Gabriel Izcovich und Joan Pol Alcaraz begleiten den FC Barcelona bereits seit einigen Jahren für die katalanische Zeitung El Món Esport. Was die Reporter am Donnerstagabend im Europa-League-Viertelfinale gegen Eintracht Frankfurt erlebten, war auch für sie eine große Überraschung.
Barcelona-Reporter erklären Debakel
„Das war so nicht vorstellbar, das haben wir nicht erwartet“, sagte Alcaraz im Gespräch mit SPORT1. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Europa League)
„Frankfurt hat das Spiel schon vor Anpfiff gewonnen“
Ob final tatsächlich 30.000, 35.000 oder 40.000 Fans der Eintracht im Camp Nou waren? Zweitrangig aus Sicht von Barcelona. Es waren aus Perspektive des stolzen Spitzenklubs viel zu viele.
„Ich bin eine halbe Stunde vor Anpfiff angekommen. Das war eine komische Situation. So etwas kannte ich zuvor noch nicht“, blickte Alcaraz zurück. Auch die Mannschaft sei geschockt gewesen: „Die jungen Spieler kannten so etwas nicht.“ Er stellte fest: „Frankfurt hat das Spiel schon vor Anpfiff der Partie gewonnen.“
Es waren in der Tat surreale Momente. Fans in Spanien kommen traditionell erst kurz vor Anpfiff ins Stadion. Als die Stars Marc-André ter Stegen, Ousmane Dembele oder Sergio Busquets den Platz zum Aufwärmen betraten, wurden sie mit einem lauten Pfeifkonzert der weiß gekleideten Frankfurter empfangen.
„Das wird ein Wendepunkt bei Barcelona sein“
„Ich denke, dass der FC Barcelona nicht vorbereitet war. Das wird ein Wendepunkt sein“, vermutete Izcovich, der den Verein kritisierte: „Ich glaube, dass die Tatsache, dass man viel zu sehr ans Geldverdienen denkt, den FC Barcelona blind gemacht hat.“
Alcaraz erklärte: „Es waren Osterferien, viele Fans sind bereits am Mittwoch in den Urlaub gefahren. Dazu kommen viele langjährige Dauerkarten-Besitzer nie ins Stadion. Sie haben das Ticket nur, weil es ein Privileg ist.“
So großartig und historisch der Sieg der Eintracht auch war, so verkraftbar war die Pleite auf dem Platz für die Fans. „Es gab schon schlimmere Niederlagen. Der Abstieg von der Champions League in die Europa League war die größere Demütigung“, sagte Alcaraz.
Bitterer sei die „soziale Demütigung“ gewesen, wie er es bezeichnete: „Die Eintracht-Fans haben eine Krise ausgelöst bei Barcelona. Der Klub muss seine Beziehung zu den Fans total überdenken und verändern.“
Barcelona-Fans hatten keine Chance gegen Eintracht-Fans
Die Anhängerschaft von Barca zeigte ihren Unmut, der Fanblock blieb nach Wiederanpfiff trotz 0:2-Rückstandes leer. Das Team wurde aus Protest bewusst im Stich gelassen, der sportliche Wert des Wettbewerbs als gering eingestuft. Doch die stolzen Anhänger spürten in diesem Moment, dass sie gegen diese Frankfurter Übermacht nicht ankamen.
„Ich habe nicht geglaubt, dass tatsächlich mehr als 20.000 Eintracht-Fans im Stadion sein würden! Ich dachte, das sei ‚nur‘ das Ziel. Aber das, was passiert ist, hielt ich nicht für sehr realistisch“, so Izcovic. Mit dem Lärm und dieser Masse hatte in der Millionenstadt am Mittelmeer wohl niemand gerechnet.
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Für Alcaraz war die Arbeit im Nou Camp an jenem Abend „sehr kompliziert“. Normalerweise sei das Stadion wie sein Wohnzimmer: „Ich war nicht als Fan da, aber das alles hatte nichts mit meinem üblichen Arbeitsplatz zu tun.“
Die „peinlichsten Momente“ erlebte der gesamte Klub nach Abpfiff, es kam einer Ohrfeige gleich. Während die Hymne „Cant del Barca“ lief, feierten die Spieler und Anhänger von Eintracht Frankfurt ausgelassen einen historischen und verdienten Sieg.
Über 30.000 Eintracht-Fans? „Bild der Demütigung“
Denn zur Wahrheit gehört auch, dass die Hessen insgesamt vier Treffer gegen Barcelona erzielt hat. „Die Leistung der Frankfurter Mannschaft war enorm. Es ist die beste Mannschaft, die seit Januar gegen Barças Xavi gespielt hat.
Nach den Wintertransfers hat sich das Gesicht des Teams verändert. Barca sah aus wie eine kleine Mannschaft! Oder zumindest kleiner als Frankfurt“, fasste Izcovich zusammen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Europa League)
Im Anschluss an diese heroische Leistung startete auf den Rängen des größten Stadions in Europa die Völkerwanderung. Die vielen weißen Punkte, die zuvor noch in der gesamten Arena verteilt waren, rotteten sich peu á peu zusammen, eine Kleinstadt hatte sich in Camp Nou versammelt.
Es gab etliche Ehrenrunden, die Stars wie Kevin Trapp, Martin Hinteregger oder Filip Kostic wurden 30 Minuten lang gefeiert. Alcaraz hielt daher fest: „Null Barca-Fans und 30.000 oder 40.000 Eintracht-Fans auf den Rängen? Das war das Bild der Demütigung!“