Es muss sich schlimm anfühlen, als gestandener Profi derart abgewatscht zu werden - bei allem Verständnis für die Härte des Geschäfts. Es hatten sich bei Timo Werner 16 Ballverluste in der ersten Hälfte zugetragen, da ereilte den deutschen Stürmer in Diensten von Tottenham Hotspur die Höchststrafe.
Dieser Werner-Vorwurf wiegt am Schwersten
Nicht nur, dass der 57-malige Nationalspieler beim 1:1 in der Europa League bei den Glasgow Rangers von Ange Postecoglou bereits zur Halbzeitpause ausgewechselt worden war.
Viel bitterer klangen die Worte des Trainers. „Er hat nicht annähernd auf dem Niveau gespielt, auf dem er hätte spielen sollen“, wetterte Postecoglou über Werner und warf dem Routinier zugleich vor, seiner Vorbildfunktion im Team nicht gerecht geworden zu sein: „Wenn 18-Jährige spielen, ist das für mich nicht akzeptabel, und das habe ich auch Timo gesagt.“
Spurs-Coach watscht Timo Werner ab
Das vernichtende Urteil (“Er ist deutscher Nationalspieler in der höchsten Spielklasse“) markiert den vorläufigen Tiefpunkt in Werners ohnehin schon seit Jahren wechselvollen Karriere. Es wirft zudem die Frage auf, wie es mit dem früheren Bundesliga-Star weitergeht.
Mit bereits 28 Jahren womöglich nicht mehr das allzu große Entwicklungspotenzial zu besitzen, ist dabei das Eine - genauso wie einen schwarzen Tag zu erwischen, wie die Daten im Duell mit den Schotten dokumentieren: Danach gewann Werner laut BBC keinen seiner fünf Zweikämpfe, er brachte zudem gerade mal 69 Prozent seiner Pässe an seine Mitspieler. Eine erschreckende Bilanz.
Was indes schwerer wiegt, ist der Vorwurf, sich bewusst zu verweigern, mögliche Leistung abzurufen, wie es Postecoglou recht unverhohlen formulierte: Das Mindeste sei, dass seine Spieler „wenigstens versuchen, ihr Bestes zu geben.“
Dass er es kann, hatte Werner in der Vergangenheit durchaus bewiesen. Im Alter von 17 Jahren und 249 Tagen avancierte er bei seinem Ausbildungsklub VfB Stuttgart unter anderem zum jüngsten Doppeltorschützen der Bundesliga - es folgten Stationen zu RB Leipzig und die erste Nominierung ins DFB-Team, der Stürmer fuhr unter anderem mit zur WM in Russland und stand im EM-Kader 2021, gewann mit dem FC Chelsea im gleichen Jahr zudem den Champions-League-Titel.
Immer wieder Aufreger - wie Schwalbe gegen Schalke
Meilensteine in der sportlichen Vita, die aber immer wieder von dunklen Schatten überlagert wurden. Was nach Ansicht mancher Experten und Beobachter neben immer wieder zu Tage tretendem Verletzungspech vielleicht auch mit Werners ganz eigenen Art und seinem Auftreten zusammenhängt.
Als sich der gebürtige Schwabe vor gut acht Jahren, damals schon für die Leipziger am Ball, gegen Schalke 04 im Strafraum fallen ließ, sich danach für den geschenkten wie selbst verwandelten Elfmeter feiern ließ und eine Debatte über Anstand und Moral im Fußball lostrat, stieß das vielerorts auf.
Genauso wie die VfB-Fans Werner bis heute nicht den Wechsel zum RB-Konstrukt verziehen haben. Eine Mittelfinger-Eklat 2018 bei der Niederlage in der Europa League beim Bruderklub Red Bull Salzburg tat ein Übriges.
Wirkliche Image-Pflege gelang Werner in den vergangenen Jahren nur noch bedingt - ungeachtet seiner fußballerischen Qualitäten als Vollstrecker (102 Tore in 258 Bundesliga-Spiele / 12 Tore in 81 Premier-League-Spielen / 17 Tore in 43 Champions-League-Spielen). Trotz Werners Gabe, pfeilschnell mit großem Beschleunigungsvermögen unterwegs sein zu können, gepaart mit einem festen Schuss und Kopfballstärke, was ihn eigentlich gerade für auf Konter ausgelegte Mannschaften prädestinieren sollte
Wochen der Wahrheit zum Jahres-Kehraus
Doch die Bewertung dessen sieht anders aus. In der Zeit war dazu einst lapidar von einer Inselbegabung geschrieben worden, die an Lukas Podolski erinnere und dessen linken Fuß als nur bedingt nutzbringendes Alleinstellungsmerkmal.
Steht Werner nun also mehr denn je am Scheideweg seines Fußballer-Lebens? War‘s das etwa gar für Werner, was die ganz großen Karriere-Etappen anbelangt, nachdem der Wechsel zu den Spurs auf Leihbasis bereits dem Umstand geschuldet war, nach seiner Rückkehr zu den Leipzigern nicht mehr richtig Fuß fassen zu können? Ist er gar ein Auslaufmodell?
Die Antwort darauf könnten bereits die kommenden Wochen und der Jahresendspurt zeigen, wenn die Spurs in der Premier League auf den FC Southampton (15. Dezember) und im League-Cup-Viertelfinale auf Manchester United (19. Dezember) treffen, ehe es am Boxing Day (26. Dezember) bei Aufsteiger Nottingham Forest gilt.