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Wie viel ist dran an der Nagelsmann-Ansage?

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Wie viel ist dran an der Nagelsmann-Ansage?

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Geht Nagelsmann zu weit?

Julian Nagelsmann spricht nach dem EM-Aus offen vom WM-Titel 2026. Aber ist das realistisch? Ein Blick auf die Konkurrenz, die Aussichten des deutschen Kaders - und die Rolle von Nagelsmann selbst.
Nach dem Aus bei der EM 2024 spricht Bundestrainer Julian Nagelsmann über seine Nationalmannschaft und seinen Trainerstab.
Jonas Nohe
Jonas Nohe
Julian Nagelsmann spricht nach dem EM-Aus offen vom WM-Titel 2026. Aber ist das realistisch? Ein Blick auf die Konkurrenz, die Aussichten des deutschen Kaders - und die Rolle von Nagelsmann selbst.

Wer am Freitagabend nach dem EM-Viertelfinale in Stuttgart ganz genau zuhörte und hinsah, der bemerkte, dass Julian Nagelsmann eine kleine Denkpause machte, bevor er die Worte aussprach, die ganz Deutschland aufhorchen ließen. „Das Traurigste ist, dass eine Heim-EM in meiner Karriere wahrscheinlich nicht mehr kommt. Das tut weh - und auch, dass man zwei Jahre“ - kurze Pause - „zwei Jahre warten muss, bis man Weltmeister wird.“

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Es wirkte, als hätte Nagelsmann, der ohnehin für seine offene Art und klaren Worte bekannt ist, auch diese Kampfansage ganz bewusst gewählt - und was Nagelsmann im Anschluss hinzufügte, bestätigte diesen Eindruck.

„Die gefällt euch, die Aussage, gell?! Da werden die Augen alle groß, Wahnsinn!“, meinte er in Richtung der anwesenden Journalisten, ehe er betonte: „Was soll ich jetzt sagen? Dass wir in der Vorrunde ausscheiden? Natürlich wollen wir Weltmeister werden, ist doch klar!“

DFB-Team: Rasante Entwicklung seit September 2023

Zwischen „wollen“ und „werden“ ist aber bekanntlich ein großer Unterschied.

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Dass der Bundestrainer zunächst offensichtlich bewusst von Letzterem sprach, war womöglich einer gewissen Trotzreaktion nach dem ebenso knappen wie unglücklichen 1:2 nach Verlängerung gegen Spanien geschuldet - aber auch der Erkenntnis, dass die Mannschaft nicht einmal ein Jahr nach dem vielleicht tiefsten Tiefpunkt der ohnehin tristen vergangenen Jahre im September 2023 eine bemerkenswert schnelle Entwicklung zurück in Richtung Weltklasse genommen hat.

Nur: Reicht das - Stand jetzt -, um bei der WM in zwei Jahren in den USA, Kanada und Mexiko zu den Titelfavoriten zu zählen? Wie viel ist dran an der Nagelsmann-Ansage?

Weltmeister 2026? England, Frankreich, Brasilien und Co. überzeugen nicht

Eines ist nach den Eindrücken der vergangenen Tage und Wochen klar: Übermächtige Konkurrenz muss das DFB-Team im Weltfußball aktuell nicht fürchten. Die hochgelobten Engländer erreichten nur mit viel Glück das Halbfinale und die französische Ergebnismaschine liefert zwar, scheint aber ebenfalls verwundbar.

Am spielerisch überzeugendsten präsentierten sich von den EM-Halbfinalisten in der K.o.-Phase noch die Niederländer, die allerdings durch die Gruppenphase gestolpert waren - und eben jene Spanier, die Deutschland bis zur 119. Minute am Rande einer Niederlage hatte.

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Auch beim Blick nach Südamerika muss derzeit niemandem angst und bange werden: Brasilien enttäuschte bei der Copa América maßlos und schied trotz Überzahl im Viertelfinale gegen Uruguay aus, während Weltmeister Argentinien auf den letzten Metern von Lionel Messis Karriere ebenfalls nur mit viel Mühe das Halbfinale erreichte.

Und damit zur deutschen Mannschaft: Ein entscheidender Faktor für den Aufschwung der vergangenen Monate steht dem Bundestrainer ab sofort nicht mehr zur Verfügung. Toni Kroos hat seine außergewöhnliche Karriere endgültig beendet - erneute Rückkehr ausgeschlossen.

Wie groß wird der Umbruch bei der deutschen Nationalmannschaft?

Wie groß der Anteil des Mittelfeld-Maestros an der sportlichen Kehrtwende nun tatsächlich war, wird nie endgültig aufzuklären sein. Dass er der Mannschaft mit seiner Qualität fehlen wird, steht allerdings außer Frage.

„Aktuell ein Spieler, der ihn eins zu eins ersetzt, ist, glaube ich, schwer“, sagte Nagelsmann am Samstag bei der EM-Abschlusspressekonferenz des DFB in Herzogenaurach, „sonst wäre er nicht einer der größten deutschen Fußballer, wenn das so easy wäre“.

Die Besetzung der zentralen Spielgestalter-Rolle wird in naher Zukunft wohl Nagelsmanns größte Herausforderung bei seiner Stammformation.

Erste Ideen hat der Bundestrainer allerdings schon: Es gebe „mit Pavlo (Aleksandar Pavlovic, Anm. d. Red.), auch mit Angelo Stiller, der jetzt eine sehr gute Bundesliga-Saison gespielt hat, schon Kandidaten, die einen ähnlichen Spielstil haben oder haben können.“ Auch Pascal Groß sei mit seinen 33 Jahren zwar „nicht mehr der ganz Jüngste, aber einer, der das in einem sehr ähnlichen Stil kann“.

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Rekordnationalspieler Lothar Matthäus brachte bei Sky zudem Joshua Kimmich ins Spiel, der zuletzt sowohl in der Nationalmannschaft als auch beim FC Bayern allerdings nahezu ausschließlich als Rechtsverteidiger auflief.

Schlüpft Gündogan in die Kroos-Rolle?

Und dann wäre da ja auch noch Ilkay Gündogan: Der aktuelle DFB-Kapitän fühlt sich zwar in einer etwas offensiveren Rolle wohler, bringt aber vielleicht am ehesten die Mischung aus internationaler Erfahrung, Spielverständnis und fußballerischer Klasse mit, die mit Kroos‘ Rücktritt verloren geht.

Allerdings gehört der 33-Jährige zu den ältesten Spielern im Kader - und ist neben Thomas Müller und Manuel Neuer seit dem EM-Aus einer der meistdiskutierten Namen, wenn es um mögliche Rücktritte aus der Nationalmannschaft geht.

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Während bei Müller nicht nur seine Aussagen nach dem Spanien-Spiel auf einen Abschied hindeuten, hat der wiedererstarkte Neuer seine DFB-Zukunft wohl selbst in der Hand - und bei Gündogan scheint derzeit noch alles offen.

„Wir haben einen Kader, der nicht extrem jung ist, aber wir haben ein paar junge Spieler und jüngere Spieler eingebaut“, sagte Nagelsmann nach dem EM-Aus mit Blick auf den ältesten Kader aller Turnier-Teilnehmer und kündigte an: „Wir werden uns in Ruhe Gedanken machen, was erstmal für die Nations League das Richtige ist. Da werden wir sicher am Kader ein bisschen was machen, um da gute Spiele abzuliefern und dann auch den perfekten Kader für die wichtige WM-Quali zusammenzustellen.“

Dass ihm das gelingt, darf Nagelsmann nach den Erfahrungen der vergangenen Monate getrost zugetraut werden: Egal, welche Personalentscheidungen er als Bundestrainer bisher traf - und wurden sie noch so kontrovers und heftig diskutiert -, sie gingen letztlich alle auf.

Ob die Rückholaktion von Kroos, die Nominierung der Stuttgarter Senkrechtstarter, das Festhalten an Gündogan in der Startelf, die Ausbootung von Mats Hummels oder das Treuebekenntnis zu Neuer: Anders als beim FC Bayern fiel Nagelsmann bisher keine seiner teilweise riskanten Entscheidungen auf die Füße.

Nagelsmann scheint perfekte Mischung gefunden zu haben

Im Gegenteil: Der Bundestrainer scheint nicht nur sportlich, sondern auch menschlich die perfekte Mischung für die Nationalmannschaft gefunden zu haben.

„Ich war jetzt bei noch keinem Turnier dabei, aber ich habe mir sagen lassen, dass es nicht oft der Fall war, dass nahezu jeder Spieler, der das Camp verlässt, Tränen in den Augen hat“, beschrieb Nagelsmann am Samstag die besondere Chemie im deutschen Lager - und musste bei seinem letzten Auftritt im Basecamp in Herzogenaurach zwischenzeitlich selbst die eine oder andere Träne verdrücken, ehe er kurz darauf einen deutlichen Appell für mehr Einigkeit und Miteinander an die deutsche Bevölkerung richtete.

Passend zur Emotionalität seiner vorherigen Ausführungen, aber zugleich mit der Klarheit vom Abend zuvor.

Es ist diese Mischung, mit der Nagelsmann - und wie er selbst nicht müde wird zu betonen: sein Trainerteam - die deutsche Nationalmannschaft zurück zu altem Glanz und in die Herzen der deutschen Fans geführt hat.

Und auch wenn zwischen „Weltmeister werden wollen“ und „Weltmeister werden“ ein großer Unterschied liegt: Nagelsmann hat sich das Recht erarbeitet, offen vom WM-Titel 2026 zu sprechen - und einem ganzen Fußballland genügend Gründe geliefert, diesen Traum mitzuträumen.