Perfekte Ballannahme, sehenswerter Abschluss - und der Rest war grenzenlose Freude! So oder so ähnlich hat sich Englands Matchwinner Ollie Watkins seinen großen Moment im EM-Halbfinale gegen die Niederlande bereits im Vorfeld ausgemalt.
Irre Prophezeiung wird wahr!
„Unglaublich“, sagte der Last-Minute-Held, der mit seinem Treffer zum 2:1 die Three Lions ins Endspiel schoss. In der 90. Minute setzte Cole Palmer Watkins im Strafraum in Szene, der für Harry Kane eingewechselte Angreifer nahm den Ball mit rechts an und schloss aus der Drehung durch die Beine von Gegenspieler Stefan de Vrij ins lange Eck ab. Es war eine Co-Produktion mit Ansage.
Watkins enthüllt Tor-Prophezeiung
„Ich schwöre bei meinem Leben, beim Leben meiner Kinder, dass ich vor dem Spiel zu Cole Palmer gesagt habe, dass wir heute Abend reinkommen und du mir ein Tor auflegen wirst“, sagte Watkins in seinem Interview als „Spieler des Spiels“.
Der 28-Jährige hatte bislang erst 20 Minuten bei seinem einzigen EM-Einsatz gegen Dänemark auf der Uhr und schlüpfte nun die Rolle des überraschenden Matchwinners. „Auf diesen Moment habe ich seit Wochen gewartet. Ich bin dankbar, dass ich die Chance bekam und sie mit beiden Händen ergriffen habe“, sagte Watkins.
Kane lobt seinen Ersatzmann
Seine Teamkollegen stimmten entsprechende Lobeshymnen auf ihn an. Allen voran Kane, der in der 80. Minute seinen Platz für Watkins räumte. „Wenn es darauf ankommt, bekommst du vielleicht fünf Minuten, eine Minute, aber du kannst den Unterschied ausmachen, du kannst für uns ein Turnier gewinnen“, sagte Kane und schwärmte von Watkins: „Er hat gewartet, war geduldig. Was er getan hat, war herausragend und er hat es verdient.“
Auch Luke Shaw freute sich für Watkins. „Er hat nicht viele Minuten bisher gespielt und jetzt ist er reingekommen und hat den Siegtreffer erzielt“, sagte der Abwehrspieler.
Trainer Gareth Southgate meinte lapidar: „Manchmal kann es so funktionieren.“ Wichtig sei, dass alle bereit seien. Und dann entschied er sich für Watkins. „Wir dachten, es wäre ein guter Moment, es zu versuchen“, sagte Southgate - und der Erfolg gab ihm recht.
Watkins Torjägerqualitäten sind unbestritten. Seit 2020 wechselte Watkins mit der Empfehlung von 25 Saisontoren für den FC Brentford in der zweitklassigen Championship zu Aston Villa. Seither war er in jeder Saison der Toptorjäger der Villans. In der abgelaufenen Saison stellte Watkins mit 19 Premier-League-Toren die klubinterne Rekordmarke von Christian Benteke ein. Und nebenbei glänzte er mit 13 Assists auch noch als Top-Vorlagengeber der Liga.
Liverpool-Schreck, der unter dem Radar fliegt
Für Schlagzeilen sorgte Watkins im Oktober 2020, als er zum Liverpool-Schreck avancierte. Mit einem Hattrick leitete er beim spektakulären 7:2-Sieg gegen den FC Liverpool die höchste Premier-League-Pleite der Reds ein.
Doch ansonsten flog Watkins immer etwas unter dem Radar - auch in der englischen Nationalmannschaft. Bei seinem Debüt im März 2021 gelang ihm gegen San Marino zwar gleich ein Tor, doch bis zu seinem zweiten Treffer im Trikot der „Three Lions“ verging fast genau ein Jahr.
Weder bei der EM 2021 noch bei der WM 2020 hatte Trainer Gareth Southgate einen Platz für Watkins.
Doch nachdem sich Aston Villa in der abgelaufenen Saison auch dank Watkins für die Champions League qualifiziert hatte, drängte sich seine Nominierung förmlich auf - auch wenn der Platz im Sturmzentrum mit Kapitän Kane fest besetzt ist.
Hargreaves: „Einfach ein geiles Tor“
„Ollie Watkins hat eine super Saison hingelegt bei Aston Villa. Er bringt ein bisschen mehr Dynamik rein, ist ein bisschen schneller und vor dem Tor ist er eiskalt“, sagte Owen Hargreaves bei MagentaTV und lobte Watkins Abschluss: „Das ist einfach ein geiles Tor.“
Auch der frühere England-Star Alan Shearer sah in der Einwechslung Watkins‘ den Schlüssel zum Erfolg. „England musste über weite Strecken leiden aufgrund der Umstellungen, die Koeman gemacht hat“, analysierte Shearer im englischen Fernsehen. „Sie haben keinen Weg gefunden, es schrie nach einem Einwechselspieler - dieser Mann war Ollie Watkins und er hat es perfekt gemacht.“
Und dank Watkins greifen die Three Lions am Sonntag nach ihrem ersten großen Titel seit dem WM-Triumph 1966. Und das, obwohl der Vizeeuropameister auf dem erneuten Weg ins Endspiel nur selten überzeugt hat. „Es hat viel Kritik gegeben, aber wir stehen im Finale. Wir sind im Finale, und das ist alles, was zählt“, betonte Watkins.
Am Sonntag (ab 21 Uhr im LIVETICKER) wartet mit Spanien allerdings nochmals ein anderes Kaliber auf die Three Lions. Doch Watkins fühlt sich gerüstet: „Ja, ich bin bereit.“ Vielleicht hat er ja schon die nächste Tor-Prophezeiung im Kopf.