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Attacke auf Nivel: Schande von Lens

Vor 25 Jahren brachten deutsche Hooligans den Polizisten Daniel Nivel bei der WM in Frankreich fast um. Bundeskanzler Helmut Kohl sprach von „einer Schande für unser Land“.
Deutsche Fans bitten bei der WM 1998 in Frankreich um Entschuldigung - zuvor war der französische Polizist Daniel Nivel brutal zusammengeschlagen und schwer verletzt worden
Deutsche Fans bitten bei der WM 1998 in Frankreich um Entschuldigung - zuvor war der französische Polizist Daniel Nivel brutal zusammengeschlagen und schwer verletzt worden
© IMAGO/Sven Simon
Vor 25 Jahren brachten deutsche Hooligans den Polizisten Daniel Nivel bei der WM in Frankreich fast um. Bundeskanzler Helmut Kohl sprach von „einer Schande für unser Land“.

Es war einer der schwärzesten Tage der deutschen WM-Historie. Der damalige DFB-Präsident Egidius Braun überlegte sogar, die Mannschaft aus dem Turnier in Frankreich zurückzuziehen.

Am 21. Juni 1998 wurde der französische Polizist Daniel Nivel bei der WM von deutschen Hooligans in Lens verprügelt. Noch heute leidet er unter den Folgen, sein Schicksal ist noch immer bedrückend.

Opfer deutscher Hooligans kann nicht mehr sprechen und lesen

Denn 25 Jahre nach dem Verbrechen ist Nivel halbseitig gelähmt und auf einem Auge blind. Er kann weder riechen noch schmecken und nur sehr schlecht hören, berichtet die Sport Bild im Juni 2023, nachdem sie das Ehepaar Nivel besuchte.

„Das Schwierigste ist, dass er nicht mehr sprechen kann, während eines Gesprächs nicht mehr das sagen kann, was er sagen möchte. Die Fähigkeit, sich ausdrücken zu können, fehlt ihm sehr“, sagte Nivels Ehefrau Lorette der Sport Bild. „Außerdem ist es ein großer Verlust, nicht mehr lesen und schreiben zu können.“

Nivel nach Attacke sechs Wochen im Koma

Am Ort des Verbrechens, in der Rue Romuald Pruvost, erinnert mehr an den 21. Juni 1998. Das Haus mit der Nummer 74 ist abgerissen, der Bürgersteig, auf dem das Leben von Daniel Nivel zerstört wurde, ist verschwunden. Doch die Erinnerungen an diesen schockierenden Tag in Lens lebt auch heute weiter.

„Das Schicksal von Daniel Nivel mahnt uns, dass wir jeglicher Form von Gewalt in und außerhalb der Stadien die Rote Karte zeigen müssen“, sagte der ehemalige DFB-Präsident Reinhard Grindel 2018 zum 20. Jahrestag der schockierenden Tat.

Nivel, zur Zeit der Attacke ein 43 Jahre alter Vater von zwei Kindern, liegt nach der Attacke sechs Wochen im Koma. Nach dem Aufwachen ist nichts mehr wie vorher. Der inzwischen 68-Jährige selbst hat keine Erinnerungen mehr an den Überfall.

Hunderte deutsche Hooligans waren anlässlich des Gruppenspiels der DFB-Auswahl gegen Jugoslawien nach Lens gereist, deutschlandweit wurde in Szenekreisen zu einem erneuten "Feldzug nach Frankreich" aufgerufen.

Doch eine offenbar geplante verabredete Schlägerei mit jugoslawischen Hooligans wurde durch die französische Polizei vereitelt.

Verprügelt mit einem Schild

Nivel und zwei Kollegen taten zu diesem Zeitpunkt Dienst in einer Seitenstraße, am Morgen des Tages, so erzählte es seine Frau Lorette Nivel in einer NDR-Dokumentation, habe sie ihren Mann noch ganz gewöhnlich verabschiedet. "Pass auf dich auch", habe sie noch gesagt.

Doch später am Tag passiert eine Gruppe alkoholisierter deutscher Schläger die Rue Romuald Pruvost und geht auf die kleine Gruppe Polizisten los. Zwei Kollegen Nivels können fliehen, er nicht. Mit Fäusten, einem Gewehraufsatz aus Metall und sogar einem Reklameschild prügeln und treten sie zwei Minuten lang auf Nivel ein.

Die Bilder, die Nivel auf dem Bürgersteig in seinem Blut liegend zeigen, machen auch 25 Jahre danach noch immer betroffen, ratlos - sie verstören.

"Daniel haben sie seine Freiheit für immer genommen"

Deutschland und Frankreich stehen nach der Tat unter Schock. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl nennt die Täter eine "Schande für unser Land", DFB-Präsident Egidius Braun erwägt, das deutsche Team von der WM zurückzuziehen.

„Lennart Johansson (damaliger UEFA-Präsident, d. Red.) und auch Helmut Kohl überzeugten mich, dass das nicht der richtige Weg gewesen wäre. Die Gewalttäter hätten über den Sport obsiegt“, sagte Braun dem kicker: „Der Überfall auf Daniel Nivel war ein fürchterliches Verbrechen.“

Die deutsche Bevölkerung hilft mit Spenden, der DFB gründet die Daniel-Nivel-Stiftung, die sich bis heute unter anderem um Gewaltprävention kümmert. Der Verband versprach, sich auf unbefristete Zeit um die Familien zu kümmern.

Mehrmals war Nivel auf Einladung Gast des DFB bei Fußballspielen. Im September 2023 werden Daniel und Lorette zum Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Frankreich nach Dortmund reisen.

Die Täter erhalten später Haftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren. Für die Familie, die beim Prozess teilweise anwesend war, ein schwacher Trost. „Sie kamen ja wieder aus dem Gefängnis, sie bekamen ihr Leben zurück“, sagte Ehefrau Lorette: „Daniel haben sie seine Freiheit für immer genommen.“

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)