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EM 2024: Ein Jahrhunderttalent ist endlich erwachsen

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EM 2024: Ein Jahrhunderttalent ist endlich erwachsen

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Eine bemerkenswerte Wandlung

Die Zeiten, als Granit Xhaka den großen Provokateur im Schweizer Nationalteam spielte, sind längst vorbei. Der Leverkusener hat eine beachtliche Wandlung hingelegt.
Für den Gruppensieg bei der UEFA EURO 2024 hat es für die Schweizer nicht gereicht, dennoch gibt sich Granit Xhaka nach dem Spiel gegen Deutschland sehr zuversichtlich.
ntrettin
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Die Zeiten, als Granit Xhaka den großen Provokateur im Schweizer Nationalteam spielte, sind längst vorbei. Der Leverkusener hat eine beachtliche Wandlung hingelegt.

Für Granit Xhaka muss es eine Art Déjà-vu-Erlebnis gewesen sein - oder inzwischen sogar etwas Gewohnheit. Wie bereits beim geglückten Schweizer EM-Auftakt gegen Ungarn trug er auch beim Remis gegen das favorisierte DFB-Team eine kleine Trophäe unter dem Arm, als er zurück in die Katakomben ging. Der 31-Jährige ließ seinen Worten - „Ich will als Kapitän und Leader vorangehen“, wie er im Vorfeld des Turniers betonte - Taten folgen und wurde bei gleich zwei der drei Gruppenspiele als „Man of the Match“ ausgezeichnet. Auf ihn richteten sich alle Augen. Er erfüllte die Erwartungen.

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Kein Schweizer spielte bis dato mehr Pässe, niemand hat mehr Bälle an den Mitspieler gebracht oder mehr Kilometer abgespult. Als unermüdlicher Antreiber und Rhythmusgeber des Teams wirkt er omnipräsent. Xhaka ist derjenige, der vorgibt, welches Tempo und welche Richtung eingeschlagen werden soll. Immer und immer wieder. „Er bestreitet die beste Saison seiner Karriere, gerade mit dem Rückenwind der zwei Titel, die er in Leverkusen geholt hat“, sagte Christian Finkbeiner, Leiter Fußball bei Blick, zu SPORT1. Sein enorm großer Einfluss, den der Mittelfeldstratege bei Bayer hat, helfe ihm nun auch bei der „Nati“ - endlich, wie man beinahe sagen mag.

Natürlich ist der Rekordspieler, 128 Länderspiele hat er inzwischen auf dem Buckel, schon seit geraumer Zeit ein unverzichtbarer Mann in der Alpenrepublik. Doch im Dress des Nationalteams verstand sich Xhaka trotz allem lange als eine in der Öffentlichkeit polarisierende Figur. Unvergessen die bis in höchste Politikkreise reichenden Verwerfungen mit der Doppeladler-Geste, die der Sohn kosovo-albanischer Eltern mit Kollege Xherdan Shaqiri bei der WM 2018 gegen Serbien zeigte. Nur vier Jahre später - erneut gegen Serbien - legte er eine anzügliche Handbewegung nach. „Dadurch war Xhaka hier nicht immer der beliebteste“, verriet Finkbeiner.

Xhaka? „Er ist vorsichtiger geworden und hat dazugelernt“

Die Diskussionen um Doppelbürgerschaft und Nationalstolz spalteten die Schweizer Fans stets in zwei Lager - hitzig ging es hin und her. Ständig waren spieler mit Migrationshintergrund Gesprächsstoff. Sie seien nicht mit ganzem Herzen bei der Sache, hieß einer von vielen Vorwürfen, die bei Xhaka besonders laut waren. Auch, weil ihm ein ums andere Mal Dinge beim Reden herausrutschten, die im sonst oft so abgedroschenen Profi-Geschäft unüblich sind. Einst betitelte er sich gar als „Großmaul“ - ist aber nun auf bestem Wege, sein altes Image mit Leistungen zu kaschieren. Es scheint, als sei Xhaka mittlerweile erwachsen.

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„Er ist vorsichtiger geworden und hat dazugelernt. Granit meinte das nie überheblich, es hat nur seinen Charakter gezeigt. Dieses typisch schweizerische Kleindenken trägt er gar nicht in sich - bis heute nicht. Aber mittlerweile ist er viel gereifter und überlegter“, sagte Finkbeiner über den früh als großes Talent der Alpenrepublik geltenden Xhaka. Bestes Beispiel: Wie er allein seinen letzten schwebenden Konflikt - den mit Nationalcoach Murat Yakin - ohne Weiteres hinter sich ließ. Dieser trug sich zu, als die Qualifikation zur EM für die Schweizer ein doch unerwartet großer Kraftakt war.

Im September 2023 kritisierte Xhaka den schwachen Nati-Auftritt beim 2:2 im Kosovo sowie das lasche Training in den Tagen vor der Partie öffentlich und schoss damit auch gegen Yakin. Der Blick titelte als Folge dessen: „Xhaka gegen Yakin – es brennt lichterloh.“ Während dem sich seit 2021 im Amt befindende Trainer heftiger Gegenwind ins Gesicht wehrte, schrieben mehrere Medienhäuser bereits, dass er keine Zukunft mehr im Nationalteam haben werde. Und jetzt? Hat sich gefühlt alles verändert. Xhaka und Yakin wirken auf ihrer Reise durch Deutschland beinahe wie ein Herz und eine Seele.

Xhaka der Schweizer Spielertrainer

„Yakin war mehrmals in Leverkusen vor Ort und hat sich dort mit Xhaka angenähert“, sagte Finkbeiner. Neben persönlichen Querelen sprachen beide auch über Taktisches: „Ich bin überzeugt davon, dass Xhaka Yakin dazu bewegt hat, von Vierer- auf Fünferkette umzustellen. Also so ähnlich zu spielen, wie er es in Leverkusen macht. Die Schweiz hat genau das richtige Spielermaterial dafür.“ Und tatsächlich: seither geht es wieder bergauf. Sportlich wie zwischenmenschlich. Inzwischen nennt der 49-Jährige seinen Strategen gar „einen Spielertrainer“. Voller Respekt.

Xhaka übt im Nationalteam fast noch mehr Einfluss als in Leverkusen aus. „Das hat ganz viel mit Xabi Alonso und seinem Trainerschein zu tun, den er gemacht hat“, so Finkbeiner. Vor Kurzem machte Xhaka selbst deutlich, er habe nun das Gefühl, „einen Spieler anders lesen zu können. Ich bin ein besserer Spieler geworden.“ Dieser Wechsel der Perspektive habe ihn definitiv weitergebracht. Auch als Persönlichkeit. Xhaka gilt als smart, siegessicher und fokussiert wie nie zuvor. Als einer, der genau weiß, was er will – und wie er es bekommt.

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Die ganz großen und markanten Sprüche mehr wie „Jetzt holen wir den Titel“ sind aus Xhakas Mund nicht mehr zu hören, das ist Teil seiner beachtlichen Wandlung, seines Reifeprozesses. „So großspurig ist er nicht mehr unterwegs“, lege aber nach wie vor den Finger in die Wunde, wenn es sein muss. Das habe bei den Fans einen überaus positiven Effekt, schilderte Finkbeiner und erinnerte: „Seine fußballerische Klasse stand ja auch nie zur Diskussion. Er ist super, super professionell und macht weiter alles, dass er fit bleibt. Es ging nur um die vielen Nebengeräusche.“

Keine Typen? Xhaka „ist auf jeden Fall einer“

Doch über die Person Xhaka hat Finkbeiner längst eine klare Meinung: „Er war immer eine streitbare Figur, aber mir gefällt das. Es heißt ja immer, es gibt keine Typen mehr im Fußball. Er ist auf jeden Fall einer“, betonte der Journalist und fügte hinzu: „Granit eckt an, deswegen ist er hier nicht Everybody’s Darling. Aber der Respekt ihm gegenüber wächst in der Schweiz von Jahr zu Jahr zu.“ Noch viel schneller würde sich diese neu entstandene Anerkennung natürlich entwickeln, wenn der gebürtige Basler seine Farben auch im kommenden Achtelfinale gegen Italien zum Sieg führt. Die Chancen standen sicherlich schon mal schlechter.

„Die Schweiz ist schwer zu bespielen, unangenehm und trotzdem gut mit dem Ball. Es ist für uns bisher ein sehr gutes Turnier. Diese Ergebnisse, die wir jetzt erzielt haben, hätte jeder im Vorfeld sofort unterschrieben“, erklärte Finkbeiner. Außenseiter seien die erstarkten Eidgenossen gegen den Titelverteidiger daher nicht. „Wenn ich mein Geld setzen müsste, würde ich es auf die Schweiz setzen. Nicht mein ganzes Vermögen, aber zumindest ein bisschen was“, lachte er. Dank Xhaka steigt die Zuversicht. Seine Besessenheit trägt ein ganzes Land - und könnte ihm auch am Samstag wieder eine kleine Trophäe einbringen.