Es war mal wieder einer dieser magischen Abende von Eintracht Frankfurt in der Europa League. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Europa League)
Schalke-Legenden unterstützen SGE
Die Hessen setzten sich im Viertelfinale gegen den FC Barcelona nach einem 1:1 im Hinspiel mit 3:2 im Camp Nou durch und spielen nun am Donnerstag im ersten Halbfinale beim Premier-League-Klub West Ham United (ab 21 Uhr im LIVETICKER). RB Leipzig empfängt zeitgleich zu Hause die Glasgow Rangers.
Zwei Partien - Hin- und Rückspiel - trennen die Frankfurter und Leipziger also noch vom Finale. Da war doch was. 1997 holte mit Schalke 04 der letzte deutsche Klub den UEFA-Pokal, der heute die Europa League ist.
Im Endspiel setzten sich die Königsblauen damals mit 1:0 im Parkstadion gegen Inter Mailand durch und gewannen im Rückspiel nach Elfmeterschießen den Pott. In der Bundesliga zeigte der Vorjahresdritte allerdings Magerkost und versank im Mittelmaß.
Wie die Schalker zeigen auch die Frankfurter (25 Jahre später) zwei Gesichter in der Liga und auf internationalem Parkett. „Die Eintracht schreibt ihre eigene Geschichte, zumal die heutige sportliche Qualität unglaublich ist“, sagt Yves Eigenrauch SPORT1. Er spielte als Profi zwischen 1990 und 2002 nur für Schalke. „Während zwischen dem Fußball der 1970er und 1990er Jahre Welten lagen, so sind es zwischen dem der 1990er und dem heutigen zahlreiche Universen.“
Thon über Vergleich zu Eurofighter: „Ganz andere Voraussetzungen“
SPORT1-Experte Olaf Thon, der von 1983 bis 1988 und 1994 bis 2002 das Trikot der Knappen trug, will keinen Vergleich zu 1997 ziehen.
„Wir hatten damals ganz andere Voraussetzungen, waren ein Jahr vorher nach 25 Jahren erst wieder international dabei, weil wir 1996 Dritter wurden. Wir gewannen den Titel gegen Inter, die damals in Italien Meister wurden. Deswegen hinkt dieser Vergleich.“
Der frühere Schalker Innenverteidiger Johan de Kock (1996 bis 2000) widerspricht Thon bei SPORT1. „Man kann das schon ganz gut vergleichen. In der Liga ist Eintracht jetzt nicht so souverän. In der Europa League werden sie von den Emotionen getragen.“
Durch den Sieg gegen Barcelona hätten die Hessen „positive Spuren“ hinterlassen und es mache „richtig Spaß“ ihnen zuzuschauen. Dies gelte auch für RB Leipzig. Doch Thon merkt an: „Von den Leipzigern hat man das eher erwartet als von der Eintracht. Es ist für beide Klubs möglich wie wir damals ins Finale einzuziehen. Wobei West Ham schon ein dicker Brocken ist. Aber wer Barca in zwei Spielen schlägt, der hat auch gegen West Ham eine echte Chance.“
Eurofighter Mulder erinnert sich: „Etwas Besonderes“
Auch ein anderer Schalker Eurofighter denkt gerne an 1997 zurück. „Für uns war das damals etwas Besonderes und ich denke, dass es für die Frankfurter ein Unterschied ist, ob sie in der Liga ran müssen oder jetzt gegen West Ham spielen“, meint Youri Mulder bei SPORT1.
Er fehlte im Halbfinale und im Endspiel verletzungsbedingt, war aber zuvor eine der tragenden Figuren bei den Königsblauen. Der 53-Jährige, der von 1993 bis 2002 für S04 stürmte, ergänzt: „Das Halbfinale ist wichtiger als die Liga. Für uns waren das absolute Highlights. Das, was die Eintracht-Fans in Barcelona veranstaltet haben, hatten wir damals auch. Und das kriegst du als Spieler mit, wenn da auf einem Platz 30.000 Leute stehen und schon vorher Party feiern.“
Da würden beim Betreten des Platzes Kräfte freigesetzt werden, „die dir als Spieler einen extra Push geben. Alleine aus diesem Grund kannst du Schalke und Eintracht vergleichen. Das Gefühl, deine Mannschaft im Ausland zu unterstützen, ist etwas Spezielles“. Es sei auf jeden Fall ein „richtig schön-altmodisches Europapokal-Spiel“.
Worauf kommt es jetzt für die Eintracht an? „Vermutlich ist es ja auch heute noch so, dass man mit der Aufgabe wächst“, meint Eigenrauch, der damals auch in der Schalker Elf im Finale stand. Mulder verletzte sich seinerzeit kurz vor dem Endspiel. Auch Martin Max musste passen.
„Wir mussten in Teneriffa daher ohne Sturm spielen. Jetzt ist die Belastungssteuerung ganz wichtig und die Spieler sollen möglichst fit bleiben“, rät Mulder.
Mulder über UEFA-Cup-Sieg: „Zu surreal“
Eigenrauch muss schmunzeln bei der Frage, wann das Team so richtig realisiert hatte, den Pokal gewinnen zu können. „Eigentlich nie so richtig. Dafür erschien die Situation auch hinsichtlich der Gesamtumstände zu surreal“, erinnert sich der 51-Jährige.
„Man darf davon ausgehen, dass dem so war“, antwortet Eigenrauch auf die Frage, ob die Schalker damals von Inter womöglich unterschätzt wurden. Ausschlaggebend, ein Spiel zu gewinnen, sei dies aber nicht. „Doch es hilft unter Umständen“, betont Eigenrauch.
Mulder wird bei diesem Thema schon konkreter. „Es ist schön, wenn man das Gefühl spürt, unterschätzt zu werden. Und Valencia hat uns damals unterschätzt.“ Er erinnert sich an einen Moment vor dem Spiel. „In einer Zeitung gab es vor dem Spiel eine Headline ‚Valencia - Schalke 4:0′.“
Mulder mit Anekdote zu Valencia
Doch das war nicht alles. „Im Bus haben wir im Radio etwas gehört, da hat der Busfahrer gelacht“, erzählt Mulder. „Wir fragten ihn ‚Warum lachst du?‘ und er sagte nur, dass man den Bürgermeister gefragt habe, wie er das Spiel tippt und er sagte ‚7:0′. Eigentlich hat der Bürgermeister ja keine Ahnung vom Fußball, aber solche kleinen Sticheleien haben uns scharf gemacht.“ Am Ende standen ein 2:0 und 1:1 auf der Anzeigetafel - für Königsblau.
Die Frankfurter hätten jetzt nur das Problem, „dass West Ham weiß, dass Barca geschlagen wurde. Vielleicht denken die Spieler von West Ham aber auch, dass bei Barca einige Spieler gefehlt haben. Normalerweise dürften sie die Eintracht jetzt nicht mehr unterschätzen.“
Thon sieht es ähnlich. „Keiner wird mehr unterschätzt. Alle haben jetzt schon gezeigt, was sie drauf haben. Alle bewegen sich auf Augenhöhe vielleicht mit einem kleinen Vorteil für Leipzig, weil sie besser sind und mit Domenico Tedesco (Leipzigs Trainer, d. Red.) einen Aufschwung erleben.“
Von Inter unterschätzt
De Kock räumt ein: „Es war schon so, dass Inter Mailand uns im Finale zu 100 Prozent unterschätzt hat. Das könnte auch ein wichtiger Vorteil sein für die Eintracht.“
Für de Kock war damals jedes Spiel ein nächster Schritt Richtung Finale. „Wir hatten eine starke Defensive. Wir haben immer darauf vertraut, dass wir vorne ein Tor machen und hinten dicht sind. Und das Vertrauen auf diese Art und Weise erfolgreich sein zu können, wurde immer größer. In dieser Zeit entstand auch der Spruch von Huub: ‚Die Null muss stehen‘.“ Und die Gegner haben sich beirren lassen, weil Schalke seit 19 Jahren europäisch nichts gerissen hat. Man kannte den Klub nicht.
Mulder hat den ersten Elfmeter von Ingo Anderbrügge noch vor Augen. „Wie er den reingeschossen hat, das war unglaublich. Vorher gab es nur Schritt für Schritt, dass wir den Glauben und die Überzeugung hatten das nächste Spiel zu gewinnen. Wir haben aber nie gedacht, dass wir den Pokal gewinnen können.“
Und weiter: „Nach Valencia oder Brügge wussten wir aber, dass wir uns mit den besten Teams messen können. Aber vor dem letzten Elfmeter von Mark wusste ich, dass der Bursche den rein schießt.“
Mulder ein Fan von Kostic
Ein Spieler bei der Eintracht beeindruckt Mulder: Filip Kostic. Ihn kennt er aus der niederländischen Liga. „Kostic ist damals von Groningen ins Ausland gewechselt und ich habe seinen Weg immer verfolgt. Er war der Nachfolger von Tadic (Dusan Tadic, aktuell bei Ajax Amsterdam, d. Red.) und Kostic ist genauso gut geworden.“ Er sei „ein kreativer Spieler“ und so jemand sei wichtig für den Fußball. „Für einen Spieler wie ihn geht man ins Stadion, er ist wichtig fürs Entertainment.“
Bei Thon sind Kostic und Martin Hinteregger „ganz fett markiert“. Kostic ist für ihn „ein Zauberfuß mit links, der für tolle Weitschüsse, präzise Flanken und Sturmläufe über links steht“.
Lob gibt es auch für andere bei der SGE. „Kevin Trapp hat sich in dieser Saison gefangen und Trainer Glasner hat alles im Griff. Nicht zu vergessen Präsident Peter Fischer als Kopf des Klubs. Es gab einen großen Umbruch im vergangenen Sommer und trotzdem hat man es in Europa weit geschafft. Egal, was jetzt noch kommt - es ist eine fabelhafte Saison für die Eintracht.“
De Kock: „Das sind die Highlights“
De Kock sieht auch keine Gefahr darin, die nötige Spannung verlieren zu können: „Es sind nur einige Spiele auf der internationalen Bühne, das sind die Highlights. Da brauchst du als Spieler eigentlich keinen Trainer oder Teammanager als Motivator.“
„Wer im Halbfinale steht, der muss die Spannung nicht hochhalten“, sagt Thon. „Wir wurden damals von Runde zu Runde stärker. Bei Roda Kerkrade waren wir siegessicher, dann haben wir Huub Stevens von dort mitgenommen. Keine Mannschaft war so gut, dass sie problemlos Tore gegen uns hätte erzielen können. Im Parkstadion sowieso nicht. Wir hatten auch im richtigen Moment etwas Glück.“
Und wer weiß, vielleicht haben das ja auch die Frankfurter und Leipziger und es gibt auf den Spuren der Schalker schon bald ein rein deutsches Finale… (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Europa League)