Mit dem Jubelschrei nach seinem Last-Minute-Tor im EM-Achtelfinale hat Jude Bellingham auch ein Zeichen gegen die Kritiker der englischen Nationalmannschaft setzen wollen. „Für England zu spielen, ist schön, aber auch belastend, bei all dem Müll, der geredet wird“, sagte der 21-Jährige nach dem 2:1-Sieg nach der Verlängerung gegen die Slowakei: „Der Druck ist enorm hoch, die Fans erwarten viel, die Leute reden viel. Du darfst es nicht persönlich nehmen.“
Obszöne Geste: Expertin rügt Bellingham
Mit seinem spektakulären Fallrückzieher in der Nachspielzeit (90.+5) verhinderte der Champions-League-Sieger von Real Madrid das frühe EM-Aus des Titelaspiranten und erzwang die Verlängerung.
Nach seinem Tor machte er aber eine obszöne Geste, indem er sich erst selbst an die Hand küsste und anschließend mit dieser zwischen die Beine griff. Anfangs wurde dabei vermutet, dass diese Szene in Richtung der gegnerischen Bank gerichtet ist.
Nach dem Spiel reagiert der Engländer auf ein Video davon, das auf X kursiert: „Ein Insider-Witz gegenüber einigen engen Freunden, die beim Spiel dabei waren. Nichts als Respekt für die Leistung der slowakischen Mannschaft heute Abend.“ Dazu gibt es einen Emoji, der gähnt sowie ein rotes Kreuz.
Bellingham-Geste: Kemme reagiert
Die UEFA leitete trotz der Erklärung Ermittlungen gegen Bellingham ein. Konkret werde „ein UEFA-Ethik- und Disziplinarinspektor eine Disziplinaruntersuchung bezüglich eines möglichen Verstoßes gegen die Grundregeln des anständigen Verhaltens“ durchführen, hieß es in einer offiziellen Mittelung des Europa-Verbandes.
Zuvor hatten Medien bereits berichtet, dass dem englischen Superstar eine Strafe drohe. Denn „obszöne Gesten“ oder „anstößige oder beleidigende Handlungen“ können laut offiziellen Regeln mit einer Roten Karte bestraft werden.
Die TV-Expertin Tabea Kemme zeigte sich von der Bellingham-Aktion wenig begeistert. „Ich glaube, dass Gesten aufgrund eines Geschlechtsteils nicht Not tun“, erklärte die ehemalige Nationalspielerin bei Magenta TV: „Es ist ja auch eine Art von Demonstration, als Machtdemonstration kennt man das im erweiterten Sinne.“
Hat der „Insider-Witz“ also am Ende böse Konsequenzen für Bellingham? Der Ex-Schiedsrichter und ZDF-Experte Manuel Gräfe erklärte bei X, dass dem Engländer im schlimmsten Fall eine Sperre drohe. Gräfe verglich den Fall mit dem des albanischen Nationalspielers Mirlind Daku, der Fans mit nationalistischen Gesängen angestachelt hatte und im Anschluss für zwei Spiele gesperrt wurde.
Klar ist: Bellingham hat sich mit seinem Auftritt insgesamt nicht nur Freunde gemacht. Auch die ZDF-Experten Christoph Kramer und Per Mertesacker äußerten deutliche Kritik. Kramer hoffe, „dass er nach dem Turnier und in der Sommerpause sich ein bisschen reflektiert, weil ich, glaube ich, nicht der Einzige bin, der sagt: Manchmal nervt der mich.“
Southgate dachte über Bellingham-Auswechslung
Bellingham sagte über sein Tor: “Wir waren 20 Sekunden vor dem Abflug, dann hat sich alles gedreht. Man möchte ein solches Gefühl nie erleben, aber es ist einfach großartig.“ Es sei eines seiner wichtigsten Tore gewesen, betonte er, „weil sich damit die ganze Stimmung geändert hat“.
Teammanager Gareth Southgate gab zu, dass er darüber nachgedacht hatte, den Ex-Dortmunder vorher auszuwechseln. Bellingham und Harry Kane seien „15 Minuten vorher schon völlig erschöpft“ gewesen. Aber: „Du weißt, dass sie solche Sachen machen können, wie sie gemacht haben, deshalb hältst du an ihnen fest.“
Bayern-Torjäger Kane sorgte kurz nach Wiederbeginn für die Entscheidung (91.). Die Slowakei lief zwar anschließend an, doch die Abwehr der Three Lions hielt dicht.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)