Eine überraschende Sichtweise: Pernille Harder und Magdalena Eriksson können dem Kuss-Eklat um die spanische Nationalspielerin Jennifer Hermoso mit zeitlichem Abstand etwas Positives abgewinnen - denn die viel beachtete Skandal-Szene bei der Frauen-WM hat in den Augen der Bayern-Spielerinnen zu wichtigen Veränderungen geführt.
Kuss-Eklat: Bayern-Stars überraschen

„Ich versuche immer, die Dinge positiv zu sehen, selbst bei einer solchen Situation. Für die spanische Nationalmannschaft hat sich seitdem tatsächlich etwas zum Positiven verändert“, meinte die schwedische Nationalspielerin Eriksson im dpa-Interview: „Sie haben vor fast einem Jahr einen Kampf gegen ihren Verband begonnen, in dem sie eine Veränderung der Kultur hin zu mehr Sicherheit und Respekt bewirken wollten. Das haben sie jetzt geschafft.“
Sie wisse nicht, „ob das ohne diesen Übergriff gelungen wäre. Zur Erinnerung: Hermoso war nach Spaniens WM-Sieg von ihrem damaligen Verbandschef Luis Rubiales bei der Siegerehrung auf den Mund geküsst worden. Die Szene hatte für Empörung gesorgt, Rubiales wurde später für drei Jahre aus dem Fußball verbannt.
Bayern-Stars: Können uns Gehör verschaffen
„Dass die Veränderung stattgefunden hat, zeigt, wie weit wir in der Gesellschaft gekommen sind, wie wir uns in die richtige Richtung bewegen“, urteilte Harder: „Wir unternehmen etwas, wenn etwas Inakzeptables passiert. Die spanischen Spielerinnen haben für ihr Anliegen, das weltweit wahrgenommen wurde, gekämpft und eine Veränderung bewirkt.“
Harder und Eriksson sind seit vielen Jahren ein Paar, im vergangenen Sommer sind sie gemeinsam vom FC Chelsea zum FC Bayern gewechselt.
„So ein Kuss wie bei der WM in diesem Jahr wäre vor zehn Jahren vielleicht gar keine große Sache geworden, weil die Zeiten damals andere waren und die Mannschaft vielleicht nicht das Gefühl gehabt hätte, in der Position zu sein, so eine abstoßende Handlung offen anzusprechen und sie zu kritisieren“, erklärte Eriksson weiter.
Der Kuss habe sich in dem Moment „vielleicht wie ein großer Rückschritt für den Frauenfußball angefühlt, aber alles, was danach passiert ist, zeigt, dass wir immer selbstbewusster werden und uns wirklich Gehör verschaffen können, wenn wir es wollen.“
Homosexualität nur im Frauenfußball akzeptiert
Eriksson und Harder hatten 2019 ebenfalls bei einer Weltmeisterschaft mit einem Kuss für Aufsehen gesorgt, allerdings auf ganz andere Weise: „Es sind die beiden Enden eines Spektrums“, meinte Eriksson dazu. Sie hatte ihre Partnerin, die sich unter den Zuschauern befunden hatte, nach Schwedens Sieg gegen Kanada geküsst. Fotos von der Szene gingen viral.
„Ich habe zuerst gar nicht gemerkt, dass das Foto für so einen Wow-Effekt gesorgt hat, weil ich einfach bei der Weltmeisterschaft war, um Magda zu unterstützen. Für mich war interessant zu sehen, wie sehr dieses Bild von der Gesellschaft offenbar gebraucht wurde“, meinte Harder. Ähnlich sieht es Eriksson: „Uns hat überrascht, wie notwendig solch ein Foto offenbar für den Fußball war.“
Während Homosexualität im Frauenfußball längst akzeptiert ist, bleibt sie im Männerfußball weitgehend Tabuthema. „Der Frauenfußball ist eine viel jüngere Sportart. Im traditionellen Männerfußball hat sich in mehr als 100 Jahren viel verfestigt. Der Frauenfußball ist daher stärker von modernen Ansichten geprägt“, erklärte Eriksson. Sie hoffe, dass der Männerfußball in dieser Hinsicht von dem Frauenfußball lernen könne.