Hallo Fußball-Freunde,
Sehe nicht, wer ihm folgen könnte
wie unfassbar bitter war das? Der Traum der deutschen Nationalmannschaft – unser Traum – ist brutal geplatzt. Perfekte Flanke Olmo, perfekter Kopfball Merino. Das Tor für Spanien zum 2:1 kurz vor Schluss der Verlängerung tat richtig weh.
Ich habe auf der Tribüne in Stuttgart mitgelitten. Es tut mir leid für die Jungs. Jede Träne, die floss, kann ich absolut nachfühlen.
Deutschland kann stolz sein
Aber in diese Enttäuschung, in diesen Frust hat sich bei mir auf der Rückfahrt nach Hause auch ein weiteres Gefühl gemischt: Neuer Stolz. Dieses immer noch irgendwie neue deutsche Team bringt den mit sich.
Wir sind keine Spitzenmannschaft mehr, habe ich nach der WM in Katar geschrieben und bis kurz vor dem EM-Start noch gedacht. Jetzt weiß ich, dass die Lücke zu den Spitzenteams nicht mehr groß ist. Im Gegenteil.
Diese Heim-EM ist ein Gewinn für Fußball-Deutschland, weil wir Spieler gesehen haben, die sich für das Trikot mit dem Adler auf der Brust zerreißen!
Die Leistung der DFB-Elf war den Fans nicht gleichgültig, sie fieberten mit, unterstützten lautstark und lebten die Leidenschaft, die den Fußball nach wie vor ausmacht. Mit neuer spielerischer Struktur und neuen Werten sprang der Funke in jeder Partie über. Die Einführung eines dynamischen Mittelfeldspiels und eine verstärkte Defensivarbeit haben das Team belebt.
Ab der 60. Minute - nach den Einwechslungen von Andrich, Wirtz, Mittelstädt und Füllkrug - stand die Elf auf dem Rasen, die am besten das verkörpert, wofür der deutsche Fußball jetzt steht. Er steht für Mut, Attacke und knallharte Verteidigung. Damit wurde ein Euphorie-Feuer entfacht. Diese Verbindung zwischen Zuschauern und Mannschaft ist reine Identifikation. Was haben wir die zuletzt vermisst!
Eine erfolgreiche Zukunft wartet
Bundestrainer Nagelsmann und sein Trainerteam haben in den vergangenen Monaten etwas Wertvolles aufgebaut. Das Gesicht der Nationalmannschaft ist nicht mehr unscharf, sondern durch die gesamte Präsenz und Kommunikation nach außen nahbar, sympathisch und zudem gierig nach Erfolg geworden. Wir können mit ihnen lachen und weinen.
Bei den Spielern wird es noch ein paar Wochen dauern, bis sie das dramatische Aus verdaut haben, aber ich definiere diese Heim-EM als Start in eine erfolgreiche Zukunft. Die schreckliche Zeit ist vorüber. Die Fußball-Welt hat wieder mehr Respekt vor uns. Das ist ein Erfolg!
Spanien war und ist die beste Mannschaft des Turniers, das war vorher klar, die Automatismen stimmen einfach, das Passspiel, die individuelle Qualität. Rodri, Ruiz und Olmo sind eine Augenweide, durch sie war Spanien letztlich vielleicht das Quäntchen besser. Spanien ist der Top-Favorit auf den EM-Titel und wohl auch für die nächsten Turniere.
Wir hatten sie trotzdem am Rand einer Niederlage. Trotz guter Chancen fehlte nur der letzte Punch. Zur Schiedsrichter-Leistung beim vermeintlichen Handelfmeter beziehungsweise zum VAR oder Nicht-VAR äußere ich mich dieses Mal nicht. Dass ich das Regelwerk undurchsichtig finde, habe ich in meiner vorigen Kolumne schon betont.
Es gilt nun zu analysieren, wie wir uns noch weiter an die Top-Mannschaften heranarbeiten können. In der aktuellen Konstellation bin ich mir sicher, dass es weiterhin Verbesserungen geben wird, wir noch weiter aufschließen und bei der WM 2026 von vornherein zu den Favoriten zählen. Diese breite Brust hat sich die Nationalmannschaft erarbeitet.
Toni Kroos wird der Mannschaft fehlen
Zum Abschluss noch ein paar Worte an meinen ehemaligen Mitspieler Toni Kroos: Das letzte Spiel deiner Karriere war sicher nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Aber wie dich die Fans begleitet, respektiert und gefeiert haben, war ganz groß. Du hast eine Wahnsinnskarriere gehabt und bist mit deinen gewonnenen Titeln der erfolgreichste deutsche Spieler.
Die deutsche Nationalmannschaft wird künftig ohne Kroos klarkommen müssen. Ich sehe noch nicht, wer direkt in seine Fußstapfen treten könnte.
Eines ist sicher: Wir sind wieder auf dem Erfolgsweg. Mit dieser Zuversicht lässt sich das bittere Aus leichter verkraften.
Kopf hoch!
Euer Holger Badstuber