Michael Ballack war von der Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft im EM-Viertelfinale gegen Spanien überrascht - vor allem beim Blick auf die Startelf-Überraschung um Emre Can stimmte der TV-Experte auch kritische Töne an. Letztendlich verlor die DFB-Elf mit 1:2 (1:1, 1:1) nach Verlängerung.
Ballack deutet Nagelsmann-Kritik an
„Bei Emre Can überrascht mich das ein bisschen, weil das nicht unbedingt zu erwarten war, weil es Andrich für mich sehr gut gemacht hat neben Toni Kroos“, sagte der einstige DFB-Kapitän bei Magenta TV: „In so einem wichtigen Spiel im defensiven Mittelfeld zu wechseln ist nicht ganz ohne.“
Robert Andrich, der bisher stets den Vorzug erhalten hatte, habe „in den letzten Wochen auch vor der Europameisterschaft bewiesen, dass er dort der richtige Spieler ist. Es hatte nicht den Anschein, dass er irgendwie schwächelt oder müde ist.“
Ballack versteht Nagelsmann-Erklärung nicht
Daher sei das ein bisschen überraschend, aber Bundestrainer Julian Nagelsmann werde „sicher seine Gründe haben, um dort vielleicht das Momentum abzugreifen. Das ist manchmal auch Gefühlssache.“
Dass Andrich mit einer Gelben Karte vorbelastet ist, dürfe keine Rolle spielen: „Wir müssen unsere beste Elf auf den Platz schicken. Es geht gegen Spanien und da ist es egal, ob du dir eventuell die nächste Gelbe abholst.“
Nagelsmann erklärte die Entscheidung so: „Er ist mit unser schnellster Spieler im Kader, vor allem im Defensivbereich. Wir wollen auch ein bisschen die Kreise von Fabian Ruiz eingrenzen, der in der Berichterstattung relativ gut kommt und schon ein Schlüsselspieler ist, der immer wieder auf den linken Flügel kippt. [...] Emre ist einfach sehr, sehr schnell und hat auch die Fähigkeit, Abwehrspieler zu unterstützen.“
Auch diese Erklärung konnte Ballack nur bedingt nachvollziehen.
Taktischer Kniff mit Can? Khedira mit These
„Das Argument, das für Emre spricht, das er genannt hat, dass er schnell ist - das hat er ja vorher auch gehabt. Das sind alles Attribute, die der Spieler vorher auch hat und die erst nicht zur Nominierung ausgereicht hatten. Und auch nicht, um anzufangen“, sagte der Ex-Profi.
Andrich habe „schon ganz klare Vorzüge. In so einem wichtigen Spiel ihn jetzt nicht zu bringen - und diese Attribute hat er ja auch, er ist ja auch ein Zweikämpfer, er hat eine super Saison gespielt, er hat sich neben Toni Kroos super ergänzt. Deswegen glaube ich, dass das nicht das einzige Argument ist für Emre.“
Ballack mutmaßte, ebenso wie der Ex-Nationalspieler Sami Khedira allerdings auch, dass Cans Hereinnahme mehr als ein positionsgetreuer Wechsel gewesen sein könnte.
So könnte sie auch einer taktische Idee zugrunde liegen. Can könnte häufiger in die letzte Abwehrkette fallen, um so auch die spanischen Flügelspieler Lamine Yamal und Nico Williams besser einzudämmen. Dann mit einer Dreier- bzw. Fünferkette.
Khedira meinte: „Die beiden Außenspieler Yamal und Williams sind verdammt schnell und wir haben nicht die besten defensiven Außenverteidiger. Deswegen denke, dass er vielleicht auffüllt wie gegen Dänemark und dann in eine Fünferkette geht.“
Can sei „vielleicht der etwas klügere und vielleicht auch diszipliniertere Spieler. Gerade bei der Dominanz der Spanier ist viel Disziplin und Balance gefragt.“
Nach 45 Minuten war der Auftritt von Can allerdings bereits wieder beendet, für die zweite Hälfte kam doch Andrich in die Partie. Auch Sané wurde ausgewechselt, stattdessen wirbelte Wirtz durch die spanische Abwehr und erzielte in der 89. Minute den zwischenzeitlichen Ausgleich.