Die historische Schmach vorerst abgewendet, den vorzeitigen Totalschaden verhindert:
Stimmen: Kroos kontert Kritiker
Der angeschlagene Titelverteidiger Deutschland hat bei der WM in Russland dank Toni Kroos wieder gute Chancen auf das Weiterkommen.
Der Champions-League-Sieger von Real Madrid erzielte nach einer nervenaufreibenden Zitterpartie gegen Schweden in Unterzahl den erlösenden Siegtreffer zum schwer erkämpften 2:1 (0:1) in der Nachspielzeit (90.+5).
So knapp der Last-Minute-Coup von Sotschi zustande kam, so groß war anschließend auch die Freude:
Matchwinner Kroos macht den Kritikern eine selbstbewusste Ansage. Bei Thomas Müller fliegen die Schmetterlinge. Schwedens Trainer ätzt gegen die Deutschen.
SPORT1 fasst die Stimmen von der ARD, der Pressekonferenz und aus der Mixed Zone zusammen:
Joachim Löw (Bundestrainer): "Der Sieg kam glücklich in der Nachspielzeit und in Unterzahl zustande. Letztendlich war es schon auch verdient, weil wir an uns geglaubt haben, drangeblieben sind. Wir haben eine sehr gute Moral bewiesen. Eigentlich hatte Schweden nur zwei Möglichkeiten. So ein Fehler passiert auch einem Spieler wie Toni Kroos. Ich freue mich sehr, dass er dann das Tor erzielt hat. Heute haben wir bei weitem weniger Fehlpässe gesehen als gegen Mexiko. Bei unserem offensiven Drang kann ein Fehler immer zu einem Gegentor führen."
...über seine Halbzeitansprache: "In der Kabine habe ich gesagt, dass wir Ruhe bewahren: 'Wir haben 45 Minuten, wir dürfen nicht in Panik verfallen und vielleicht anfangen, mit langen, hohen Bällen ständig zu spielen, sondern die Schweden weiter versuchen müde zu spielen, Chancen herausspielen und noch mal mehr in die Tiefe gehen mit Thomas Müller, Timo Werner oder Marco Reus. Wir werden unsere Chancen bekommen.' Das waren meine Worte an die Mannschaft."
...über die Nicht-Berücksichtigung von Mesut Özil: "Wir werden ihn und seine Kreativität in diesem Turnier noch brauchen."
Toni Kroos: "Wir haben die Phasen, in denen wir richtig gut waren, wieder nicht genutzt. Wir hätten schon in den ersten zehn Minuten treffen müssen. Auch in der Phase nach unserem Ausgleich haben wir verpasst, in Führung zu gehen. So, wie wir gefightet haben, haben wir uns das am Ende aber verdient. Jetzt müssen wir uns erholen, müssen Südkorea schlagen und überzeugend auftreten."
...über die Kritik an der Nationalmannschaft: "Wir wurden viel kritisiert, teilweise auch zu Recht. Man hatte sogar das Gefühl, relativ viele Leute in Deutschland hätte es gefreut, wenn wir heute rausgegangen wären. Aber so einfach machen wir es denen nicht."
...woher er den Eindruck bekommt, der Mannschaft würde das Aus gegönnt: "Das ist eine gute Frage. Ich gewöhne es mir ab, mir irgendwas anzuschauen oder zu lesen. Aber wer sich da heutzutage alles zu Wort meldet und was auch geschrieben wird... Bei mir kommt ein Gefühl rüber - und das bezieht sich nicht auf die Fans, die auf die Fanmeilen gehen - es macht viel mehr Spaß, schlecht über uns zu schreiben, zu reden oder zu analysieren. Wenn das Gefühl falsch ist, tut es mir leid, aber ich hatte das Gefühl ganz klar in den letzten vier, fünf Tagen. Von daher kriegen wir von allen, die schreiben und die uns Körpersprache absprechen, keine Hilfe. Es wird uns keiner zum Titel schreiben, wir müssen das selbst machen, das muss von uns kommen. Wir wissen, dass viele Fans in Deutschland hinter uns stehen, die am Fernseher zuschauen. Aber mehr Hilfe kriegen wir nicht."
...über seinen Fehler vor dem schwedischen Tor: "Das erste Tor geht auf meine Kappe. Das ist keine Frage. Wenn du im Spiel 400 Pässe spielst, kommen zwei auch mal nicht an. Du musst dann aber auch die Eier haben und so eine zweite Halbzeit spielen. Das sehen dann aber wieder die Wenigsten."
...über den Freistoß zum 2:1: "Marco wollte erst direkt schießen. Da hab' ich zu ihm gesagt: Hm, davon bin ich nicht überzeugt. Und dann haben wir uns für den Weg entschieden, den Ball einfach nochmal kurz reinzuspielen, um einen besseren Winkel zu bekommen für den Schuss - und dann eben auch abzuziehen."
Marco Reus: "Tonis Schuss, was soll man dazu sagen? Bei dieser WM sind sehr viele Tore zum Schluss gefallen, heute war das Glück auf unserer Seite. Wir haben gut angefangen, hatten aber nicht die dicken Chancen. Schweden hat es gut gemacht, stand kompakt und eng. Es ist auf dem Platz schwer zu sagen, warum wir die Fehler machen. Toni hat den Fehler gemacht, hat ihn ausgebügelt und damit alles richtig gemacht."
Thomas Müller: "Wir haben alles reingelegt und wurden am Schluss belohnt. Stimmt, wir waren in Unterzahl. Wir haben versucht, nicht aufzugeben und gesagt, wir müssen bis zur letzten Sekunde dranbleiben. Manchmal wird man belohnt. Jetzt fliegen natürlich die Schmetterlinge. Das kann ein Wendepunkt sein. Das werden wir erst nach dem Turnier sehen, aber jetzt sind wir im Turnier."
Joshua Kimmich: "Wir repräsentieren unser ganzes Land. Wenn man das so in der Presse verfolgt, ist das schon heftig, was da abgeht. Wie das angeheizt wird. Wenn wir dieses große Ziel erreichen wollen, müssen wir an einem Strang ziehen. Ich verfolge das nicht in anderen Ländern, aber ich würde mir wünschen, dass alle hinter uns stehen. Wir kritisieren uns teilweise auch selbst. Und wir wissen auch, dass wir im ersten Spiel nicht gut gespielt haben. Es ist immer so, dass sich viele Experten zu Wort melden und das Ganze anheizen. Das sehe ich als unnötig an. Man hat einfach nicht das Gefühl, dass das ganze Land hinter einem steht. Die Zuschauer vielleicht schon, aber gerade was die Presse angeht, da bekommt man einen anderen Eindruck."
Sebastian Rudy: "Die Nase ist leider gebrochen. Es hört sich schlimmer an, als es vielleicht ist. Wir wissen morgen auf jeden Fall mehr, was man machen muss. Nur Einrenken wäre gut für mich. Morgen machen wir Röntgenbilder. Ich gebe niemandem die Schuld. Das passiert in der Aktion. Es ist ein bisschen unglücklich. Es war heute einfach ein bisschen Pech bei der Aktion dabei. Ich hoffe, dass es bis Mittwoch reicht."
...zum Siegtor: "Ich war in der Kabine und musste mich hinlegen, da die Blutung nicht aufgehört hatte. Dann habe ich gehört, dass alle jubeln. Dann bin ich schnell zum Fernseher."
Janne Andersson (Trainer Schweden): "Einige der Deutschen fingen an zu feiern, indem sie in unsere Richtung liefen und Gesten zu machen, das hat mich sehr geärgert, das war respektlos. Wir haben 90 Minuten gekämpft, wenn dann der Schlusspfiff ertönt, schüttelt man sich die Hand und verhält sich nicht so. Ich habe mich wirklich sehr darüber geärgert. Wir haben 95 Minuten gekämpft, stehen aber am Ende mit leeren Händen da. Das war sehr enttäuschend. Die TV-Bilder haben gezeigt, dass es in der ersten Hälfte ein Elfmeter hätte für uns sein müssen."
Emil Forsberg: "In der zweiten Halbzeit hat man gesehen, dass Deutschland jetzt gut drauf ist. Die erste Halbzeit war etwas zu locker. Gegen den Freistoß kannst du nichts machen. Das war einfach ein Weltklasse-Freistoß."
...über den Zoff zwischen den Schweden und den Deutschen nach dem Abpfiff: "Ich habe gehört, dass sie vor uns gejubelt haben. Sie haben sich nach dem Spiel bei uns in der Kabine entschuldigt. Sowas macht man nicht. Aber es ist fair, dass sie danach reingekommen sind."
Oliver Bierhoff (Manager Nationalmannschaft): "Die Gefühle und Emotionen sind ein bisschen übergeschwappt. Ich hatte Diskussionen mit den Schweden. Ich war verärgert über deren destruktives Spiel, und Zeitspiel sollte nicht belohnt werden. Es ist eine super Sache, das Ding mit einem Mann weniger noch zu drehen. Das Manko war, dass wir unsere Linie verlieren und uns mit Fehlpässen in die Bredouille spielen. Da müssen wir ruhiger und konzentrierter sein. Es werden die Karten neu gemischt werden für das letzte Spiel, die große Bank wird uns helfen."
Reinhard Grindel (DFB-Präsident): "Wir haben deutlich besser gespielt als gegen Mexiko und eine deutliche Reaktion gezeigt. Es hat auch den einen oder anderen Fehler gegeben, aber da war Zug drin, es gab eine klare Zuordnung und Kombinationen, die wir gegen Mexiko nicht gesehen haben. Joachim Löw hat Veränderungen vorgenommen, die sich alle als richtig erwiesen haben. Wir müssen aufhören, nach einem Spiel alles schlecht zu reden. Ich glaube, dass solch eine Erfahrung und so ein Erlebnis Kräfte freisetzt."
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