„Die Liebe der Fans“, sagte Eintracht-Trainer Oliver Glasner im Gespräch mit hr-sport, „ist unglaublich.“
Wie Glasner Eintracht erobert hat
Der Österreicher war von den Feierlichkeiten in der Innenstadt rund um den Römer begeistert, es waren Bilder für die Ewigkeit nach dem großen Triumph in der Europa League. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Europa League)
Glasner ist der große Triumphator
Und sie sind eng mit Glasner verbunden. Aus einem Coach, der in seiner Zeit beim VfL Wolfsburg unter dem Radar der Öffentlichkeit lief und dem das Etikett „blass“ anheftete, ist der große Triumphator geworden. Die Eintracht ist nicht nur der erste deutsche Europa-League-Sieger seit 1997.
Die Frankfurter sind zudem neben dem FC Bayern München, der in diesen 25 Jahren dreimal die Champions League gewonnen hat, der einzige Bundesligist mit einem internationalen Titel in diesem Zeitraum. Der 47-Jährige ist im Olymp der großen Trainer angekommen, das Warten auf einen internationalen Titel hat nach 42 Jahren sein Ende gefunden. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Europa League)
Die Anhängerschaft der Eintracht hat Glasner rasch ins Herz geschlossen. Als zu Beginn seiner Amtszeit noch nicht alles rund lief und sich die Suche nach der richtigen Formation schwierig gestaltete, hatte das Publikum die nötige Geduld. Mit seinem feinen Humor kam Glasner gut an, auch sein Spruch, dass er sich nach einer 1:2-Niederlage „vielleicht mal einen hinter die Binde kippen müsse“, brachte ihm Pluspunkte ein. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Europa League)
Ein Tritt gegen den Ball als Schlüsselerlebnis
Ein Schlüsselerlebnis war sein Wutausbruch Anfang November im Duell bei Olympiakos Piräus. Wieder einmal lief nur wenig zusammen bei seinem Team und dann trat Glasner das Leder kraftvoll in Richtung Ränge weg und regte sich enorm auf. „Ich habe mitgefiebert, aber das war natürlich nicht in Ordnung“, entschuldigte er sich nach dem glücklichen 2:1-Erfolg in Griechenland. Doch augenzwinkernd ergänzte er: „Ich denke, ich hätte ihn noch besser treffen können. Er ist mir schon etwas abgerutscht.“ (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Europa League)
Glasner integrierte sich peu à peu in die neue, große Frankfurter (Fußball-)Welt. Am Main geht alles etwas hektischer, wilder zu als zuvor in Linz oder Wolfsburg. Glasner aber gefällt dieses Flair. Er ist ein Mann des Volkes, dreht gerne seine Runden durch die Innenstadt, besucht die Apfelwein-Stuben oder Bars. Glasner hat keine Berührungsängste, es menschelt bei ihm.
Fans lassen Glasner hochleben
Die Fans honorierten auch, wie er seinen Unfall zu Silvester weggesteckt hat. Mit dem E-Roller ist Glasner regelmäßig unterwegs, in der Neujahrsnacht lief es allerdings schief. „Leider war ich einen kleinen Moment unaufmerksam und bin unglücklich gestürzt“, erklärte er nach seiner Operation am Jochbein. Wenige Tage später betreute er die Mannschaft am Seitenrand gegen Borussia Dortmund dennoch und zeigte, dass ihn so schnell nichts aus der Bahn wirft.
Bei den Feierlichkeiten an den Europa-League-Festtagen stand Glasner deshalb auch regelmäßig im Mittelpunkt. Nach dem 3:2-Erfolg in Barcelona setzte er im Camp Nou vor der weißen Eintracht-Wand zum Diver unter der im Spalier stehenden Mannschaft an – und nahm die gerissene Hose nach dem „Tauchgang“ schmunzelnd in Kauf. Die Anhängerschaft skandierte auch nach dem Triumph gegen die Glasgow Rangers lautstark seinen Namen, ließ ihn mit Europapokal in der Hand hochleben.
Im Herbst findet Glasner sein Erfolgssystem
Glasner ist jedoch nicht nur bei den Fans, sondern auch bei der Mannschaft voll angekommen. Djibril Sow sagte bereits im November bei SPORT1: „Ich habe Vertrauen in den Trainer und bin mir sicher, dass ich für die ganze Mannschaft spreche. Ansonsten wären solche Last-Minute-Tore wie in Fürth oder Piräus gar nicht möglich.“ Es war diese eine Woche, die vieles geändert hat. Leipzig mit eingerechnet (1:1) holte die Eintracht durch Treffer in der Nachspielzeit fünf (!) Punkte mehr.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Glasner bei der Suche nach der richtigen Grundordnung viel probiert. 4-2-3-1, 3-5-2, 5-4-1, 4-4-2 mit Doppelsechs – nichts fruchtete, das Pokalaus und ein Rang im unteren Bereich waren die Folge. Doch die Umstellung auf ein 3-4-2-1-System mit den zwei Spielmachern Daichi Kamada und Jesper Lindström hinter dem „einsamen Eintracht-Stürmer“ Rafael Borré hatte sich im Herbst ausgezahlt. Die Achse um Kevin Trapp, Martin Hinteregger, Evan N‘Dicka, Djibril Sow und Filip Kostic fand ihre Form, das Team bekam dadurch Sicherheit und Stabilität und kletterte tabellarisch zwischenzeitlich auf Rang sechs.
Glasner: „Vielleicht manchmal zu viele Informationen für die Spieler“
Glasner hatte sich flexibel gezeigt und dabei auch etwas auf die Bremse getreten. Im Gespräch mit Eintracht TV gab er nach Abschluss der Hinserie zu, dass er die Spieler womöglich etwas überfrachtet habe: „Wir geben ihnen sehr viele Informationen an die Hand, vielleicht manchmal ein wenig zu viel. Man hat gemerkt, dass sie viel zu Denken hatten. Wenn du auf dem Platz zu viel denkst, wirst du langsam in den Handlungen. So war es auch.“
Obwohl der zweite Anzug des Kaders nicht passte und Rotation schwierig war, gab es keine öffentlichen Klagen von Glasner. Der frühere Profi arbeitete akribisch weiter, er entwickelte einzelne Spieler weiter. Ansgar Knauff etwa kam von Borussia Dortmund aus der dritten Liga und hat sich zu einem der europäischen Newcomer als rechter Schienenspieler entwickelt. Borré erzielte im Endspurt entscheidende Treffer, Tuta durfte als Hinteregger-Stellvertreter als Abwehrchef starten.
Mit Perfektionismus zum größten Erfolg der Vereinsgeschichte
Martin Hinteregger sagte zuletzt im Gespräch mit der österreichischen Kleine Zeitung: „Oliver ist ein Perfektionist, der aus jeder einzelnen Situation das Beste herausholen will. Da gibt es keine halben Sachen. Das ist auch der Grund, warum er Mannschaften besser machen kann. Er holt aus der Qualität, die wir im Kader haben, alles heraus. Das kann man ihm schon hoch anrechnen.“
Der Eintracht jedenfalls hat dieser Perfektionismus nicht geschadet. Im Gegenteil: Er mündete im größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Der Europa-League-Sieg macht nicht nur die mäßige Bundesliga-Saison vergessen. Er bedeutet internationale Anerkennung, Ehre, die erstmalige Champions-League-Teilnahme, ein europäisches Supercup-Spiel gegen Real Madrid oder den FC Liverpool - und Prämien in Höhe von 50 Millionen Euro und mehr. Die angelegten 1,6 Millionen Euro haben sich für die Hessen somit vollumfänglich rentiert.