französinnen geblockt wurden, gelangte der Ball auf die rechte Seite. Es folgte eine präzise Flanke von Svenja ins Zentrum. Und da stand sie: Poppi, wie sie liebevoll genannt wird, köpfte zwischen den beiden französischen Innenverteidigerinnen zum entscheidenden 2:1.
„Poppi ist einfach ein Biest da vorne drin“, sagte Lena Oberdorf im Anschluss an die Partie passend. Es war bereits Popps viertes Kopfballtor im laufenden Turnier, die 31-Jährige traf zudem in jedem Spiel mindestens einmal. (DATEN: Spielplan und Ergebnisse der Frauen-EM 2022)
In der Geschichte des DFB schaffte es noch nie eine Spielerin, in allen Spielen einer EM zu treffen – Rekord. Der frühere Bundesliga-Profi und heutige TV-Experte Jan Aage Fjörtoft vergleicht Popps Spielweise sogar mit der von Superstar Erling Haaland - eine Art Ritterschlag.
Von Verletzungen und Corona nicht stoppen lassen
Nach dem Schlusspfiff lag Popp völlig ausgepumpt und erschöpft auf dem Rasen. Dabei ist sie eigentlich ein Stehaufmännchen, oder besser: eine Stehauffrau.
Denn die Liste ihrer Rückschläge ist lang.
Das EM-Turnier in England hätte sie beinahe einmal mehr verpasst.
In den vergangenen Jahren machte ihr Körper ihr immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Nach Verletzungen vor den Kontinentalmeisterschaften 2013 und 2017 wäre sie auch in England nicht dabei gewesen.
Doch ihr kam – was wirklich nur sehr wenige Menschen behaupten würden – Corona zur Hilfe. Die Pandemie sorgte für eine einjährige Verschiebung des Turniers, Alex Popp hätte im vergangenen Jahr aufgrund einer erneut schwerwiegenden Knieverletzung passen müssen.
Viele Spielerinnen hätten nach diesem wiederholten Schicksalsschlag ein Karriereende in Erwägung gezogen, doch Popp biss sich zurück und kämpfte für ihren Traum einer EM-Teilnahme. Auch eine Corona-Infektion in der finalen Phase der Vorbereitung konnte sie nicht stoppen.
„Ich bin hier ein Stück weit emotionaler, als ich es sonst immer war, weil ich weiß, was ich für einen Weg hinter mir gelassen habe. Da muss ich aber auch jedem einzelnen, der den Weg mit mir gegangen ist, danken“, erklärte sie nach dem Halbfinale gegen Frankreich: „Ich bin unfassbar glücklich, dass ich diese EM spielen darf. Dass wir jetzt im Finale stehen, macht eine wahnsinnige Geschichte daraus.“
Auf der Jagd nach einem EM-Rekord
Dabei sollte Popp bei der EM eigentlich die Rolle des Jokers im Sturm einnehmen. Im ersten Spiel gegen Dänemark saß sie zunächst noch auf der Bank, was sie allerdings nicht davon abhielt, nach ihrer Einwechslung gleich zum 4:0-Endstand zu treffen. (NEWS: Alles Wichtige zur Frauen-EM 2022)
Nach der Corona-Infektion von Lea Schüller war die gebürtige Wittenerin dann gesetzt und traf in schöner Regelmäßigkeit in jedem weiteren Spiel.
„Ich bin ein wenig sprachlos“, sagte Popp nach ihren EM-Treffern fünf und sechs. Mit dem Doppelpack hat sie nach der Engländerin Beth Mead ebenfalls den EM-Rekord von Inka Grings mit den meisten Treffern einer EM-Endrunde eingestellt.
Im Finale haben dann sowohl Mead als auch Popp die Möglichkeit, alleinige Rekordhalterin zu werden. „Es ist nicht mein erstes Ziel, hier Torschützenkönigin zu werden“, erklärte Popp allerdings: „Wenn drei andere uns zum Titel schießen, bin ich auch glücklich.“
Popp ist eigentlich keine Stürmerin mehr
Dabei kommt Popp in der Bundesliga beim VfL Wolfsburg gar nicht mehr als Stürmerin zum Einsatz. In der vergangenen Saison wirbelte sie für den Deutschen Meister stets im Mittelfeld. Zu ihrem Karriere-Beginn beim MSV Duisburg spielte Popp sogar noch als Verteidigerin.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg setzt sie dennoch aufgrund ihrer Erfahrung von 119 Spielen für den DFB als Stürmerin ein, was sich bislang ausgezahlt hat.
„Ich war sehr froh, als Martina mir mitgeteilt hat, dass sie mit mir vorne in der Spitze plant. Ich bin froh, den Leuten und Trainern zu zeigen, was ich vorne drauf habe“, so Popp.
Im EM-Finale gegen den Gastgeber aus England (EM-Finale am Sonntag, 18 Uhr im Liveticker) will die Stürmerin erneut ihre Torgefahr unter Beweis stellen und sich mit dem EM-Titel krönen. Ein Siegtor vor 90.000 Zuschauern im legendären Wembley-Stadion wäre der perfekte Abschluss des Turniers - und das wundersame Happy-End einer Leidensgeschichte.