Ist der deutschen Nationalmannschaft beim EM-Viertelfinale gegen Spanien in der zweiten Hälfte der Verlängerung ein Elfmeter verwehrt worden? Nach einem strammen Schuss von Jamal Musiala landete der Ball unübersehbar an der Hand von Spaniens Verteidiger Marc Cucurella, der sich im Strafraum befand.
DFB-Team um Elfmeter gebracht?
Doch der englische Torhüter Anthony Taylor ließ weiterlaufen - und auch der VAR schritt nicht ein. „Für mich ein Elfmeter, weil die Hand nicht angelegt war“, sagte TV-Experte Lothar Matthäus bei MagentaTV. Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich bewertete die Szene während des Spiels allerdings anders. „Man sieht beim Schuss, dass er den Arm aus der Schussbahn nehmen will, also zurückzieht. Das spricht gegen Handspiel.“
Elfmeter? Ittrich: Grenzwertig, aber nachvollziehbar
Ittrich, der ebenfalls als Magenta-Experte fungierte, erklärte weiter: „In dem Moment, in dem der Schuss kommt, ist der Arm draußen. Ich glaube einfach, dass es hier nicht klar genug war, für den Videoassistenten einzugreifen. Deswegen bleibt die Entscheidung vom Schiedsrichter so stehen. In der Tat eine grenzwertige Entscheidung.“
Offen ist, ob vor der Szene möglicherweise eine Abseitsposition vorlag. Es blieb zunächst beim 1:1, ehe Spanien kurz vor Schluss den entscheidenden Treffer zum 1:2-Endstand erzielte.
Nagelsmann: „Schiedsrichter ein bisschen für Spanien gepfiffen“
Julian Nagelsmann reagierte enttäuscht auf die Handszene: „Wenn man ein strittiges Handspiel hat und ich knall das Ding irgendwo auf die Tribüne, dann will ich auch keinen Elfmeter dafür, dann war der Schuss einfach nicht gut genug. Der Schuss ist sehr gut, der geht wahrscheinlich sogar rein - oder aufs Tor auf jeden Fall. Und die Hand ist schon weit weggestreckt. Da war der Elfmeter gegen die Schweiz weniger einer wie der, in meinen Augen.“
„Der Schiedsrichter hat auch ein bisschen für Spanien gepfiffen“, kritisierte Bundestrainer bei MagentaTV. Es sei „ein Thema, das schwer zu bewerten ist. Es wäre fußball-like, wenn man bewertet, ob der Ball in die Stuttgarter Altstadt fliegt - dann wäre es niemals Elfmeter.“
Ex-Schiri Gräfe ledert gegen Handspiel-Entscheidung
Auf X polterte Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe los. Er schriebt: „Taylor mit schwachem Spiel. verpasste Gelbe gegen Kroos und meinte dann, alles kompensieren zu müssen: Überzogene andere Gelbe sowie diese Handspiel-Entscheidung. Passt nicht zur UEFA-Linie. Anderer Arm angelegt, dieser draußen und Schulter rein.“ Das bedeutete für ihn: „Block! Strafbar...“
Er fügte in einem zweiten Tweet hinzu: „Wie immer bei Hand muss man beide Armbewegungen zur Bewertung zu Grunde legen (Arme werden gestreut). Beim Aufziehen von Musiala sind beide Arme draußen, aber nur ein Arm (ballentfernt) wird an den Körper geführt, anderer mit Blick zum Ball in die Schussbahn und nicht zuvor am Körper - Elfmeter!“
Nach der Partie sorgte das Handspiel dann für hitzige Diskussionen im TV. „Das ist für mich eine klare Fehlentscheidung. Es erfüllt alle Kriterien für einen Elfmeter. Der Arm ist abgespreizt“, erklärte Ex-Nationalspieler und Experte Michael Ballack bei MagentaTV.
Komplettes Unverständnis bei Ballack
Der einstige Superstar äußerte deutliche Kritik an Schiri Taylor: „Ich weiß nicht, ob es Angst ist, der Respekt oder ob das Spiel zu groß ist. Oder ob es der Zeitpunkt in der Verlängerung ist, dass der Schiedsrichter und auch der VAR acht Augen zudrücken und sagen, komm‘ wir lassen es weiterlaufen, weil wir das Spiel so nicht entscheiden wollen. Darum geht es nicht. Es ist für mich ein klarer Elfmeter!“
Ballack irritiert: „Wir haben einen VAR, wir haben die Hilfsmittel und trotzdem passieren eben Fehler.“
Ein ebenfalls emotionalisierter Ittrich hielt erneut dagegen: „Dieses Handspiel macht das ganze Dilemma des Handspielproblems und der Regel sichtbar. Wir haben ein Problem, dass wir einen Interpretationsspielraum in der Regel haben und die sorgt dafür, dass es hier eine On-Field-Entscheidung für Weiterspielen gibt und der Schiedsrichter deswegen nicht eingreifen kann.“
Der Referee erklärte außerdem: „Wir haben einen Ermessensspielraum. Was soll ich da machen? Ich kann doch da auch nichts für.“ Er habe doch lediglich gesagt, dass der VAR da nicht eingreifen könne.
Referee Taylor verlebte bis zu dem Zeitpunkt der strittigen Entscheidung schon einen äußerst anstrengenden Abend, war viele Male gefordert. Unter anderem am Anfang der Partie, als er Toni Kroos trotz zweier Foulspiele nicht mit einer Gelben Karte bedachte.