Frankreich im Freudentaumel! Die Champs-Elysees in Paris wurden nach dem Finaleinzug zur Jubelmeile. Tausende feierten den 1:0-Sieg gegen Belgien.
Frankreichs "Anti-Fußball" siegt
In St. Petersburg riss Didier Deschamps die Fäuste in die Höhe, Antoine Griezmann weinte vor Glück und Torschütze Samuel Umtiti hüpfte ausgelassen über den Rasen.
Bei den hart gelandeten Überfliegern aus Belgien saß der Frust hingegen tief. "Das ist ein Anti-Fußballteam", wütete Torhüter Thibaut Courtois nach dem verpassten Finaleinzug. "Der Stürmer spielt 30 Meter vor dem eigenen Tor. Frankreich köpft nach einer Ecke ein und macht nicht mehr als verteidigen."
Umtiti erzielte in der 51. Minute nach einer Ecke von Griezmann den Treffer des Tages. Dabei brachte er das Kunststück fertig, das Kopfballduell gegen den elf Zentimeter längeren Marouane Fellaini zu gewinnen. Die Roten Teufel, die in der ersten Hälfte der Führung nahe waren, konnten nicht mehr kontern. (LIVETICKER zum Nachlesen)
"Wir haben verteidigt und nach einem Standard getroffen, das war ein bisschen wie bei Atletico, da habe ich mich gut zurechtgefunden", sagte Vorbereiter Griezmann.
Courtois hätte "lieber gegen Brasilien verloren"
Courtois konnte der Spielweise der Franzosen wenig Positives abgewinnen. "Ich hätte lieber im Viertelfinale gegen Brasilien verloren, das war wenigstens ein Team, das Fußball spielen wollte", sagte der Chelsea-Keeper, fand aber auch selbstkritische Worte: "An einem guten Tag kannst du gegen ein Anti-Fußballteam bestehen, aber der letzte Ball kam nicht an und wir waren manchmal schlampig in unserem Passspiel."
Vor allem Kevin De Bruyne wurde von der französischen Defensive nahezu komplett aus dem Spiel genommen.
Während die Roten Teufel ihren ersten Finaleinzug verpassten, greift die Equipe tricolore am Sonntag in Moskau (17 Uhr im LIVETICKER) entweder gegen Kroatien oder England nach ihrem zweiten WM-Titel. (Alle Ergebnisse im Überblick)
"Ich bin sehr glücklich. Es war sehr schwer gegen dieses gute belgische Team. Ich ziehe den Hut vor meinen Spielern", sagte Deschamps, der beim Triumph 1998 bei der Heim-WM in Frankreich noch als Spieler auf dem Rasen stand. Nun kann er in die Fußstapfen von Franz Beckenbauer und dem Brasilianer Mario Zagallo treten und als erst Dritter neben den beiden Legenden als Trainer und Spieler Weltmeister werden.
Umtiti: "Wir waren echte Kerle"
Siegtorschütze Umtiti schwärmte: "Ich platze vor Stolz. Wir haben Druck gemacht, ich hatte das Glück zu treffen. Wir haben ein großes Match abgeliefert, wir waren echte Kerle."
Während die Franzosen nach dem Titel 1998 und der Finalniederlage gegen Italien in Berlin 2006 ihren dritten Anlauf auf den Goldpokal nehmen, bleibt Belgiens goldene Generation vorerst ungekrönt. Kevin De Bruyne, Eden Hazard und Co. ereilte das Schicksal ihrer Vorbilder. Jean-Marie Pfaff und seine Mitstreiter hatten 1986 das WM-Halbfinale 0:2 gegen Argentinien verloren.
"Das Spiel war sehr eng. Die Einstellung meiner Spieler war fantastisch. Einer muss gewinner, einer verlieren. Aber meine Spieler haben Großes geleistet", sagte Belgiens Trainer Roberto Martinez und fügte mit Blick auf das Spiel um Platz drei am Samstag an selber Stelle hinzu: "Wir müssen diese Enttäuschung hinter uns lassen und versuchen, dass Turnier mit einem positiven Gefühl zu beenden."
Hazard setzt Nadelstiche
Belgien kam nach einer Abtastphase wesentlich besser ins Spiel als die Franzosen, Hazard gab auf Vorlage von De Bruyne den ersten Warnschuss ab (15.). Vier Minuten später schloss der Spielmacher vom FC Chelsea erneut gefährlich ab, Raphael Varane fälschte den Schuss gerade so noch zur Ecke ab.
Kurz darauf (22.) zwang Toby Alderweireld Frankreichs Torwart Hugo Lloris mit einem Drehschuss zu einer Glanzparade - Les Bleus hätten sich über einen Rückstand vor 64.286 Zuschauern nicht beklagen können.
Pavard hat Frankreichs Führung auf dem Fuß
Frankreichs beste Chance vor der Pause hatte der Stuttgarter Benjamin Pavard (39.). Erneut mustergültig vorbereitet von Mbappe, kam der Außenverteidiger aus spitzem Winkel frei zum Schuss, doch Belgiens Schlussmann Thibaut Courtois parierte großartig mit dem Fuß.
Frankreichs Staatschef Emanuel Macron, Königin Mathilde und König Philippe von Belgien mussten nach der intensiven ersten Hälfte auf der Ehrentribüne erst mal durchschnaufen.
Danach bekamen die Franzosen die Partie immer besser in den Griff. Nach der schnellen Führung wuchs das Selbstvertrauen der Blauen weiter an. Belgiens Trainer Roberto Martinez brachte in Dries Mertens einen weiteren Angreifer, De Bruyne rückte dafür auf die Sechs.
Mertens leitete dann auch Belgiens erste große Chance nach der Pause mit einer Flanke ein. Fellaini machte seinen Fehler beinahe gut, verfehlte aber per Kopf das französische Tor knapp (65.). Die letzte Chance zum Ausgleich besaß Axel Witsel (81.), der Rest war französischer Jubel.