Harry Kane war außer Atem, aber überglücklich - mit einem Treffer kurz vor dem Abpfiff hat der Superstar der jungen und dynamischen englischen Nationalmannschaft einen verdienten WM-Auftaktsieg gerettet.
Kane rettet England Auftaktsieg
Der mit 24 Jahren jüngste Kapitän in der WM-Geschichte der Three Lions erzielte beide Tore zum 2:1 (1:1) gegen Tunesien, den Siegtreffer erst in der ersten Minute der Nachspielzeit (90.+1). Mit einem Urschrei drehte Kane ab und rutsche auf Knien der Eckfahne entgegen.
"Der Hammer. Ich bin so stolz auf die Jungs, sie haben nie nachgelassen. Es war nur gerecht, dass wir es am Ende geschafft haben", sagte der Matchwinner.
Ehe der Torjäger von Tottenham Hotspur England erlöste, hatten die verjüngten Three Lions von Coach Gareth Southgate die unangenehmen, spielerisch limitierten Nordafrikaner phasenweise an die Wand gespielt. Dabei offenbarte der Weltmeister von 1966 allerdings eine eklatante Abschlussschwäche, die ihm beinahe zum Verhängnis geworden wäre. "Wir hätten ein paar Tore mehr erzielen können", sagte Kane. (LIVETICKER zum Nachlesen)
Mitverantwortlich für das Zittern um den Sieg war Kyle Walker, der Tunesien durch einen ausgefahrenen Ellenbogen einen Foulelfmeter schenkte: Ferjani Sassi nahm dankend an und küsste umgehend den Punkt (35.).
Elfer sorgt für hitzige Diskussionen
Die Entscheidung des kolumbianischen Schiedsrichters Alexander Guzman wurde allerdings von wütenden Protesten der Engländer begleitet. Vielmehr war Tunesiens Fakhreddine Ben Youssef in den ausgestreckten Arm von Walker gelaufen und daraufhin theatralisch zu Boden gegangen. Doch trotz der Reklamationen blieb Guzman bei seiner Entscheidung.
England-Idol Gary Lineker bezeichnete via Twitter die Entscheidung als "lächerlich" und schrieb vom "sanftesten Elfmeter überhaupt".
Kane hält sich mit Schiri-Kritik zurück
Auf dem Feld habe es nicht nach Elfmeter ausgesehen, meinte Kane in der ARD. "Das ist sicherlich Ansichtssache. Wir hätten auch den einen oder anderen Elfmeter bekommen können. So ist das im Fußball, die Schiedsrichter entscheiden. Manche Dinge passieren im Fußball ohne Grund. Wir sind froh über den Sieg."
Kane, wer sonst, hatte die Engländer in Führung gebracht (11.), doch seine Mitspieler überboten sich im Auslassen von Chancen. Bitter, denn so flott wie am Montagabend vor 41.064 Zuschauern hat eine englische Mannschaft lange nicht mehr gespielt. Zuvor hatte in der Gruppe G Belgien gegen Panama gewonnen (3:0). (Alle Ergebnisse im Überblick)
England startet stürmisch
Die Engländer begannen genau so, wie sie es sich vorgenommen hatten: angriffslustig wie die lästigen Mückenschwärme, die den ganzen Tag über Wolgograd heimgesucht hatten und am Abend auch Spielern und Zuschauern zu schaffen machten. 3. Minute: Jesse Lingard scheitert aus kurzer Distanz an Torhüter Mouez Hassen; immer noch 3. Minute: Harry Maguire köpft knapp am Tor vorbei; 5. Minute: Dele Alli legt wunderbar quer auf Raheem Sterling - der verstolpert kläglich.
Den Tunesiern schwirrte also schon früh der Kopf, und wie auf Bestellung war es schließlich Kane, der jüngste Kapitän in der englischen WM-Geschichte, der die Führung erzielte. Nach einem Kopfball von John Stones, prächtig pariert von Hassen, staubte der vielseitige Torjäger ab. Tunesiens Torhüter, der sich schon bei der englischen Torchance nach fünf Minuten verletzt hatte, musste danach mit einer lädierten Schulter mit Tränen in den Augen vom Feld (15.).
Lingard scheitert am Pfosten
Tunesien hatte bei seinen bisherigen vier WM-Teilnahmen nur ein Spiel gewonnen, vor 40 Jahren in Argentinien gegen Mexiko (3:1) - und nichts ließ darauf schließen, dass ein zweiter hinzukommen würde. Jordan Henderson vom FC Liverpool fing im Mittelfeld fast alles ab, Alli und Lingard waren kaum in den Griff zu bekommen. Dann aber fuhr Walker im Strafraum den Ellenbogen aus. England hätte da schon klar führen müssen.
Auch nach dem Ausgleich gab es genug Chancen, die Fehlversuche beim Abschluss aber besaßen bisweilen Slapstick-Charakter. Kurz vor der Pause spitzelte Henderson den Ball an Ersatztorhüter Farouk Ben Mustapha vorbei - an den Pfosten (44.). Die zweite Halbzeit war dann nicht mehr ganz so spektakulär. England hatte sich offenkundig schon zu sehr verausgabt. Alli und Lingard traten nun kaum noch in Erscheinung - dafür aber Kane.