Ein in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerter Elfmeter von Harry Kane: Der Kapitän der englischen Nationalmannschaft sorgte in der 18. Minute des EM-Halbfinals gegen die Niederlande (2:1) für den Ausgleich zum 1:1, nachdem Xavi Simons Oranje in Führung gebracht hatte.
Sogar Engländer fassungslos
Englands ehemaliger Nationalspieler Gary Neville war kurioserweise gar nicht froh darüber. „Als Verteidiger denke ich, dass es eine absolut beschämende Entscheidung ist. Das war auf keinen Fall ein Elfmeter. Er geht einfach rein, um den Schuss zu blocken. Für mich ist das kein Elfmeter“, urteilte der frühere Rechtsverteidiger der Three Lions. Auch Jamie Carragher, ebenfalls mehrfach für England im Einsatz gewesen, schrieb bei X: „Niemals ein Elfmeter“.
Der niederländische Verteidiger Virgil van Dijk zeigte sich nach dem Spiel ebenfalls von einer Fehlentscheidung überzeugt - ganz im Gegensatz zu mehreren deutschen Schiri-Experten.
Ittrich und Wagner stützen Zwayer
„Die Problematik liegt hier darin, dass Kane abgeschlossen hat, aber der Ball geht über das Tor. Wäre er reingegangen, hätte es einen Vorteil gegeben. Es ist ein ganz klares Drüberhalten“, beurteilte Patrick Ittrich, Schiri-Experte von MagentaTV, die Situation.
Lutz Wagner wiederum erklärte in der ARD: „Auch wenn nur ein kurzer Moment zwischen Schuss und Treffer liegt, ist doch eindeutig: Kane ist zuerst am Ball, zieht ab. Dumfries trifft nicht den Ball, sondern Kane. Der Ball ist noch im Spiel und wenn er diese Berührung als evident und ausschlaggebend beachtet, muss er hier Strafstoß geben.“
Wäre es nach der ersten Einschätzung von Schiedsrichter Felix Zwayer gegangen, hätte es den Elfmeter übrigens gar nicht gegeben. Der deutsche Referee entschied sich zunächst nicht für Foul, nachdem Elftal-Verteidiger Denzel Dumfries bei einem Schuss den Fuß draufgehalten und Kane nach dem Ballkontakt am Fuß getroffen hatte. Doch nach Eingreifen des VAR und eigener Sichtung der Videobilder zeigte Zwayer auf den Punkt.
Kritik an Elferpfiff - Lob für Kane
Für die Ausführung erhielt Kane derweil ausdrückliches Expertenlob. „Besser kann man den nicht schießen, diese Präzision und Schärfe. Der Keeper ist voll in der Ecke und schnuppert noch nicht mal dran. Der ist perfekt, der Elfmeter“, meinte etwa Ex-Profi Thomas Broich in der ARD. Kane hatte den Ball im linken unteren Eck unhaltbar für Niederlande-Torwart Bart Verbruggen versenkt.
Lothar Matthäus zog hingegen einen besonderen Vergleich. „Erinnert mich ein bisschen an den Elfmeter von Andy Brehme 1990 im Finale, wo wir Weltmeister geworden sind“, sagte der deutsche Rekordnationalspieler in seiner Funktion als Co-Kommentator bei MagentaTV. Gegen den platzierten Schuss des im Februar verstorbenen Brehme war damals Argentiniens „Elfmeter-Töter“ Sergio Goycochea chancenlos war.
„Man hat seine Konzentration gesehen, die Atemübung. Das Training macht sich bezahlt. Zu Recht gegebener Elfmeter, Kane verwandelt sicher“, unterstrich Matthäus nun in Bezug auf Kane.
Kane schrieb mit seinem dritten Turniertor nebenbei auch noch Geschichte. Mit nunmehr sechs Treffern ist der Stürmer-Star des FC Bayern laut Opta der erfolgreichste Torschütze in der K.o.-Phase der EM-Historie.