Gernot Rohr wirkte wie befreit, als wäre eine zentnerschwere Last von seinen Schultern gefallen. Überglücklich wuschelte der deutsche Trainer der Super-Adler seinem Doppeltorschützen durch das Haar, und Ahmed Musa gab die Streicheleinheiten zurück.
Rohr mit Nigeria wieder auf Kurs
Während die beiden nigerianischen Helden des Abends ausgelassen das 2:0 (0:0) über Island feierten, starrten die starken Männer aus dem hohen Norden Europas geschlagen ins Nichts. (LIVETICKER zum Nachlesen)
Nach zwei völlig unterschiedlichen Halbzeiten in Wolgograd fliegen die "Super Eagles" dem WM-Achtelfinale entgegen - dank Musas Toren (49./75.) und Rohrs Erfahrung. "In der zweiten Halbzeit war es ein ganz anderes Team, weil wir realisiert haben, dass wir mehr tun müssen", sagte der 64-Jährige, der nach einer katastrophalen ersten Hälfte die richtigen Worte gefunden hatte - und nun als Vorbild für Landsmann Joachim Löw dienen kann.
Auch die deutsche Mannschaft will mit einem Sieg gegen Schweden (Sa. ab 20 Uhr im LIVETICKER) wieder das Achtelfinale ins Visier nehmen.
Balogun: "Trainer war sehr kritisch"
"Der Trainer war in der Pause sehr kritisch", sagte Abwehrchef Leon Balogun aus Mainz: "Wir wären dumm, wenn wir jetzt nicht alles für den Einzug ins Achtelfinale geben würden." Auch der überragende Musa richtete den Blick bereits nach vorne: "Wir müssen uns jetzt auf das nächste Spiel konzentrieren. Es geht um Alles oder Nichts." (Die Tabelle der Gruppe D)
Am kommenden Dienstag (ab 20 Uhr im LIVETICKER) warten die bislang enttäuschenden Argentinier mit Lionel Messi, die plötzlich wieder Hoffnung schöpfen. "Der Sieger wird für das Achtelfinale qualifiziert sein", sagte Rohr, dessen Mannschaft aber auch ein Unentschieden reichen könnte. (Alle Ergebnisse im Überblick)
Island braucht Wunder
Die Wikinger sind dagegen nach der harten Landung weit von der K.o.-Runde entfernt. "Respekt an Trainer Rohr, er hat einen wunderbaren Job gemacht", sagte Islands Trainer Heimir Hallgrimsson anerkennend. Die einzige Chance in der zweiten Halbzeit vergab der ehemalige Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson kläglich, als er einen Foulelfmeter über das Tor schoss (83.).
"Es war kein brillantes Spiel von uns. Es war hart, und das Wichtigste: Nigeria hat sehr gut gespielt", sagte Hallgrimsson. (Der WM-Spielplan)
Die Isländer hatten ihren neuen "Superstar" Rurik Gislason in die Startelf befördert, doch der Zweitligaspieler des SV Sandhausen, der durch seinen Kurzeinsatz gegen Argentinien (1:1) zum weltweiten Sexsymbol aufgestiegen war, blieb sportlich unauffällig.
Sigurdsson mit zwei Chancen
Im Mittelpunkt des Geschehens stand zunächst Gylfi Sigurdsson. Der Regisseur scheiterte mit einem Freistoß nur knapp an Nigerias Torwart Francis Uzoho (3.) und bediente wenig später den Augsburger Alfred Finnbogason (6.) bei der zweiten Chance der Isländer. Ein erstes "Huh!" ertönte im Stadion.
Die Nigerianer überboten sich in der ersten Halbzeit an Harmlosigkeit. Trainer Rohr atmete erleichtert auf, als Finnbogason den Ball mit der Hüfte am Tor vorbei beförderte (45.) und Jon Bodvarsson (45.+1) per Kopf zu ungenau zielte. Das 0:0 zur Pause war für Nigeria glücklich, für Island viel zu wenig.
Nach dem Seitenwechsel stellten die Nigerianer den Spielverlauf auf den Kopf: Musas erstes Tor weckte die 40.904 Zuschauer aus dem Halbschlaf. Eingeleitet hatte den Treffer der beste Spieler auf dem Platz: Victor Moses vom FC Chelsea. Musa avancierte damit zum ersten Nigerianer, der bei zwei Weltmeisterschaften getroffen hat, legte nach und feierte Arm in Arm mit Gernot Rohr.